Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Buch, sechstes Kapitel.
Leipzig erinnert, wo man diese nichtswürdigen
Schwarten gewinnbringender anlegen könnte, und
so unterblieb dieser Teil des ursprünglichen Pro¬
grammes. Dafür wurde die Schildkröte des
Cenacles, "in ihrer Eigenschaft als Symbol einer in
Unfreiheit befangenen Vereinigung und um ihrer
nachgerade störend wirkenden Ähnlichkeit mit jenem
pp. Pädagogen willen", in die Mulde geworfen,
wozu man sang:

Lebewohl! Lebewohl,
Niederträchtiges Symbol!
Schwimm vorbei! Schwimm vorbei,
Schauderhaftes Conterfei!

Dann aber hub Stilpe seine große Schlußrede
an, die mit den beifallumtosten Worten endete:
Le cenacle est mort! Vive le cenacle!

Und man schwur sich, in Leipzig "keinesfalls
den atavistischen Farbenblödsinn jener kläglichen
Jünglinge mitzumachen, die einer bunten Mütze
bedürfen, um sich als Studenten und freie Bürger
einer Universität zu fühlen, sondern sofort ein
neues, das eigentliche Cenacle zu gründen als die
erste künstlerische Studentenverbindung mit neuen
Bräuchen und neuen Zielen!"

14

Zweites Buch, ſechſtes Kapitel.
Leipzig erinnert, wo man dieſe nichtswürdigen
Schwarten gewinnbringender anlegen könnte, und
ſo unterblieb dieſer Teil des urſprünglichen Pro¬
grammes. Dafür wurde die Schildkröte des
Cénacles, „in ihrer Eigenſchaft als Symbol einer in
Unfreiheit befangenen Vereinigung und um ihrer
nachgerade ſtörend wirkenden Ähnlichkeit mit jenem
pp. Pädagogen willen“, in die Mulde geworfen,
wozu man ſang:

Lebewohl! Lebewohl,
Niederträchtiges Symbol!
Schwimm vorbei! Schwimm vorbei,
Schauderhaftes Conterfei!

Dann aber hub Stilpe ſeine große Schlußrede
an, die mit den beifallumtoſten Worten endete:
Le cénacle est mort! Vive le cénacle!

Und man ſchwur ſich, in Leipzig „keinesfalls
den ataviſtiſchen Farbenblödſinn jener kläglichen
Jünglinge mitzumachen, die einer bunten Mütze
bedürfen, um ſich als Studenten und freie Bürger
einer Univerſität zu fühlen, ſondern ſofort ein
neues, das eigentliche Cénacle zu gründen als die
erſte künſtleriſche Studentenverbindung mit neuen
Bräuchen und neuen Zielen!“

14
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="209"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch, &#x017F;ech&#x017F;tes Kapitel.<lb/></fw> Leipzig erinnert, wo man die&#x017F;e nichtswürdigen<lb/>
Schwarten gewinnbringender anlegen könnte, und<lb/>
&#x017F;o unterblieb die&#x017F;er Teil des ur&#x017F;prünglichen Pro¬<lb/>
grammes. Dafür wurde die Schildkröte des<lb/>
C<hi rendition="#aq">é</hi>nacles, &#x201E;in ihrer Eigen&#x017F;chaft als Symbol einer in<lb/>
Unfreiheit befangenen Vereinigung und um ihrer<lb/>
nachgerade &#x017F;törend wirkenden Ähnlichkeit mit jenem<lb/>
pp. Pädagogen willen&#x201C;, in die Mulde geworfen,<lb/>
wozu man &#x017F;ang:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Lebewohl! Lebewohl,</l><lb/>
            <l>Niederträchtiges Symbol!</l><lb/>
            <l>Schwimm vorbei! Schwimm vorbei,</l><lb/>
            <l>Schauderhaftes Conterfei!</l><lb/>
          </lg>
          <p>Dann aber hub Stilpe &#x017F;eine große Schlußrede<lb/>
an, die mit den beifallumto&#x017F;ten Worten endete:<lb/><hi rendition="#aq">Le cénacle est mort! Vive le cénacle!</hi></p><lb/>
          <p>Und man &#x017F;chwur &#x017F;ich, in Leipzig &#x201E;keinesfalls<lb/>
den atavi&#x017F;ti&#x017F;chen Farbenblöd&#x017F;inn jener kläglichen<lb/>
Jünglinge mitzumachen, die einer bunten Mütze<lb/>
bedürfen, um &#x017F;ich als Studenten und freie Bürger<lb/>
einer Univer&#x017F;ität zu fühlen, &#x017F;ondern &#x017F;ofort ein<lb/>
neues, das eigentliche C<hi rendition="#aq">é</hi>nacle zu gründen als die<lb/>
er&#x017F;te <hi rendition="#g">kün&#x017F;tleri&#x017F;che</hi> Studentenverbindung mit neuen<lb/>
Bräuchen und neuen Zielen!&#x201C;<lb/></p>
          <fw place="bottom" type="sig">14<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0223] Zweites Buch, ſechſtes Kapitel. Leipzig erinnert, wo man dieſe nichtswürdigen Schwarten gewinnbringender anlegen könnte, und ſo unterblieb dieſer Teil des urſprünglichen Pro¬ grammes. Dafür wurde die Schildkröte des Cénacles, „in ihrer Eigenſchaft als Symbol einer in Unfreiheit befangenen Vereinigung und um ihrer nachgerade ſtörend wirkenden Ähnlichkeit mit jenem pp. Pädagogen willen“, in die Mulde geworfen, wozu man ſang: Lebewohl! Lebewohl, Niederträchtiges Symbol! Schwimm vorbei! Schwimm vorbei, Schauderhaftes Conterfei! Dann aber hub Stilpe ſeine große Schlußrede an, die mit den beifallumtoſten Worten endete: Le cénacle est mort! Vive le cénacle! Und man ſchwur ſich, in Leipzig „keinesfalls den ataviſtiſchen Farbenblödſinn jener kläglichen Jünglinge mitzumachen, die einer bunten Mütze bedürfen, um ſich als Studenten und freie Bürger einer Univerſität zu fühlen, ſondern ſofort ein neues, das eigentliche Cénacle zu gründen als die erſte künſtleriſche Studentenverbindung mit neuen Bräuchen und neuen Zielen!“ 14

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/223
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/223>, abgerufen am 03.05.2024.