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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.
metalls aus dem Schachte ihrer Seelen ausfüllten
und damit beseitigten. (Wippert: Ist das Bild
von Dir? Stilpe: Ich gebe nur eigene Münze
aus und verbitte mir im Übrigen Zwischenrufe
von beleidigender Fraglichkeit. Barmann: Die
Kritik der Zwischenrufe steht bei mir. Stilpe
macht drei Verbeugungen vor der Person des Vor¬
sitzenden.)

Nachdem wir damit zu Ende waren und
keine Lust verspürten, die deutschen Klassiker, die
im Pennal ohnehin genug maltraitiert und zu
Popanzen der Langeweile mumifiziert werden, auch
unsrerseits privatim zu traktieren, haben wir uns,
mitgerissen von der modernen Sturm- und
Drangbewegung, entschlossen, den Lesezirkel Lenz
durch einen naturalistischen Debattierklub abzulösen.
Wir haben die Hauptwerke der nordischen, franzö¬
sischen, russischen und deutschen Naturalisten nicht
allein gelesen, sondern auch in heißen Debatten
eingehend besprochen, und wir haben so, während
unsere biedere Lehrerschaft von der Existenz einer
solchen Litteraturbewegung nicht viel mehr weiß, als
eine Hebamme von unser lieben Frau Aspasia
(Allgemeines Bravo! Ausgezeichnet! Famos!), in
uns Alles aufgenommen, was heute in der Litteratur

Stilpe.
metalls aus dem Schachte ihrer Seelen ausfüllten
und damit beſeitigten. (Wippert: Iſt das Bild
von Dir? Stilpe: Ich gebe nur eigene Münze
aus und verbitte mir im Übrigen Zwiſchenrufe
von beleidigender Fraglichkeit. Barmann: Die
Kritik der Zwiſchenrufe ſteht bei mir. Stilpe
macht drei Verbeugungen vor der Perſon des Vor¬
ſitzenden.)

Nachdem wir damit zu Ende waren und
keine Luſt verſpürten, die deutſchen Klaſſiker, die
im Pennal ohnehin genug maltraitiert und zu
Popanzen der Langeweile mumifiziert werden, auch
unſrerſeits privatim zu traktieren, haben wir uns,
mitgeriſſen von der modernen Sturm- und
Drangbewegung, entſchloſſen, den Leſezirkel Lenz
durch einen naturaliſtiſchen Debattierklub abzulöſen.
Wir haben die Hauptwerke der nordiſchen, franzö¬
ſiſchen, ruſſiſchen und deutſchen Naturaliſten nicht
allein geleſen, ſondern auch in heißen Debatten
eingehend beſprochen, und wir haben ſo, während
unſere biedere Lehrerſchaft von der Exiſtenz einer
ſolchen Litteraturbewegung nicht viel mehr weiß, als
eine Hebamme von unſer lieben Frau Aſpaſia
(Allgemeines Bravo! Ausgezeichnet! Famos!), in
uns Alles aufgenommen, was heute in der Litteratur

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[180/0194] Stilpe. metalls aus dem Schachte ihrer Seelen ausfüllten und damit beſeitigten. (Wippert: Iſt das Bild von Dir? Stilpe: Ich gebe nur eigene Münze aus und verbitte mir im Übrigen Zwiſchenrufe von beleidigender Fraglichkeit. Barmann: Die Kritik der Zwiſchenrufe ſteht bei mir. Stilpe macht drei Verbeugungen vor der Perſon des Vor¬ ſitzenden.) Nachdem wir damit zu Ende waren und keine Luſt verſpürten, die deutſchen Klaſſiker, die im Pennal ohnehin genug maltraitiert und zu Popanzen der Langeweile mumifiziert werden, auch unſrerſeits privatim zu traktieren, haben wir uns, mitgeriſſen von der modernen Sturm- und Drangbewegung, entſchloſſen, den Leſezirkel Lenz durch einen naturaliſtiſchen Debattierklub abzulöſen. Wir haben die Hauptwerke der nordiſchen, franzö¬ ſiſchen, ruſſiſchen und deutſchen Naturaliſten nicht allein geleſen, ſondern auch in heißen Debatten eingehend beſprochen, und wir haben ſo, während unſere biedere Lehrerſchaft von der Exiſtenz einer ſolchen Litteraturbewegung nicht viel mehr weiß, als eine Hebamme von unſer lieben Frau Aſpaſia (Allgemeines Bravo! Ausgezeichnet! Famos!), in uns Alles aufgenommen, was heute in der Litteratur

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/194>, abgerufen am 23.11.2024.