Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch, Schlußkapitel.
gelächter meiner Erkenntnis, daß ich fürs Ganze
impotent bin.

"Es fehlt dem Schüler an der rechten Aus¬
dauer, seiner Begabung alles das abzugewinnen,
was sie zu leisten vermöchte, wenn sie von Fleiß,
Beharrlichkeit, Mäßigung unterstützt würde" . . .
Diese Worte, nebst einigen andern, habe ich ein¬
mal von einem Schulzeugnis weggewischt, aber,
als wenn ich sie auswendig gelernt hätte, stehen sie
in mir fest und knarren sich heute mir vor.

Sehr gut, Herr Doktor! Sie sind ein guter
Psychologe gewesen. Aber, weiß Gott, ein schlechter
Pädagoge. Warum haben Sie mir alle die guten
Dinge nicht beigebracht, Magister Sie? Warum
haben Sie mich schon auf der Schule verlumpen
lassen? War ich ein Talent, oh, Sie Halunke,
warum haben Sie mich nicht gehütet? Warum haben
Sie mich verhöhnt, von sich weggetrieben, meinem
Zorn und Trotz in die Arme, daß ich nun erst
recht auf mir bestand? Warum habt ihr mich
überhaupt gequält mit eurer Rohheit, eurem Dünkel,
eurer Gleichgültigkeit? Warum habt ihr meine
Seele, da sie jung war, wundgescheuert, daß sie
ewig schmerzende Narben davontrug und immer
zuckender, unstäter wurde? Freilich, die meisten

Viertes Buch, Schlußkapitel.
gelächter meiner Erkenntnis, daß ich fürs Ganze
impotent bin.

„Es fehlt dem Schüler an der rechten Aus¬
dauer, ſeiner Begabung alles das abzugewinnen,
was ſie zu leiſten vermöchte, wenn ſie von Fleiß,
Beharrlichkeit, Mäßigung unterſtützt würde“ . . .
Dieſe Worte, nebſt einigen andern, habe ich ein¬
mal von einem Schulzeugnis weggewiſcht, aber,
als wenn ich ſie auswendig gelernt hätte, ſtehen ſie
in mir feſt und knarren ſich heute mir vor.

Sehr gut, Herr Doktor! Sie ſind ein guter
Pſychologe geweſen. Aber, weiß Gott, ein ſchlechter
Pädagoge. Warum haben Sie mir alle die guten
Dinge nicht beigebracht, Magiſter Sie? Warum
haben Sie mich ſchon auf der Schule verlumpen
laſſen? War ich ein Talent, oh, Sie Halunke,
warum haben Sie mich nicht gehütet? Warum haben
Sie mich verhöhnt, von ſich weggetrieben, meinem
Zorn und Trotz in die Arme, daß ich nun erſt
recht auf mir beſtand? Warum habt ihr mich
überhaupt gequält mit eurer Rohheit, eurem Dünkel,
eurer Gleichgültigkeit? Warum habt ihr meine
Seele, da ſie jung war, wundgeſcheuert, daß ſie
ewig ſchmerzende Narben davontrug und immer
zuckender, unſtäter wurde? Freilich, die meiſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0425" n="411"/><fw place="top" type="header">Viertes Buch, Schlußkapitel.<lb/></fw> gelächter meiner Erkenntnis, daß ich fürs Ganze<lb/>
impotent bin.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es fehlt dem Schüler an der rechten Aus¬<lb/>
dauer, &#x017F;einer Begabung alles das abzugewinnen,<lb/>
was &#x017F;ie zu lei&#x017F;ten vermöchte, wenn &#x017F;ie von Fleiß,<lb/>
Beharrlichkeit, Mäßigung unter&#x017F;tützt würde&#x201C; . . .<lb/>
Die&#x017F;e Worte, neb&#x017F;t einigen andern, habe ich ein¬<lb/>
mal von einem Schulzeugnis weggewi&#x017F;cht, aber,<lb/>
als wenn ich &#x017F;ie auswendig gelernt hätte, &#x017F;tehen &#x017F;ie<lb/>
in mir fe&#x017F;t und knarren &#x017F;ich heute mir vor.</p><lb/>
          <p>Sehr gut, Herr Doktor! Sie &#x017F;ind ein guter<lb/>
P&#x017F;ychologe gewe&#x017F;en. Aber, weiß Gott, ein &#x017F;chlechter<lb/>
Pädagoge. Warum haben Sie mir alle die guten<lb/>
Dinge nicht beigebracht, Magi&#x017F;ter Sie? Warum<lb/>
haben Sie mich &#x017F;chon auf der Schule verlumpen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en? War ich ein Talent, oh, Sie Halunke,<lb/>
warum haben Sie mich nicht gehütet? Warum haben<lb/>
Sie mich verhöhnt, von &#x017F;ich weggetrieben, meinem<lb/>
Zorn und Trotz in die Arme, daß ich nun er&#x017F;t<lb/>
recht auf mir be&#x017F;tand? Warum habt ihr mich<lb/>
überhaupt gequält mit eurer Rohheit, eurem Dünkel,<lb/>
eurer Gleichgültigkeit? Warum habt ihr meine<lb/>
Seele, da &#x017F;ie jung war, wundge&#x017F;cheuert, daß &#x017F;ie<lb/>
ewig &#x017F;chmerzende Narben davontrug und immer<lb/>
zuckender, un&#x017F;täter wurde? Freilich, die mei&#x017F;ten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0425] Viertes Buch, Schlußkapitel. gelächter meiner Erkenntnis, daß ich fürs Ganze impotent bin. „Es fehlt dem Schüler an der rechten Aus¬ dauer, ſeiner Begabung alles das abzugewinnen, was ſie zu leiſten vermöchte, wenn ſie von Fleiß, Beharrlichkeit, Mäßigung unterſtützt würde“ . . . Dieſe Worte, nebſt einigen andern, habe ich ein¬ mal von einem Schulzeugnis weggewiſcht, aber, als wenn ich ſie auswendig gelernt hätte, ſtehen ſie in mir feſt und knarren ſich heute mir vor. Sehr gut, Herr Doktor! Sie ſind ein guter Pſychologe geweſen. Aber, weiß Gott, ein ſchlechter Pädagoge. Warum haben Sie mir alle die guten Dinge nicht beigebracht, Magiſter Sie? Warum haben Sie mich ſchon auf der Schule verlumpen laſſen? War ich ein Talent, oh, Sie Halunke, warum haben Sie mich nicht gehütet? Warum haben Sie mich verhöhnt, von ſich weggetrieben, meinem Zorn und Trotz in die Arme, daß ich nun erſt recht auf mir beſtand? Warum habt ihr mich überhaupt gequält mit eurer Rohheit, eurem Dünkel, eurer Gleichgültigkeit? Warum habt ihr meine Seele, da ſie jung war, wundgeſcheuert, daß ſie ewig ſchmerzende Narben davontrug und immer zuckender, unſtäter wurde? Freilich, die meiſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/425
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/425>, abgerufen am 06.05.2024.