Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652.

Bild:
<< vorherige Seite

erstlich nicht/ biß sie/ dem Frieden dieses Vereinigungs
mahl zeigend/ sich herümwandte. Sie verwunderte sich/ wie
dieses Unweib sich hätte erkühnen dörfen/ bey diesem Fried-
und Eintrachtsmahl zu erscheinen. Erzehlete auch/ wie
von der Welt Anfang her Hohfart/ Neid/ Zorn/ Un- "
zucht/ und alle andre Laster von diesem Lasterweib seyen "
ausgezettelt worden. Name das Teutonische Reich zu einem
elenden Beyspiel/ und gab jhr alles das schuld/ was man biß-
her für Drangsalen erlidten. Sie wäre zwar vor dreyhun-
dert Jahren in eben dieser Stadt auf ewig zur Hölle verban-
bannet und verdammet worden/ hätte sich aber von dannen
leider wieder in das Reich begeben/ und das verwiechene
Jammerschauspiel angerichtet.

120.

Hierauf ergrieffe sie sie bey jhrem Schlangen-
schopff/ risse sie zu Boden/ und trate sie mit Füssen. Fienge
folgends an/ mit holdseligen Worten und Gebärden/ die
Teutonier anzureden/ und sagete jhnen/ wie daß sie nun die
Wahl hätten unter jhr und der Zwytracht/ welche von jhnen
beden sie bey sich behalten wolten. Erinnerte sie/ dz sie Men- "
schen und keine Wölffe/ wären/ die doch selbsten viel eini- "
ger/ und solten einander mördlich zu wider seyen. Wiese "
sie zu den Bienen in die Schule/ und bewiese mit dem "
Beyspiel einer Laute (deren Seiten keinen angenehmen
Tohn von sich geben/ wann sie nicht zusammengestimmet)
daß der Himmel kein gefallen an zweyträchtigen Sinnen
habe. Sonderlich aber ermahnete sie die Friedschliessenden
Cronen/ daß sie hinfort ein dreybeleibter Geryon/ d. i. ein
Sinn in dreyen Leibern/ seyn solten/ dardurch jhre Macht ver
stärket/ und siegefürchter werden würden. Und als die Anwe-
senden auf jhr widerholtes Fragen/ welche von jhnen beyden
haben wolten/ stillschwiegen/ schlosse sie daraus eine stum-
me Bejahung/ wünschete den Teutoniern/ Glück/ übergab
und empfahl jhnen damit jhre Gefärten/ den Frieden vnd
die Gerechtigkeit.

127.

erſtlich nicht/ biß ſie/ dem Frieden dieſes Vereinigungs
mahl zeigend/ ſich heruͤmwandte. Sie verwunderte ſich/ wie
dieſes Unweib ſich haͤtte erkuͤhnen doͤrfen/ bey dieſem Fried-
und Eintrachtsmahl zu erſcheinen. Erzehlete auch/ wie
von der Welt Anfang her Hohfart/ Neid/ Zorn/ Un- „
zucht/ und alle andre Laſter von dieſem Laſterweib ſeyen „
ausgezettelt worden. Name das Teutoniſche Reich zu einem
elenden Beyſpiel/ und gab jhr alles das ſchuld/ was man biß-
her fuͤr Drangſalen erlidten. Sie waͤre zwar vor dreyhun-
dert Jahren in eben dieſer Stadt auf ewig zur Hoͤlle verban-
bannet und verdammet worden/ haͤtte ſich aber von dannen
leider wieder in das Reich begeben/ und das verwiechene
Jammerſchauſpiel angerichtet.

120.

Hierauf ergrieffe ſie ſie bey jhrem Schlangen-
ſchopff/ riſſe ſie zu Boden/ und trate ſie mit Fuͤſſen. Fienge
folgends an/ mit holdſeligen Worten und Gebaͤrden/ die
Teutonier anzureden/ und ſagete jhnen/ wie daß ſie nun die
Wahl haͤtten unter jhr und der Zwytracht/ welche von jhnen
beden ſie bey ſich behaltẽ wolten. Erinnerte ſie/ dz ſie Men- „
ſchen und keine Woͤlffe/ waͤren/ die doch ſelbſten viel eini- „
ger/ und ſolten einander moͤrdlich zu wider ſeyen. Wieſe „
ſie zu den Bienen in die Schule/ und bewieſe mit dem „
Beyſpiel einer Laute (deren Seiten keinen angenehmen
Tohn von ſich geben/ wann ſie nicht zuſammengeſtimmet)
daß der Himmel kein gefallen an zweytraͤchtigen Sinnen
habe. Sonderlich aber ermahnete ſie die Friedſchlieſſenden
Cronen/ daß ſie hinfort ein dreybeleibter Geryon/ d. i. ein
Siñ in dreyen Leibern/ ſeyn ſolten/ dardurch jhre Macht ver
ſtaͤrket/ und ſiegefuͤrchter werden wuͤrden. Und als die Anwe-
ſenden auf jhr widerholtes Fragen/ welche von jhnen beyden
haben wolten/ ſtillſchwiegen/ ſchloſſe ſie daraus eine ſtum-
me Bejahung/ wuͤnſchete den Teutoniern/ Gluͤck/ uͤbergab
und empfahl jhnen damit jhre Gefaͤrten/ den Frieden vnd
die Gerechtigkeit.

127.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="127"/>
er&#x017F;tlich nicht/ biß &#x017F;ie/ dem Frieden die&#x017F;es Vereinigungs<lb/>
mahl zeigend/ &#x017F;ich heru&#x0364;mwandte. Sie verwunderte &#x017F;ich/ wie<lb/>
die&#x017F;es <hi rendition="#aq">U</hi>nweib &#x017F;ich ha&#x0364;tte erku&#x0364;hnen do&#x0364;rfen/ bey die&#x017F;em Fried-<lb/>
und Eintrachtsmahl zu er&#x017F;cheinen. Erzehlete auch/ wie<lb/>
von der Welt Anfang her Hohfart/ Neid/ Zorn/ <hi rendition="#aq">U</hi>n- &#x201E;<lb/>
zucht/ und alle andre La&#x017F;ter von die&#x017F;em La&#x017F;terweib &#x017F;eyen &#x201E;<lb/>
ausgezettelt worden. Name das Teutoni&#x017F;che Reich zu einem<lb/>
elenden Bey&#x017F;piel/ und gab jhr alles das &#x017F;chuld/ was man biß-<lb/>
her fu&#x0364;r Drang&#x017F;alen erlidten. Sie wa&#x0364;re zwar vor dreyhun-<lb/>
dert Jahren in eben die&#x017F;er Stadt auf ewig zur Ho&#x0364;lle verban-<lb/>
bannet und verdammet worden/ ha&#x0364;tte &#x017F;ich aber von dannen<lb/>
leider wieder in das Reich begeben/ und das verwiechene<lb/>
Jammer&#x017F;chau&#x017F;piel angerichtet.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>120.</head><lb/>
          <p>Hierauf ergrieffe &#x017F;ie &#x017F;ie bey jhrem Schlangen-<lb/>
&#x017F;chopff/ ri&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie zu Boden/ und trate &#x017F;ie mit Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Fienge<lb/>
folgends an/ mit hold&#x017F;eligen Worten und Geba&#x0364;rden/ die<lb/>
Teutonier anzureden/ und &#x017F;agete jhnen/ wie daß &#x017F;ie nun die<lb/>
Wahl ha&#x0364;tten unter jhr und der Zwytracht/ welche von jhnen<lb/>
beden &#x017F;ie bey &#x017F;ich behalte&#x0303; wolten. Erinnerte &#x017F;ie/ dz &#x017F;ie Men- &#x201E;<lb/>
&#x017F;chen und keine Wo&#x0364;lffe/ wa&#x0364;ren/ die doch &#x017F;elb&#x017F;ten viel eini- &#x201E;<lb/>
ger/ und &#x017F;olten einander mo&#x0364;rdlich zu wider &#x017F;eyen. Wie&#x017F;e &#x201E;<lb/>
&#x017F;ie zu den Bienen in die Schule/ und bewie&#x017F;e mit dem &#x201E;<lb/>
Bey&#x017F;piel einer Laute (deren Seiten keinen angenehmen<lb/>
Tohn von &#x017F;ich geben/ wann &#x017F;ie nicht zu&#x017F;ammenge&#x017F;timmet)<lb/>
daß der Himmel kein gefallen an zweytra&#x0364;chtigen Sinnen<lb/>
habe. Sonderlich aber ermahnete &#x017F;ie die Fried&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;enden<lb/>
Cronen/ daß &#x017F;ie hinfort ein dreybeleibter <hi rendition="#fr">Geryon</hi>/ d. i. ein<lb/>
Sin&#x0303; in dreyen Leibern/ &#x017F;eyn &#x017F;olten/ dardurch jhre Macht ver<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;rket/ und &#x017F;iegefu&#x0364;rchter werden wu&#x0364;rden. <hi rendition="#aq">U</hi>nd als die Anwe-<lb/>
&#x017F;enden auf jhr widerholtes Fragen/ welche von jhnen beyden<lb/>
haben wolten/ &#x017F;till&#x017F;chwiegen/ &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie daraus eine &#x017F;tum-<lb/>
me Bejahung/ wu&#x0364;n&#x017F;chete den Teutoniern/ Glu&#x0364;ck/ u&#x0364;bergab<lb/>
und empfahl jhnen damit jhre Gefa&#x0364;rten/ den Frieden vnd<lb/>
die Gerechtigkeit.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">127.</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0183] erſtlich nicht/ biß ſie/ dem Frieden dieſes Vereinigungs mahl zeigend/ ſich heruͤmwandte. Sie verwunderte ſich/ wie dieſes Unweib ſich haͤtte erkuͤhnen doͤrfen/ bey dieſem Fried- und Eintrachtsmahl zu erſcheinen. Erzehlete auch/ wie von der Welt Anfang her Hohfart/ Neid/ Zorn/ Un- „ zucht/ und alle andre Laſter von dieſem Laſterweib ſeyen „ ausgezettelt worden. Name das Teutoniſche Reich zu einem elenden Beyſpiel/ und gab jhr alles das ſchuld/ was man biß- her fuͤr Drangſalen erlidten. Sie waͤre zwar vor dreyhun- dert Jahren in eben dieſer Stadt auf ewig zur Hoͤlle verban- bannet und verdammet worden/ haͤtte ſich aber von dannen leider wieder in das Reich begeben/ und das verwiechene Jammerſchauſpiel angerichtet. 120. Hierauf ergrieffe ſie ſie bey jhrem Schlangen- ſchopff/ riſſe ſie zu Boden/ und trate ſie mit Fuͤſſen. Fienge folgends an/ mit holdſeligen Worten und Gebaͤrden/ die Teutonier anzureden/ und ſagete jhnen/ wie daß ſie nun die Wahl haͤtten unter jhr und der Zwytracht/ welche von jhnen beden ſie bey ſich behaltẽ wolten. Erinnerte ſie/ dz ſie Men- „ ſchen und keine Woͤlffe/ waͤren/ die doch ſelbſten viel eini- „ ger/ und ſolten einander moͤrdlich zu wider ſeyen. Wieſe „ ſie zu den Bienen in die Schule/ und bewieſe mit dem „ Beyſpiel einer Laute (deren Seiten keinen angenehmen Tohn von ſich geben/ wann ſie nicht zuſammengeſtimmet) daß der Himmel kein gefallen an zweytraͤchtigen Sinnen habe. Sonderlich aber ermahnete ſie die Friedſchlieſſenden Cronen/ daß ſie hinfort ein dreybeleibter Geryon/ d. i. ein Siñ in dreyen Leibern/ ſeyn ſolten/ dardurch jhre Macht ver ſtaͤrket/ und ſiegefuͤrchter werden wuͤrden. Und als die Anwe- ſenden auf jhr widerholtes Fragen/ welche von jhnen beyden haben wolten/ ſtillſchwiegen/ ſchloſſe ſie daraus eine ſtum- me Bejahung/ wuͤnſchete den Teutoniern/ Gluͤck/ uͤbergab und empfahl jhnen damit jhre Gefaͤrten/ den Frieden vnd die Gerechtigkeit. 127.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/183
Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/183>, abgerufen am 03.12.2024.