zusammenkünfte mit Theetrinken (doch war viel Rum dabei) und den ungeheuerlichsten Gesprächen ausgefüllt.
Es durfte von Allem gesprochen werden, nur nicht von der Schule. Hauptsächlich sprach man von zukünftigen dichterischen Plänen. Stössel, der zugleich Musiker war, wollte Opern dichten und komponieren: Wißt ihr, Opern moderner Art, voll fabelhafter Sinnenfreudigkeit, ungeheuer um¬ fassend, allegorisch, aber lebendig!
Mehr war darüber nicht zu erfahren, und wenn er am Klavier saß, kams immer auf die ungari¬ schen Rhapsodien von Liszt heraus.
Wippert hatte vornehmlich satirische Pläne. "Juvenalia" sollte sein erstes Werk heißen mit dem Untertitel: Ein Hechelepos in sieben Zinken. Jede Zinke sollte "einen Hauptstand der gegenwärtigen Ordnung zerstrählen". Die erste Zinke, in ge¬ reimten Hexametern, behandelte die Sippe der Gymnasiallehrer und begann so:
Strähle mir, Zinke, den Mann, der schwitzend auf dem Katheder Mit höchsteigener Hand verteilt sein eigenes Leder!
Zweites Buch, fünftes Kapitel.
zuſammenkünfte mit Theetrinken (doch war viel Rum dabei) und den ungeheuerlichſten Geſprächen ausgefüllt.
Es durfte von Allem geſprochen werden, nur nicht von der Schule. Hauptſächlich ſprach man von zukünftigen dichteriſchen Plänen. Stöſſel, der zugleich Muſiker war, wollte Opern dichten und komponieren: Wißt ihr, Opern moderner Art, voll fabelhafter Sinnenfreudigkeit, ungeheuer um¬ faſſend, allegoriſch, aber lebendig!
Mehr war darüber nicht zu erfahren, und wenn er am Klavier ſaß, kams immer auf die ungari¬ ſchen Rhapſodien von Liszt heraus.
Wippert hatte vornehmlich ſatiriſche Pläne. „Juvenalia“ ſollte ſein erſtes Werk heißen mit dem Untertitel: Ein Hechelepos in ſieben Zinken. Jede Zinke ſollte „einen Hauptſtand der gegenwärtigen Ordnung zerſtrählen“. Die erſte Zinke, in ge¬ reimten Hexametern, behandelte die Sippe der Gymnaſiallehrer und begann ſo:
Strähle mir, Zinke, den Mann, der ſchwitzend auf dem Katheder Mit höchſteigener Hand verteilt ſein eigenes Leder!
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Zweites Buch, fünftes Kapitel.
zuſammenkünfte mit Theetrinken (doch war viel
Rum dabei) und den ungeheuerlichſten Geſprächen
ausgefüllt.
Es durfte von Allem geſprochen werden, nur
nicht von der Schule. Hauptſächlich ſprach man
von zukünftigen dichteriſchen Plänen. Stöſſel, der
zugleich Muſiker war, wollte Opern dichten und
komponieren: Wißt ihr, Opern moderner Art,
voll fabelhafter Sinnenfreudigkeit, ungeheuer um¬
faſſend, allegoriſch, aber lebendig!
Mehr war darüber nicht zu erfahren, und wenn
er am Klavier ſaß, kams immer auf die ungari¬
ſchen Rhapſodien von Liszt heraus.
Wippert hatte vornehmlich ſatiriſche Pläne.
„Juvenalia“ ſollte ſein erſtes Werk heißen mit dem
Untertitel: Ein Hechelepos in ſieben Zinken. Jede
Zinke ſollte „einen Hauptſtand der gegenwärtigen
Ordnung zerſtrählen“. Die erſte Zinke, in ge¬
reimten Hexametern, behandelte die Sippe der
Gymnaſiallehrer und begann ſo:
Strähle mir, Zinke, den Mann, der ſchwitzend
auf dem Katheder
Mit höchſteigener Hand verteilt ſein eigenes
Leder!
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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/201>, abgerufen am 23.11.2024.
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