Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch, zweites Kapitel.
jede Gefahr auszuschließen, daß sie gelesen werden
könnten.

Der Peripathetiker schüttelte langsam den Kopf:
Aber ich möchte sie doch lesen!

Stilpe wurde ärgerlich und erklärte, er würde
nicht eher etwas zu trinken geben, als bis man
anfinge, ernsthaft zu reden. Er fühlte sich beinahe
schon als dekretierenden Redakteur.

Es wurde die parlamentarische Form bestimmt,
damit man doch zu einem Beschlusse käme.

-- Also, gut, wie gesagt, selbstverständlich:
Eugen Richter; wie gesagt: Ich bitte ums Wort!
rief der Bärenführer.

Stilpe, der natürlich präsidierte, erklärte, daß
er ihn vormerken wolle; zuvörderst aber müsse die
Gesellschaft ein paar Worte von ihm entgegen¬
nehmen:

-- Erstens, meine Freunde, wollen wir uns
geloben, heute zu einem Entschluß zu kommen. Ich
schlage vor, daß wir dies nicht ohne Feierlichkeit
thun. Lasset uns symbolisch vorgehen! Wer sich
verpflichtet, mitzuwirken zu einem endgiltigen Ent¬
schlusse und wer zu erklären bereit ist, daß er sich
jeder Entscheidung, die heute fällt, unterwerfen
will, auch wenn sie gegen seine etwaigen Anträge

22

Viertes Buch, zweites Kapitel.
jede Gefahr auszuſchließen, daß ſie geleſen werden
könnten.

Der Peripathetiker ſchüttelte langſam den Kopf:
Aber ich möchte ſie doch leſen!

Stilpe wurde ärgerlich und erklärte, er würde
nicht eher etwas zu trinken geben, als bis man
anfinge, ernſthaft zu reden. Er fühlte ſich beinahe
ſchon als dekretierenden Redakteur.

Es wurde die parlamentariſche Form beſtimmt,
damit man doch zu einem Beſchluſſe käme.

— Alſo, gut, wie geſagt, ſelbſtverſtändlich:
Eugen Richter; wie geſagt: Ich bitte ums Wort!
rief der Bärenführer.

Stilpe, der natürlich präſidierte, erklärte, daß
er ihn vormerken wolle; zuvörderſt aber müſſe die
Geſellſchaft ein paar Worte von ihm entgegen¬
nehmen:

— Erſtens, meine Freunde, wollen wir uns
geloben, heute zu einem Entſchluß zu kommen. Ich
ſchlage vor, daß wir dies nicht ohne Feierlichkeit
thun. Laſſet uns ſymboliſch vorgehen! Wer ſich
verpflichtet, mitzuwirken zu einem endgiltigen Ent¬
ſchluſſe und wer zu erklären bereit iſt, daß er ſich
jeder Entſcheidung, die heute fällt, unterwerfen
will, auch wenn ſie gegen ſeine etwaigen Anträge

22
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0351" n="337"/><fw place="top" type="header">Viertes Buch, zweites Kapitel.<lb/></fw> jede Gefahr auszu&#x017F;chließen, daß &#x017F;ie gele&#x017F;en werden<lb/>
könnten.</p><lb/>
          <p>Der Peripathetiker &#x017F;chüttelte lang&#x017F;am den Kopf:<lb/>
Aber <hi rendition="#g">ich</hi> möchte &#x017F;ie doch le&#x017F;en!</p><lb/>
          <p>Stilpe wurde ärgerlich und erklärte, er würde<lb/>
nicht eher etwas zu trinken geben, als bis man<lb/>
anfinge, ern&#x017F;thaft zu reden. Er fühlte &#x017F;ich beinahe<lb/>
&#x017F;chon als dekretierenden Redakteur.</p><lb/>
          <p>Es wurde die parlamentari&#x017F;che Form be&#x017F;timmt,<lb/>
damit man doch zu einem Be&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e käme.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Al&#x017F;o, gut, wie ge&#x017F;agt, &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich:<lb/>
Eugen Richter; wie ge&#x017F;agt: Ich bitte ums Wort!<lb/>
rief der Bärenführer.</p><lb/>
          <p>Stilpe, der natürlich prä&#x017F;idierte, erklärte, daß<lb/>
er ihn vormerken wolle; zuvörder&#x017F;t aber mü&#x017F;&#x017F;e die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ein paar Worte von ihm entgegen¬<lb/>
nehmen:</p><lb/>
          <p>&#x2014; Er&#x017F;tens, meine Freunde, wollen wir uns<lb/>
geloben, heute zu einem Ent&#x017F;chluß zu kommen. Ich<lb/>
&#x017F;chlage vor, daß wir dies nicht ohne Feierlichkeit<lb/>
thun. La&#x017F;&#x017F;et uns &#x017F;ymboli&#x017F;ch vorgehen! Wer &#x017F;ich<lb/>
verpflichtet, mitzuwirken zu einem endgiltigen Ent¬<lb/>
&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e und wer zu erklären bereit i&#x017F;t, daß er &#x017F;ich<lb/>
jeder Ent&#x017F;cheidung, die heute fällt, unterwerfen<lb/>
will, auch wenn &#x017F;ie gegen &#x017F;eine etwaigen Anträge<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">22<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[337/0351] Viertes Buch, zweites Kapitel. jede Gefahr auszuſchließen, daß ſie geleſen werden könnten. Der Peripathetiker ſchüttelte langſam den Kopf: Aber ich möchte ſie doch leſen! Stilpe wurde ärgerlich und erklärte, er würde nicht eher etwas zu trinken geben, als bis man anfinge, ernſthaft zu reden. Er fühlte ſich beinahe ſchon als dekretierenden Redakteur. Es wurde die parlamentariſche Form beſtimmt, damit man doch zu einem Beſchluſſe käme. — Alſo, gut, wie geſagt, ſelbſtverſtändlich: Eugen Richter; wie geſagt: Ich bitte ums Wort! rief der Bärenführer. Stilpe, der natürlich präſidierte, erklärte, daß er ihn vormerken wolle; zuvörderſt aber müſſe die Geſellſchaft ein paar Worte von ihm entgegen¬ nehmen: — Erſtens, meine Freunde, wollen wir uns geloben, heute zu einem Entſchluß zu kommen. Ich ſchlage vor, daß wir dies nicht ohne Feierlichkeit thun. Laſſet uns ſymboliſch vorgehen! Wer ſich verpflichtet, mitzuwirken zu einem endgiltigen Ent¬ ſchluſſe und wer zu erklären bereit iſt, daß er ſich jeder Entſcheidung, die heute fällt, unterwerfen will, auch wenn ſie gegen ſeine etwaigen Anträge 22

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/351
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/351>, abgerufen am 22.11.2024.