Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite
Viertes Buch, erstes Kapitel.

Halt! Ich werde nach Dressel streben! Jede
Woche zwei Feuilletons mehr, und es geht! . . .

Ach, wie kümmerlich und einfältig! Bin ich
denn schon ganz verblödet? Jeder Tag Dressel,
das wäre ja eine Rohheit und unsagbar stümper¬
haft. Ich würde mir ja selbst die Möglichkeit zu
Magenidealen rauben . . .

Also: Ideale fehlen mir? Schau, schau, wie
tugendhaft ich bin . . .

Unsinn: Ideale! Schon das Wort ist die ver¬
körperte Maulsperre: I. . . e. . . a! Pfeifen wir lieber
darauf! . . .

Aber das schweiß- und lustlockende Ziel . . .
Sollte es die Liebe sein, die Li--a--bee? Oh
nee!

Indessen. . . manchmal . . .? . . .hm . . .! . . .

Kürzlich liebte ich sehr stark in der Gegend des
Weddings. Ich zog mich schlecht an (wie schade,
daß ich meine letzte Leipziger Garderobe nicht mehr
habe!) und entzündete den Scharlachfeuerbrand bei
einem recht süßen Ding von Mantelnäherin.

Oh ja, es hatte was. Die Armeleutliebe hat
ihre Reize wie die Armeleutmalerei, und ich kam
mir vor wie der dicke Commerzienrat Katz, der
einen Uhde in seinem Speisezimmer hängen hat.

Viertes Buch, erſtes Kapitel.

Halt! Ich werde nach Dreſſel ſtreben! Jede
Woche zwei Feuilletons mehr, und es geht! . . .

Ach, wie kümmerlich und einfältig! Bin ich
denn ſchon ganz verblödet? Jeder Tag Dreſſel,
das wäre ja eine Rohheit und unſagbar ſtümper¬
haft. Ich würde mir ja ſelbſt die Möglichkeit zu
Magenidealen rauben . . .

Alſo: Ideale fehlen mir? Schau, ſchau, wie
tugendhaft ich bin . . .

Unſinn: Ideale! Schon das Wort iſt die ver¬
körperte Maulſperre: I. . . e. . . a! Pfeifen wir lieber
darauf! . . .

Aber das ſchweiß- und luſtlockende Ziel . . .
Sollte es die Liebe ſein, die Li—a—bee? Oh
nee!

Indeſſen. . . manchmal . . .? . . .hm . . .! . . .

Kürzlich liebte ich ſehr ſtark in der Gegend des
Weddings. Ich zog mich ſchlecht an (wie ſchade,
daß ich meine letzte Leipziger Garderobe nicht mehr
habe!) und entzündete den Scharlachfeuerbrand bei
einem recht ſüßen Ding von Mantelnäherin.

Oh ja, es hatte was. Die Armeleutliebe hat
ihre Reize wie die Armeleutmalerei, und ich kam
mir vor wie der dicke Commerzienrat Katz, der
einen Uhde in ſeinem Speiſezimmer hängen hat.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0325" n="311"/>
          <fw place="top" type="header">Viertes Buch, er&#x017F;tes Kapitel.<lb/></fw>
          <p>Halt! Ich werde nach Dre&#x017F;&#x017F;el &#x017F;treben! Jede<lb/>
Woche zwei Feuilletons mehr, und es geht! . . .</p><lb/>
          <p>Ach, wie kümmerlich und einfältig! Bin ich<lb/>
denn &#x017F;chon ganz verblödet? Jeder Tag Dre&#x017F;&#x017F;el,<lb/>
das wäre ja eine Rohheit und un&#x017F;agbar &#x017F;tümper¬<lb/>
haft. Ich würde mir ja &#x017F;elb&#x017F;t die Möglichkeit zu<lb/><hi rendition="#g">Magen</hi>idealen rauben . . .</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o: Ideale fehlen mir? Schau, &#x017F;chau, wie<lb/>
tugendhaft ich bin . . .</p><lb/>
          <p>Un&#x017F;inn: Ideale! Schon das Wort i&#x017F;t die ver¬<lb/>
körperte Maul&#x017F;perre: I. . . e. . . a! Pfeifen wir lieber<lb/>
darauf! . . .</p><lb/>
          <p>Aber das &#x017F;chweiß- und lu&#x017F;tlockende Ziel . . .<lb/>
Sollte es die Liebe &#x017F;ein, die Li&#x2014;a&#x2014;bee? Oh<lb/>
nee!</p><lb/>
          <p>Inde&#x017F;&#x017F;en. . . manchmal . . .? . . .hm . . .! . . .</p><lb/>
          <p>Kürzlich liebte ich &#x017F;ehr &#x017F;tark in der Gegend des<lb/>
Weddings. Ich zog mich &#x017F;chlecht an (wie &#x017F;chade,<lb/>
daß ich meine letzte Leipziger Garderobe nicht mehr<lb/>
habe!) und entzündete den Scharlachfeuerbrand bei<lb/>
einem recht &#x017F;üßen Ding von Mantelnäherin.</p><lb/>
          <p>Oh ja, es hatte was. Die Armeleutliebe hat<lb/>
ihre Reize wie die Armeleutmalerei, und ich kam<lb/>
mir vor wie der dicke Commerzienrat Katz, der<lb/>
einen Uhde in &#x017F;einem Spei&#x017F;ezimmer hängen hat.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0325] Viertes Buch, erſtes Kapitel. Halt! Ich werde nach Dreſſel ſtreben! Jede Woche zwei Feuilletons mehr, und es geht! . . . Ach, wie kümmerlich und einfältig! Bin ich denn ſchon ganz verblödet? Jeder Tag Dreſſel, das wäre ja eine Rohheit und unſagbar ſtümper¬ haft. Ich würde mir ja ſelbſt die Möglichkeit zu Magenidealen rauben . . . Alſo: Ideale fehlen mir? Schau, ſchau, wie tugendhaft ich bin . . . Unſinn: Ideale! Schon das Wort iſt die ver¬ körperte Maulſperre: I. . . e. . . a! Pfeifen wir lieber darauf! . . . Aber das ſchweiß- und luſtlockende Ziel . . . Sollte es die Liebe ſein, die Li—a—bee? Oh nee! Indeſſen. . . manchmal . . .? . . .hm . . .! . . . Kürzlich liebte ich ſehr ſtark in der Gegend des Weddings. Ich zog mich ſchlecht an (wie ſchade, daß ich meine letzte Leipziger Garderobe nicht mehr habe!) und entzündete den Scharlachfeuerbrand bei einem recht ſüßen Ding von Mantelnäherin. Oh ja, es hatte was. Die Armeleutliebe hat ihre Reize wie die Armeleutmalerei, und ich kam mir vor wie der dicke Commerzienrat Katz, der einen Uhde in ſeinem Speiſezimmer hängen hat.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/325
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/325>, abgerufen am 18.05.2024.