Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Birken, Sigmund von: Pegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten. Nürnberg, 1665.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Liebes-gedanken.

Sie besahen noch einen Baum/ und
fanden an demselben ein Sonnet/ wel-
ches anredete

Die Fliege auf ihren Wangen.
Darfst du/ du kübnes Thier/ zu küssen/ so
erkecken/

die Wangen/ die so voll der Venus-röselein?
wilst du wor Honig hier/ wie Bienen/ holen
ein?

Ich gläub'/ es müss in dir Adonis Seele ste-
cken:

der Amarillis wolt mit einem Kuß belecken/
die er vor Venus hielt. Ach wär dein Glücke
mein!

ach solt ach solt ich doch solch eine Fliege seyn!
ich wolte nicht/ wie du/ ihr setzen einen Flecken.
Halt/ Fliege! lass einmal mich fliegen hin
mit dir/

und trage meinen Mund in deinem hin zu ihr
dafür solst du allzeit an meinem Tische essen.
Flieg hin/ mit diesem Glück! du darfst nun
seyn ein Gast

des Ambrosiner-Brods und Nectars/ weil
du hast

an diesem Tisch/ der nur vor Götter ist/ ge-
sessen.

Weil der/ unter diß und voriges Son-
net/ eingeschnittene Buchstab/ Flori-

dans
B ij
Die Liebes-gedanken.

Sie beſahen noch einen Baum/ und
fanden an demſelben ein Sonnet/ wel-
ches anredete

Die Fliege auf ihren Wangen.
Darfſt du/ du kuͤbnes Thier/ zu kuͤſſen/ ſo
erkecken/

die Wangen/ die ſo voll der Venus-roͤſelein?
wilſt du wor Honig hier/ wie Bienen/ holen
ein?

Ich glaͤub’/ es muͤſſ in dir Adonis Seele ſte-
cken:

der Amarillis wolt mit einem Kuß beleckē/
die er vor Venus hielt. Ach waͤr dein Gluͤcke
mein!

ach ſolt ach ſolt ich doch ſolch eine Fliege ſeyn!
ich wolte nicht/ wie du/ ihr ſetzen einē Flecken.
Halt/ Fliege! laſſ einmal mich fliegen hin
mit dir/

und trage meinē Mund in deinem hin zu ihr
dafuͤr ſolſt du allzeit an meinem Tiſche eſſen.
Flieg hin/ mit dieſem Gluͤck! du darfſt nun
ſeyn ein Gaſt

des Ambroſiner-Brods und Nectars/ weil
du haſt

an dieſem Tiſch/ der nur vor Goͤtter iſt/ ge-
ſeſſen.

Weil der/ unter diß und voriges Son-
net/ eingeſchnittene Buchſtab/ Flori-

dans
B ij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0031" n="19"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Die Liebes-gedanken.</hi> </fw><lb/>
        <p>Sie be&#x017F;ahen noch einen Baum/ und<lb/>
fanden an dem&#x017F;elben ein Sonnet/ wel-<lb/>
ches anredete</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <head>Die Fliege auf ihren Wangen.</head><lb/>
          <l>Darf&#x017F;t du/ du ku&#x0364;bnes Thier/ zu ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o<lb/><hi rendition="#et">erkecken/</hi></l><lb/>
          <l>die Wangen/ die &#x017F;o voll der Venus-ro&#x0364;&#x017F;elein?</l><lb/>
          <l>wil&#x017F;t du wor Honig hier/ wie Bienen/ holen<lb/><hi rendition="#et">ein?</hi></l><lb/>
          <l>Ich gla&#x0364;ub&#x2019;/ es mu&#x0364;&#x017F;&#x017F; in dir Adonis Seele &#x017F;te-<lb/><hi rendition="#et">cken:</hi></l><lb/>
          <l>der Amarillis wolt mit einem Kuß belecke&#x0304;/</l><lb/>
          <l>die er vor Venus hielt. Ach wa&#x0364;r dein Glu&#x0364;cke<lb/><hi rendition="#et">mein!</hi></l><lb/>
          <l>ach &#x017F;olt ach &#x017F;olt ich doch &#x017F;olch eine Fliege &#x017F;eyn!</l><lb/>
          <l>ich wolte nicht/ wie du/ ihr &#x017F;etzen eine&#x0304; Flecken.</l><lb/>
          <l>Halt/ Fliege! la&#x017F;&#x017F; einmal mich fliegen hin<lb/><hi rendition="#et">mit dir/</hi></l><lb/>
          <l>und trage meine&#x0304; Mund in deinem hin zu ihr</l><lb/>
          <l>dafu&#x0364;r &#x017F;ol&#x017F;t du allzeit an meinem Ti&#x017F;che e&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Flieg hin/ mit die&#x017F;em Glu&#x0364;ck! du darf&#x017F;t nun<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;eyn ein Ga&#x017F;t</hi></l><lb/>
          <l>des Ambro&#x017F;iner-Brods und Nectars/ weil<lb/><hi rendition="#et">du ha&#x017F;t</hi></l><lb/>
          <l>an die&#x017F;em Ti&#x017F;ch/ der nur vor Go&#x0364;tter i&#x017F;t/ ge-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en.</hi></l>
          <byline> <hi rendition="#fr">F.</hi> </byline>
        </lg><lb/>
        <p>Weil der/ unter diß und voriges Son-<lb/>
net/ einge&#x017F;chnittene Buch&#x017F;tab/ Flori-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B ij</fw><fw place="bottom" type="catch">dans</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0031] Die Liebes-gedanken. Sie beſahen noch einen Baum/ und fanden an demſelben ein Sonnet/ wel- ches anredete Die Fliege auf ihren Wangen. Darfſt du/ du kuͤbnes Thier/ zu kuͤſſen/ ſo erkecken/ die Wangen/ die ſo voll der Venus-roͤſelein? wilſt du wor Honig hier/ wie Bienen/ holen ein? Ich glaͤub’/ es muͤſſ in dir Adonis Seele ſte- cken: der Amarillis wolt mit einem Kuß beleckē/ die er vor Venus hielt. Ach waͤr dein Gluͤcke mein! ach ſolt ach ſolt ich doch ſolch eine Fliege ſeyn! ich wolte nicht/ wie du/ ihr ſetzen einē Flecken. Halt/ Fliege! laſſ einmal mich fliegen hin mit dir/ und trage meinē Mund in deinem hin zu ihr dafuͤr ſolſt du allzeit an meinem Tiſche eſſen. Flieg hin/ mit dieſem Gluͤck! du darfſt nun ſeyn ein Gaſt des Ambroſiner-Brods und Nectars/ weil du haſt an dieſem Tiſch/ der nur vor Goͤtter iſt/ ge- ſeſſen. F. Weil der/ unter diß und voriges Son- net/ eingeſchnittene Buchſtab/ Flori- dans B ij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665/31
Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Pegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten. Nürnberg, 1665, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665/31>, abgerufen am 28.04.2024.