Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652."ein Haus deß Wirtes wehrt. Wann für gewiß zu halten/ "wie dann unlaug bar ist/ daß treflichen Gestalten "viel von der Göttlichkeit viel Himmels wohne bey/ "und äusserliche Zier der innern Zeuge sey/ "des Menschen stummes Lob: wann Schönheit pflegt zu heissen "der Unschuld Fürstenthum und Reich/ beschützt ohn Eisen "und sonder Wacht bewacht; wann durch den Augenblitz "sein selbst Verräter wird der hohe Tugendsitz: Sind unsrer Kaiserin holdröselichte Wangen/ das Englisch Angesicht mit Atlas überhangen/ ist jhrer Aeuglein Blitz/ daraus die Tugend sah/ deß Göttlichen Gemüts ein treuer Zeuge da/ verhöht durch jhre Höh/ vergrössert durch die Grösse des würdiglichsten Throns/ entblösst von aller Blösse/ an allem Reichtum reich/ an allem Mangel arm/ an aller Kälte kalt/ an aller Wärme warm/ vor der das liechtste Liecht nur Schatten ist zu nennen. Die schöne Rahel selbst/ ich darff es wol bekennen/ hätt borgen müssen hier. Doch sey ihm/ wie es sey: Leopoldina war von allen Bresten frey. Ihr Schönseyn war Schöntuhn. Ihr kont nie angewinnen ein Laster-ungestalt noch Garstigkeit der Sinnen. Ihr sondrer Tugendstral zertrieb den Sündendampf/ den sie jhr unterwarff durch nimmermüden Kampf: Wie Judith Anblick dort den Holofern bezwungen und endlich über jhn ein Sieglied hat gesungen. Sie mühte sich/ wann sie sah jhr Gesicht im Glas/ daß unter solcher Zier die Seel gezierter sas. Zwar hat der Spiegel sie gar selten jhr gezeiget. Ein ander war jhr lieb/ der aus den Wolken zweiget Jehoschuah das Bild/ dem sie nur gleich zu sehn gewünscht/ und dieser Wunsch must jhr vor allen gehn. Daher die wehrte sich nie irdisch spiegeln wollen/ wann daß sie zu dem Mahl deß HErrn erscheinen sollen "zur Himmels Gasterey. Was fragt nach ihrer Höl/ "Was fraget nach dem Leib die Gott vermälte Seel/ wann
„ein Haus deß Wirtes wehrt. Wann fuͤr gewiß zu halten/ „wie dann unlaug bar iſt/ daß treflichen Geſtalten „viel von der Goͤttlichkeit viel Himmels wohne bey/ „und aͤuſſerliche Zier der innern Zeuge ſey/ „des Menſchen ſtummes Lob: wann Schoͤnheit pflegt zu heiſſen „der Unſchuld Fuͤrſtenthum und Reich/ beſchuͤtzt ohn Eiſen „und ſonder Wacht bewacht; wann durch den Augenblitz „ſein ſelbſt Verraͤter wird der hohe Tugendſitz: Sind unsrer Kaiſerin holdroͤſelichte Wangen/ das Engliſch Angeſicht mit Atlas uͤberhangen/ iſt jhrer Aeuglein Blitz/ daraus die Tugend ſah/ deß Goͤttlichen Gemuͤts ein treuer Zeuge da/ verhoͤht durch jhre Hoͤh/ vergroͤſſert durch die Groͤſſe des wuͤrdiglichſten Throns/ entbloͤſſt von aller Bloͤſſe/ an allem Reichtum reich/ an allem Mangel arm/ an aller Kaͤlte kalt/ an aller Waͤrme warm/ vor der das liechtſte Liecht nur Schatten iſt zu nennen. Die ſchoͤne Rahel ſelbſt/ ich darff es wol bekennen/ haͤtt borgen muͤſſen hier. Doch ſey ihm/ wie es ſey: Leopoldina war von allen Breſten frey. Ihr Schoͤnſeyn war Schoͤntuhn. Ihr kont nie angewinnen ein Laſter-ungeſtalt noch Garſtigkeit der Sinnen. Ihr ſondrer Tugendſtral zertrieb den Suͤndendampf/ den ſie jhr unterwarff durch nimmermuͤden Kampf: Wie Judith Anblick dort den Holofern bezwungen und endlich uͤber jhn ein Sieglied hat geſungen. Sie muͤhte ſich/ wann ſie ſah jhr Geſicht im Glas/ daß unter ſolcher Zier die Seel gezierter ſas. Zwar hat der Spiegel ſie gar ſelten jhr gezeiget. Ein ander war jhr lieb/ der aus den Wolken zweiget Jehoſchuah das Bild/ dem ſie nur gleich zu ſehn gewuͤnſcht/ und dieſer Wunſch muſt jhr vor allen gehn. Daher die wehrte ſich nie irdiſch ſpiegeln wollen/ wann daß ſie zu dem Mahl deß HErrn erſcheinen ſollen „zur Himmels Gaſterey. Was fragt nach ihrer Hoͤl/ „Was fraget nach dem Leib die Gott vermaͤlte Seel/ wann
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0092" n="42"/> <l><hi rendition="#fr">„ein Haus deß Wirtes wehrt.</hi> Wann fuͤr gewiß zu halten/</l><lb/> <l>„wie dann unlaug bar iſt/ <hi rendition="#fr">daß treflichen Geſtalten</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">„viel von der Goͤttlichkeit viel Himmels wohne bey/</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">„und aͤuſſerliche Zier der innern Zeuge ſey/</hi> </l><lb/> <l><hi rendition="#fr">„des Menſchen ſtummes Lob:</hi> wann Schoͤnheit pflegt zu</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">heiſſen</hi> </l><lb/> <l>„der Unſchuld Fuͤrſtenthum und Reich/ beſchuͤtzt ohn Eiſen</l><lb/> <l>„und ſonder Wacht bewacht; wann <hi rendition="#fr">durch den Augenblitz</hi></l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">„ſein ſelbſt Verraͤter wird der hohe Tugendſitz:</hi> </l><lb/> <l>Sind unsrer Kaiſerin holdroͤſelichte Wangen/</l><lb/> <l>das Engliſch Angeſicht mit Atlas uͤberhangen/</l><lb/> <l>iſt jhrer Aeuglein Blitz/ daraus die Tugend ſah/</l><lb/> <l>deß Goͤttlichen Gemuͤts ein treuer Zeuge da/</l><lb/> <l>verhoͤht durch jhre Hoͤh/ vergroͤſſert durch die Groͤſſe</l><lb/> <l>des wuͤrdiglichſten Throns/ entbloͤſſt von aller Bloͤſſe/</l><lb/> <l>an allem Reichtum reich/ an allem Mangel arm/</l><lb/> <l>an aller Kaͤlte kalt/ an aller Waͤrme warm/</l><lb/> <l>vor der das liechtſte Liecht nur Schatten iſt zu nennen.</l><lb/> <l>Die ſchoͤne <hi rendition="#fr">Rahel</hi> ſelbſt/ ich darff es wol bekennen/</l><lb/> <l>haͤtt borgen muͤſſen hier. Doch ſey ihm/ wie es ſey:</l><lb/> <l><hi rendition="#fr">Leopoldina</hi> war von allen Breſten frey.</l><lb/> <l>Ihr Schoͤnſeyn war Schoͤntuhn. Ihr kont nie angewinnen</l><lb/> <l>ein Laſter-ungeſtalt noch Garſtigkeit der Sinnen.</l><lb/> <l>Ihr ſondrer Tugendſtral zertrieb den Suͤndendampf/</l><lb/> <l>den ſie jhr unterwarff durch nimmermuͤden Kampf:</l><lb/> <l>Wie <hi rendition="#fr">Judith</hi> Anblick dort den <hi rendition="#fr">Holofern</hi> bezwungen</l><lb/> <l>und endlich uͤber jhn ein Sieglied hat geſungen.</l><lb/> <l>Sie muͤhte ſich/ wann ſie ſah jhr Geſicht im Glas/</l><lb/> <l>daß unter ſolcher Zier die Seel gezierter ſas.</l><lb/> <l>Zwar hat der Spiegel ſie gar ſelten jhr gezeiget.</l><lb/> <l>Ein ander war jhr lieb/ der aus den Wolken zweiget</l><lb/> <l><hi rendition="#fr">Jehoſchuah</hi> das Bild/ dem ſie nur gleich zu ſehn</l><lb/> <l>gewuͤnſcht/ und dieſer Wunſch muſt jhr vor allen gehn.</l><lb/> <l>Daher die wehrte ſich nie irdiſch ſpiegeln wollen/</l><lb/> <l>wann daß ſie zu dem Mahl deß HErrn erſcheinen ſollen</l><lb/> <l>„zur Himmels Gaſterey. Was fragt nach ihrer Hoͤl/</l><lb/> <l>„Was fraget nach dem Leib die Gott vermaͤlte Seel/</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">wann</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0092]
„ein Haus deß Wirtes wehrt. Wann fuͤr gewiß zu halten/
„wie dann unlaug bar iſt/ daß treflichen Geſtalten
„viel von der Goͤttlichkeit viel Himmels wohne bey/
„und aͤuſſerliche Zier der innern Zeuge ſey/
„des Menſchen ſtummes Lob: wann Schoͤnheit pflegt zu
heiſſen
„der Unſchuld Fuͤrſtenthum und Reich/ beſchuͤtzt ohn Eiſen
„und ſonder Wacht bewacht; wann durch den Augenblitz
„ſein ſelbſt Verraͤter wird der hohe Tugendſitz:
Sind unsrer Kaiſerin holdroͤſelichte Wangen/
das Engliſch Angeſicht mit Atlas uͤberhangen/
iſt jhrer Aeuglein Blitz/ daraus die Tugend ſah/
deß Goͤttlichen Gemuͤts ein treuer Zeuge da/
verhoͤht durch jhre Hoͤh/ vergroͤſſert durch die Groͤſſe
des wuͤrdiglichſten Throns/ entbloͤſſt von aller Bloͤſſe/
an allem Reichtum reich/ an allem Mangel arm/
an aller Kaͤlte kalt/ an aller Waͤrme warm/
vor der das liechtſte Liecht nur Schatten iſt zu nennen.
Die ſchoͤne Rahel ſelbſt/ ich darff es wol bekennen/
haͤtt borgen muͤſſen hier. Doch ſey ihm/ wie es ſey:
Leopoldina war von allen Breſten frey.
Ihr Schoͤnſeyn war Schoͤntuhn. Ihr kont nie angewinnen
ein Laſter-ungeſtalt noch Garſtigkeit der Sinnen.
Ihr ſondrer Tugendſtral zertrieb den Suͤndendampf/
den ſie jhr unterwarff durch nimmermuͤden Kampf:
Wie Judith Anblick dort den Holofern bezwungen
und endlich uͤber jhn ein Sieglied hat geſungen.
Sie muͤhte ſich/ wann ſie ſah jhr Geſicht im Glas/
daß unter ſolcher Zier die Seel gezierter ſas.
Zwar hat der Spiegel ſie gar ſelten jhr gezeiget.
Ein ander war jhr lieb/ der aus den Wolken zweiget
Jehoſchuah das Bild/ dem ſie nur gleich zu ſehn
gewuͤnſcht/ und dieſer Wunſch muſt jhr vor allen gehn.
Daher die wehrte ſich nie irdiſch ſpiegeln wollen/
wann daß ſie zu dem Mahl deß HErrn erſcheinen ſollen
„zur Himmels Gaſterey. Was fragt nach ihrer Hoͤl/
„Was fraget nach dem Leib die Gott vermaͤlte Seel/
wann
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/92 |
Zitationshilfe: | Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/92>, abgerufen am 17.07.2024. |