damit einverstanden, nur waren die bis jetzt von ihnen vorgelegten poetischen Erzeugnisse nach seiner Meinung noch nicht momusreif.
-- Druckreif und momusreif ist ein Unterschied, meine Süßen! Ihr seid noch nicht auf der Höhe des Brettls, ihr seid noch zu papieren! rief er ihnen immer wieder zu.
Übrigens entschied er nicht allein darüber; Martha die Muse hatte das Hauptwort dabei.
Wie er mitten im vergnügtesten Correspondieren war, trat sie ein:
-- Na, haben wir endlich ein paar Dichter?
-- Nee, ich glaube nicht. Wir müssen den Stil erst erfinden. Entweder fehlt ihnen der Mut oder der Geschmack zum Gassenhauer. Blos der Zungenschnalzer hat ein paar gute Sachen produ¬ ziert, und das Schönste ist, daß er sie auch selber singen kann. Er ist überhaupt unbezahlbar, und ich werde ihn zum Conrektor des Momus ernennen. Er kann direkt Alles, nur muß man ihn eigentlich erst ein bischen kastrieren. Himmelschreiend diese Erotik! Die vier Tanzmädchen hat er schon voll¬ ständig verdorben, und sie wollen nun schon gar nichts mehr anziehn. Er übt jetzt ein Literatur¬ ballet mit ihnen ein und ist schon bei den Roman¬
Stilpe.
damit einverſtanden, nur waren die bis jetzt von ihnen vorgelegten poetiſchen Erzeugniſſe nach ſeiner Meinung noch nicht momusreif.
— Druckreif und momusreif iſt ein Unterſchied, meine Süßen! Ihr ſeid noch nicht auf der Höhe des Brettls, ihr ſeid noch zu papieren! rief er ihnen immer wieder zu.
Übrigens entſchied er nicht allein darüber; Martha die Muſe hatte das Hauptwort dabei.
Wie er mitten im vergnügteſten Correſpondieren war, trat ſie ein:
— Na, haben wir endlich ein paar Dichter?
— Nee, ich glaube nicht. Wir müſſen den Stil erſt erfinden. Entweder fehlt ihnen der Mut oder der Geſchmack zum Gaſſenhauer. Blos der Zungenſchnalzer hat ein paar gute Sachen produ¬ ziert, und das Schönſte iſt, daß er ſie auch ſelber ſingen kann. Er iſt überhaupt unbezahlbar, und ich werde ihn zum Conrektor des Momus ernennen. Er kann direkt Alles, nur muß man ihn eigentlich erſt ein bischen kaſtrieren. Himmelſchreiend dieſe Erotik! Die vier Tanzmädchen hat er ſchon voll¬ ſtändig verdorben, und ſie wollen nun ſchon gar nichts mehr anziehn. Er übt jetzt ein Literatur¬ ballet mit ihnen ein und iſt ſchon bei den Roman¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0380"n="366"/><fwplace="top"type="header">Stilpe.<lb/></fw>damit einverſtanden, nur waren die bis jetzt von<lb/>
ihnen vorgelegten poetiſchen Erzeugniſſe nach ſeiner<lb/>
Meinung noch nicht momusreif.</p><lb/><p>— Druckreif und momusreif iſt ein Unterſchied,<lb/>
meine Süßen! Ihr ſeid noch nicht auf der Höhe<lb/>
des Brettls, ihr ſeid noch zu papieren! rief er ihnen<lb/>
immer wieder zu.</p><lb/><p>Übrigens entſchied er nicht allein darüber;<lb/>
Martha die Muſe hatte das Hauptwort dabei.</p><lb/><p>Wie er mitten im vergnügteſten Correſpondieren<lb/>
war, trat ſie ein:</p><lb/><p>— Na, haben wir endlich ein paar Dichter?</p><lb/><p>— Nee, ich glaube nicht. Wir müſſen den<lb/>
Stil erſt erfinden. Entweder fehlt ihnen der Mut<lb/>
oder der Geſchmack zum Gaſſenhauer. Blos der<lb/>
Zungenſchnalzer hat ein paar gute Sachen produ¬<lb/>
ziert, und das Schönſte iſt, daß er ſie auch ſelber<lb/>ſingen kann. Er iſt überhaupt unbezahlbar, und<lb/>
ich werde ihn zum Conrektor des Momus ernennen.<lb/>
Er kann direkt Alles, nur muß man ihn eigentlich<lb/>
erſt ein bischen kaſtrieren. Himmelſchreiend dieſe<lb/>
Erotik! Die vier Tanzmädchen hat er ſchon voll¬<lb/>ſtändig verdorben, und ſie wollen nun ſchon gar<lb/>
nichts mehr anziehn. Er übt jetzt ein Literatur¬<lb/>
ballet mit ihnen ein und iſt ſchon bei den Roman¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[366/0380]
Stilpe.
damit einverſtanden, nur waren die bis jetzt von
ihnen vorgelegten poetiſchen Erzeugniſſe nach ſeiner
Meinung noch nicht momusreif.
— Druckreif und momusreif iſt ein Unterſchied,
meine Süßen! Ihr ſeid noch nicht auf der Höhe
des Brettls, ihr ſeid noch zu papieren! rief er ihnen
immer wieder zu.
Übrigens entſchied er nicht allein darüber;
Martha die Muſe hatte das Hauptwort dabei.
Wie er mitten im vergnügteſten Correſpondieren
war, trat ſie ein:
— Na, haben wir endlich ein paar Dichter?
— Nee, ich glaube nicht. Wir müſſen den
Stil erſt erfinden. Entweder fehlt ihnen der Mut
oder der Geſchmack zum Gaſſenhauer. Blos der
Zungenſchnalzer hat ein paar gute Sachen produ¬
ziert, und das Schönſte iſt, daß er ſie auch ſelber
ſingen kann. Er iſt überhaupt unbezahlbar, und
ich werde ihn zum Conrektor des Momus ernennen.
Er kann direkt Alles, nur muß man ihn eigentlich
erſt ein bischen kaſtrieren. Himmelſchreiend dieſe
Erotik! Die vier Tanzmädchen hat er ſchon voll¬
ſtändig verdorben, und ſie wollen nun ſchon gar
nichts mehr anziehn. Er übt jetzt ein Literatur¬
ballet mit ihnen ein und iſt ſchon bei den Roman¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/380>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.