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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe

Nein! Erst noch eine Hauptperson!:

Martha, eine Prostituierte.

Ah! Das giebt was! Da haben wir den Kon¬
flikt! Ganz von selber kommt immer das Beste.
Natürlich: Martha! Das ist die Retterin!
Sie opfert sich! Am Schluß bricht eine Revolu¬
tion aus!

Er kam ganz ins Fieber. Die Prostituierte
als Retterin! Schopf als Typus des krämerischen
Bourgeois. Walter Wild der Idealist. Clara das
verführerische Weib. Wirlinger der dämonische
Volkstribun. Und am Schluß die Revolution!

Er schrieb gleich die Schlußßene; ungeheuer
wild und natürlich blos so in Umrissen, hinge¬
klitscht wie mit der Maurerkelle. Glockenläuten.
Kanonenschläge. Barrikaden. Brand. Marseillaise.
Carmagnole. Martha im schwarzen Hemd mit der
roten Fahne.

Aber auf einmal war Alles aus. Der Strom
war vorbei geschossen. Es wollte nicht mehr
fließen. Fortwährend drängte sich, schon bei diesem
gewaltigen Hinpatzen der Farben, das Gefühl ein:
Aber der erste Akt? Wieso denn Revolution?
Natürlich muß sie kommen. Freilich! Aber:
Wieso denn? Es muß doch irgendwie motiviert

Stilpe

Nein! Erſt noch eine Hauptperſon!:

Martha, eine Proſtituierte.

Ah! Das giebt was! Da haben wir den Kon¬
flikt! Ganz von ſelber kommt immer das Beſte.
Natürlich: Martha! Das iſt die Retterin!
Sie opfert ſich! Am Schluß bricht eine Revolu¬
tion aus!

Er kam ganz ins Fieber. Die Proſtituierte
als Retterin! Schopf als Typus des krämeriſchen
Bourgeois. Walter Wild der Idealiſt. Clara das
verführeriſche Weib. Wirlinger der dämoniſche
Volkstribun. Und am Schluß die Revolution!

Er ſchrieb gleich die Schlußſzene; ungeheuer
wild und natürlich blos ſo in Umriſſen, hinge¬
klitſcht wie mit der Maurerkelle. Glockenläuten.
Kanonenſchläge. Barrikaden. Brand. Marſeillaiſe.
Carmagnole. Martha im ſchwarzen Hemd mit der
roten Fahne.

Aber auf einmal war Alles aus. Der Strom
war vorbei geſchoſſen. Es wollte nicht mehr
fließen. Fortwährend drängte ſich, ſchon bei dieſem
gewaltigen Hinpatzen der Farben, das Gefühl ein:
Aber der erſte Akt? Wieſo denn Revolution?
Natürlich muß ſie kommen. Freilich! Aber:
Wieſo denn? Es muß doch irgendwie motiviert

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[118/0132] Stilpe Nein! Erſt noch eine Hauptperſon!: Martha, eine Proſtituierte. Ah! Das giebt was! Da haben wir den Kon¬ flikt! Ganz von ſelber kommt immer das Beſte. Natürlich: Martha! Das iſt die Retterin! Sie opfert ſich! Am Schluß bricht eine Revolu¬ tion aus! Er kam ganz ins Fieber. Die Proſtituierte als Retterin! Schopf als Typus des krämeriſchen Bourgeois. Walter Wild der Idealiſt. Clara das verführeriſche Weib. Wirlinger der dämoniſche Volkstribun. Und am Schluß die Revolution! Er ſchrieb gleich die Schlußſzene; ungeheuer wild und natürlich blos ſo in Umriſſen, hinge¬ klitſcht wie mit der Maurerkelle. Glockenläuten. Kanonenſchläge. Barrikaden. Brand. Marſeillaiſe. Carmagnole. Martha im ſchwarzen Hemd mit der roten Fahne. Aber auf einmal war Alles aus. Der Strom war vorbei geſchoſſen. Es wollte nicht mehr fließen. Fortwährend drängte ſich, ſchon bei dieſem gewaltigen Hinpatzen der Farben, das Gefühl ein: Aber der erſte Akt? Wieſo denn Revolution? Natürlich muß ſie kommen. Freilich! Aber: Wieſo denn? Es muß doch irgendwie motiviert

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/132>, abgerufen am 04.05.2024.