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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Erstes Buch, zweites Kapitel.

Man kann daraus erkennen, wie eminent
modern die Anlage dieses pädagogischen Institutes
war. Sie ging nicht aufs Sentimentale, sondern
aufs Robuste aus, sie wollte nicht Romantiker er¬
ziehen, sondern Realisten, sie wusch die jungen
Häute nicht mit Mandelmilch, sondern mit Bim¬
steinseife. Wie in den meisten dieser Internate, so
lebte auch in ihr das bewährte Staffelprinzip des
Lebens, das sich in Kürze so darstellen läßt: Die
Unteren sind die Fußschemel der Oberen, und keiner
kommt ungetreten in die Höhe. So erfüllen diese
Anstalten aufs Vollkommenste den erzieherischen
Zweck, aufs Leben vorzubereiten. Denn sie nehmen
es in seiner ganzen Rohheit vorweg. Der Spalt¬
pilz des Illusionismus wird mit kräftiger Hand
ausgemerzt, und die bedenkliche Neigung mancher
jungen Seelen ins Optimistische wird durch reichlich
und konsequent applizierte Blitzgüsse weggeschreckt.

So redet unsere erwachsene Philosophie. Aber,
liebe Leute, so ein kleiner Junge von acht Jahren . . .
Mein Gott, woher soll der erwachsene Philosophie
haben? Er begreift mit nichten die Heilsamkeit
des lebensvorbildlichen Getretenwerdens, er versteht
ganz und gar nicht, wie wertvoll es ist, sich die
junge Haut durch Schinden abhärten zu lassen,

Erſtes Buch, zweites Kapitel.

Man kann daraus erkennen, wie eminent
modern die Anlage dieſes pädagogiſchen Inſtitutes
war. Sie ging nicht aufs Sentimentale, ſondern
aufs Robuſte aus, ſie wollte nicht Romantiker er¬
ziehen, ſondern Realiſten, ſie wuſch die jungen
Häute nicht mit Mandelmilch, ſondern mit Bim¬
ſteinſeife. Wie in den meiſten dieſer Internate, ſo
lebte auch in ihr das bewährte Staffelprinzip des
Lebens, das ſich in Kürze ſo darſtellen läßt: Die
Unteren ſind die Fußſchemel der Oberen, und keiner
kommt ungetreten in die Höhe. So erfüllen dieſe
Anſtalten aufs Vollkommenſte den erzieheriſchen
Zweck, aufs Leben vorzubereiten. Denn ſie nehmen
es in ſeiner ganzen Rohheit vorweg. Der Spalt¬
pilz des Illuſionismus wird mit kräftiger Hand
ausgemerzt, und die bedenkliche Neigung mancher
jungen Seelen ins Optimiſtiſche wird durch reichlich
und konſequent applizierte Blitzgüſſe weggeſchreckt.

So redet unſere erwachſene Philoſophie. Aber,
liebe Leute, ſo ein kleiner Junge von acht Jahren . . .
Mein Gott, woher ſoll der erwachſene Philoſophie
haben? Er begreift mit nichten die Heilſamkeit
des lebensvorbildlichen Getretenwerdens, er verſteht
ganz und gar nicht, wie wertvoll es iſt, ſich die
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[13/0027] Erſtes Buch, zweites Kapitel. Man kann daraus erkennen, wie eminent modern die Anlage dieſes pädagogiſchen Inſtitutes war. Sie ging nicht aufs Sentimentale, ſondern aufs Robuſte aus, ſie wollte nicht Romantiker er¬ ziehen, ſondern Realiſten, ſie wuſch die jungen Häute nicht mit Mandelmilch, ſondern mit Bim¬ ſteinſeife. Wie in den meiſten dieſer Internate, ſo lebte auch in ihr das bewährte Staffelprinzip des Lebens, das ſich in Kürze ſo darſtellen läßt: Die Unteren ſind die Fußſchemel der Oberen, und keiner kommt ungetreten in die Höhe. So erfüllen dieſe Anſtalten aufs Vollkommenſte den erzieheriſchen Zweck, aufs Leben vorzubereiten. Denn ſie nehmen es in ſeiner ganzen Rohheit vorweg. Der Spalt¬ pilz des Illuſionismus wird mit kräftiger Hand ausgemerzt, und die bedenkliche Neigung mancher jungen Seelen ins Optimiſtiſche wird durch reichlich und konſequent applizierte Blitzgüſſe weggeſchreckt. So redet unſere erwachſene Philoſophie. Aber, liebe Leute, ſo ein kleiner Junge von acht Jahren . . . Mein Gott, woher ſoll der erwachſene Philoſophie haben? Er begreift mit nichten die Heilſamkeit des lebensvorbildlichen Getretenwerdens, er verſteht ganz und gar nicht, wie wertvoll es iſt, ſich die junge Haut durch Schinden abhärten zu laſſen,

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/27>, abgerufen am 22.11.2024.