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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Viertes Buch, erstes Kapitel.
sich wohl ein spekulativer Herr, der mir meine
eigene Zeitung gründet: Die Zeitung der Zurück¬
gewiesenen, das Blatt der Bohemes auf jedem
Gebiete . . .

Und: Kein Zweifel, daß die Brochüre gehen
wird! Welcher Skandal ginge nicht? Aber ich
muß rücksichtslos sein, wie ein Wilder und bos¬
haft wie ein Affe.

Sagen wir ruhig: Es muß ein braves Pam¬
phlet sein.

Machen wir! Ist nicht der Tintensumpf un¬
leugbar? Bin ich mir nicht das schönste Modell?
Hat mich dieser Sumpf nicht ruiniert? . . .

Der Teufel, ich komme immer in den Stil für
die Öffentlichkeit. Ich bin wirklich allerliebst ein¬
geseucht; es scheint, ich kann mir schon selber nicht
mehr die Wahrheit sagen. Aber für diesen Zweck
ist das eigentlich ausgezeichnet! Ich werde teilweise
unbewußt lügen, und eine unbewußte Lüge knattert
viel stärker als zehn bewußte Wahrheiten.

Eben rieb ich mir die Hände. Es scheint, die
Bösewichter auf dem Theater sind echter, als wir
glauben.

Bösewicht! Ich möchte jetzt mal in den
Spiegel sehn.

Viertes Buch, erſtes Kapitel.
ſich wohl ein ſpekulativer Herr, der mir meine
eigene Zeitung gründet: Die Zeitung der Zurück¬
gewieſenen, das Blatt der Bohèmes auf jedem
Gebiete . . .

Und: Kein Zweifel, daß die Brochüre gehen
wird! Welcher Skandal ginge nicht? Aber ich
muß rückſichtslos ſein, wie ein Wilder und bos¬
haft wie ein Affe.

Sagen wir ruhig: Es muß ein braves Pam¬
phlet ſein.

Machen wir! Iſt nicht der Tintenſumpf un¬
leugbar? Bin ich mir nicht das ſchönſte Modell?
Hat mich dieſer Sumpf nicht ruiniert? . . .

Der Teufel, ich komme immer in den Stil für
die Öffentlichkeit. Ich bin wirklich allerliebſt ein¬
geſeucht; es ſcheint, ich kann mir ſchon ſelber nicht
mehr die Wahrheit ſagen. Aber für dieſen Zweck
iſt das eigentlich ausgezeichnet! Ich werde teilweiſe
unbewußt lügen, und eine unbewußte Lüge knattert
viel ſtärker als zehn bewußte Wahrheiten.

Eben rieb ich mir die Hände. Es ſcheint, die
Böſewichter auf dem Theater ſind echter, als wir
glauben.

Böſewicht! Ich möchte jetzt mal in den
Spiegel ſehn.

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[319/0333] Viertes Buch, erſtes Kapitel. ſich wohl ein ſpekulativer Herr, der mir meine eigene Zeitung gründet: Die Zeitung der Zurück¬ gewieſenen, das Blatt der Bohèmes auf jedem Gebiete . . . Und: Kein Zweifel, daß die Brochüre gehen wird! Welcher Skandal ginge nicht? Aber ich muß rückſichtslos ſein, wie ein Wilder und bos¬ haft wie ein Affe. Sagen wir ruhig: Es muß ein braves Pam¬ phlet ſein. Machen wir! Iſt nicht der Tintenſumpf un¬ leugbar? Bin ich mir nicht das ſchönſte Modell? Hat mich dieſer Sumpf nicht ruiniert? . . . Der Teufel, ich komme immer in den Stil für die Öffentlichkeit. Ich bin wirklich allerliebſt ein¬ geſeucht; es ſcheint, ich kann mir ſchon ſelber nicht mehr die Wahrheit ſagen. Aber für dieſen Zweck iſt das eigentlich ausgezeichnet! Ich werde teilweiſe unbewußt lügen, und eine unbewußte Lüge knattert viel ſtärker als zehn bewußte Wahrheiten. Eben rieb ich mir die Hände. Es ſcheint, die Böſewichter auf dem Theater ſind echter, als wir glauben. Böſewicht! Ich möchte jetzt mal in den Spiegel ſehn.

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/333>, abgerufen am 22.05.2024.