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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.
prudenz widmen, so hatte er sich schließlich dazu
verstanden und trieb nun auch Jurisprudenz mit
Eifer und Zielbewußtsein. Ein gewisser Zug von
echter Resignation stand ihm dabei sehr gut.
Äußerlich erlebt hatte er so gut wie nichts, aber
er hatte viel an sich gearbeitet.

Als er Stilpen zum ersten Mal in seiner
gelben Mütze sah, nahm er seinen Cylinder sehr
tief und zeremoniell ab und machte sogar eine Ver¬
beugung dabei.

Stilpe empfand das als Hohn und stürzte sich
auf ihn:

-- Ach, der Herr Referendar! Welch ein
Cylinder! Wo hast Du die Sametbürste, Freund
meiner Jugend?

Girlinger erwiderte: Ich schlage einen anderen
Stil vor, wenn wir uns unterhalten wollen.
Übrigens bin ich meinem Examen ferner als Du,
denn ich stehe im ersten juristischen Semester.

-- Ich schlage vor, daß wir weder von Se¬
mestern noch von Examen reden, wenn wir uns
unterhalten wollen. Ich spreche nicht gerne von
gleichgültigen Dingen. Nur zu Deiner Orien¬
tierung bemerke ich, daß ich immer noch als
stud. jur. et phil. immatrikuliert bin, ohne indeß

Stilpe.
prudenz widmen, ſo hatte er ſich ſchließlich dazu
verſtanden und trieb nun auch Jurisprudenz mit
Eifer und Zielbewußtſein. Ein gewiſſer Zug von
echter Reſignation ſtand ihm dabei ſehr gut.
Äußerlich erlebt hatte er ſo gut wie nichts, aber
er hatte viel an ſich gearbeitet.

Als er Stilpen zum erſten Mal in ſeiner
gelben Mütze ſah, nahm er ſeinen Cylinder ſehr
tief und zeremoniell ab und machte ſogar eine Ver¬
beugung dabei.

Stilpe empfand das als Hohn und ſtürzte ſich
auf ihn:

— Ach, der Herr Referendar! Welch ein
Cylinder! Wo haſt Du die Sametbürſte, Freund
meiner Jugend?

Girlinger erwiderte: Ich ſchlage einen anderen
Stil vor, wenn wir uns unterhalten wollen.
Übrigens bin ich meinem Examen ferner als Du,
denn ich ſtehe im erſten juriſtiſchen Semeſter.

— Ich ſchlage vor, daß wir weder von Se¬
meſtern noch von Examen reden, wenn wir uns
unterhalten wollen. Ich ſpreche nicht gerne von
gleichgültigen Dingen. Nur zu Deiner Orien¬
tierung bemerke ich, daß ich immer noch als
ſtud. jur. et phil. immatrikuliert bin, ohne indeß

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[254/0268] Stilpe. prudenz widmen, ſo hatte er ſich ſchließlich dazu verſtanden und trieb nun auch Jurisprudenz mit Eifer und Zielbewußtſein. Ein gewiſſer Zug von echter Reſignation ſtand ihm dabei ſehr gut. Äußerlich erlebt hatte er ſo gut wie nichts, aber er hatte viel an ſich gearbeitet. Als er Stilpen zum erſten Mal in ſeiner gelben Mütze ſah, nahm er ſeinen Cylinder ſehr tief und zeremoniell ab und machte ſogar eine Ver¬ beugung dabei. Stilpe empfand das als Hohn und ſtürzte ſich auf ihn: — Ach, der Herr Referendar! Welch ein Cylinder! Wo haſt Du die Sametbürſte, Freund meiner Jugend? Girlinger erwiderte: Ich ſchlage einen anderen Stil vor, wenn wir uns unterhalten wollen. Übrigens bin ich meinem Examen ferner als Du, denn ich ſtehe im erſten juriſtiſchen Semeſter. — Ich ſchlage vor, daß wir weder von Se¬ meſtern noch von Examen reden, wenn wir uns unterhalten wollen. Ich ſpreche nicht gerne von gleichgültigen Dingen. Nur zu Deiner Orien¬ tierung bemerke ich, daß ich immer noch als ſtud. jur. et phil. immatrikuliert bin, ohne indeß

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/268>, abgerufen am 22.11.2024.