-- Wie? Leider? Sie sagen: Leider? Sie haben doch leider gesagt? Hm. Hm. Hm!
-- Aber natürlich: Leider! Es ist doch schreck¬ lich, so direktionslos zu sein!
-- Direktionslos nennen Sie das, wenn Alles so deutlich ins Schwarze zielt? Das nennen Sie di . . ., aber Herr Lehmann! Sie sind beneidens¬ wert um diese gerade Tendenz Ihres Wesens! Seien Sie fröhlich, Herr Lehmann! Es fehlt Ihnen blos die rechte Gesellschaft. Sie sind ein Einsiedel-Lehmann, und das ist für solche Naturen eine Gefahr.
-- Freilich ist es das. Ich fühle es selber. Aber ich schließe mich schwer an. Wissen Sie, die meisten Studenten sind so banausisch, so entsetz¬ lich interesselos, und ich möchte doch Jemand haben, der auch noch etwas mehr will, als Doktor werden. Sechs Tage ochsen und einen Tag sumpfen, das mag ich nicht mitmachen!
-- Das ehrt Sie, Herr Lehmann! Sie suchen den Einklang von Lebenskunst und Wissenschaft. Sie wollen Streben und Genuß vereinen. Sie wollen, mit einem Worte, aber verstehen Sie mich recht und nehmen Sie das nicht etwa als einen Witz: Sie wollen ein runder Mensch werden!
Drittes Buch, zweites Kapitel.
— Wie? Leider? Sie ſagen: Leider? Sie haben doch leider geſagt? Hm. Hm. Hm!
— Aber natürlich: Leider! Es iſt doch ſchreck¬ lich, ſo direktionslos zu ſein!
— Direktionslos nennen Sie das, wenn Alles ſo deutlich ins Schwarze zielt? Das nennen Sie di . . ., aber Herr Lehmann! Sie ſind beneidens¬ wert um dieſe gerade Tendenz Ihres Weſens! Seien Sie fröhlich, Herr Lehmann! Es fehlt Ihnen blos die rechte Geſellſchaft. Sie ſind ein Einſiedel-Lehmann, und das iſt für ſolche Naturen eine Gefahr.
— Freilich iſt es das. Ich fühle es ſelber. Aber ich ſchließe mich ſchwer an. Wiſſen Sie, die meiſten Studenten ſind ſo banauſiſch, ſo entſetz¬ lich intereſſelos, und ich möchte doch Jemand haben, der auch noch etwas mehr will, als Doktor werden. Sechs Tage ochſen und einen Tag ſumpfen, das mag ich nicht mitmachen!
— Das ehrt Sie, Herr Lehmann! Sie ſuchen den Einklang von Lebenskunſt und Wiſſenſchaft. Sie wollen Streben und Genuß vereinen. Sie wollen, mit einem Worte, aber verſtehen Sie mich recht und nehmen Sie das nicht etwa als einen Witz: Sie wollen ein runder Menſch werden!
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Drittes Buch, zweites Kapitel.
— Wie? Leider? Sie ſagen: Leider? Sie
haben doch leider geſagt? Hm. Hm. Hm!
— Aber natürlich: Leider! Es iſt doch ſchreck¬
lich, ſo direktionslos zu ſein!
— Direktionslos nennen Sie das, wenn Alles
ſo deutlich ins Schwarze zielt? Das nennen Sie
di . . ., aber Herr Lehmann! Sie ſind beneidens¬
wert um dieſe gerade Tendenz Ihres Weſens!
Seien Sie fröhlich, Herr Lehmann! Es fehlt
Ihnen blos die rechte Geſellſchaft. Sie ſind ein
Einſiedel-Lehmann, und das iſt für ſolche Naturen
eine Gefahr.
— Freilich iſt es das. Ich fühle es ſelber.
Aber ich ſchließe mich ſchwer an. Wiſſen Sie, die
meiſten Studenten ſind ſo banauſiſch, ſo entſetz¬
lich intereſſelos, und ich möchte doch Jemand haben,
der auch noch etwas mehr will, als Doktor werden.
Sechs Tage ochſen und einen Tag ſumpfen, das
mag ich nicht mitmachen!
— Das ehrt Sie, Herr Lehmann! Sie ſuchen
den Einklang von Lebenskunſt und Wiſſenſchaft.
Sie wollen Streben und Genuß vereinen. Sie
wollen, mit einem Worte, aber verſtehen Sie mich
recht und nehmen Sie das nicht etwa als einen
Witz: Sie wollen ein runder Menſch werden!
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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/249>, abgerufen am 22.11.2024.
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