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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Zweites Buch, drittes Kapitel.

Denn jetzt fing er an, aus dem Vollen zu
dichten und zwar mit dem Bewußtsein, ein
Dichter werden zu wollen und nichts andres.

Die Schule wurde ihm dabei immer widerlicher,
und er schwänzte sie mit großer Frechheit.

Seine Pflegeeltern, denen er von Stilpe-Vater
übergeben worden war, weil dieser deutlich fühlte,
daß jeder andre ein besserer Pädagoge sei, als er,
waren gute Leipziger Mittelstandsleute, die, mit
Stilpes Mutter entfernt verwandt, den jungen
Gymnasiasten aus Gefälligkeit aber nicht mit der
Meinung aufgenommen hatten, daß hier besondere
Aufsicht und Wachsamkeit nötig sei.

Der alte Wiehr hatte einen Porzellanladen am
Markte, der ihn ausschließlich beschäftigte, und seine
Frau ging in der Hauswirtschaft und zahlreichen
Kaffeekränzchen auf. Ihr einziger Sohn war ein
zarter junger Mensch gewesen, bleichsüchtig und
solide, nicht sehr begabt, aber fleißig; er war ge¬
storben, als er in Stilpes Alter gewesen war. Die
Alten sahen in Willibald dessen Fortsetzung und
behandelten ihn wie jenen, nämlich mit vollendetem
Zutrauen und vollkommener Ahnungslosigkeit. Dies
wurde durch Stilpes mimische Kunst, sich wie ein
Lamm zu benehmen, unterstützt.

Zweites Buch, drittes Kapitel.

Denn jetzt fing er an, aus dem Vollen zu
dichten und zwar mit dem Bewußtſein, ein
Dichter werden zu wollen und nichts andres.

Die Schule wurde ihm dabei immer widerlicher,
und er ſchwänzte ſie mit großer Frechheit.

Seine Pflegeeltern, denen er von Stilpe-Vater
übergeben worden war, weil dieſer deutlich fühlte,
daß jeder andre ein beſſerer Pädagoge ſei, als er,
waren gute Leipziger Mittelſtandsleute, die, mit
Stilpes Mutter entfernt verwandt, den jungen
Gymnaſiaſten aus Gefälligkeit aber nicht mit der
Meinung aufgenommen hatten, daß hier beſondere
Aufſicht und Wachſamkeit nötig ſei.

Der alte Wiehr hatte einen Porzellanladen am
Markte, der ihn ausſchließlich beſchäftigte, und ſeine
Frau ging in der Hauswirtſchaft und zahlreichen
Kaffeekränzchen auf. Ihr einziger Sohn war ein
zarter junger Menſch geweſen, bleichſüchtig und
ſolide, nicht ſehr begabt, aber fleißig; er war ge¬
ſtorben, als er in Stilpes Alter geweſen war. Die
Alten ſahen in Willibald deſſen Fortſetzung und
behandelten ihn wie jenen, nämlich mit vollendetem
Zutrauen und vollkommener Ahnungsloſigkeit. Dies
wurde durch Stilpes mimiſche Kunſt, ſich wie ein
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[109/0123] Zweites Buch, drittes Kapitel. Denn jetzt fing er an, aus dem Vollen zu dichten und zwar mit dem Bewußtſein, ein Dichter werden zu wollen und nichts andres. Die Schule wurde ihm dabei immer widerlicher, und er ſchwänzte ſie mit großer Frechheit. Seine Pflegeeltern, denen er von Stilpe-Vater übergeben worden war, weil dieſer deutlich fühlte, daß jeder andre ein beſſerer Pädagoge ſei, als er, waren gute Leipziger Mittelſtandsleute, die, mit Stilpes Mutter entfernt verwandt, den jungen Gymnaſiaſten aus Gefälligkeit aber nicht mit der Meinung aufgenommen hatten, daß hier beſondere Aufſicht und Wachſamkeit nötig ſei. Der alte Wiehr hatte einen Porzellanladen am Markte, der ihn ausſchließlich beſchäftigte, und ſeine Frau ging in der Hauswirtſchaft und zahlreichen Kaffeekränzchen auf. Ihr einziger Sohn war ein zarter junger Menſch geweſen, bleichſüchtig und ſolide, nicht ſehr begabt, aber fleißig; er war ge¬ ſtorben, als er in Stilpes Alter geweſen war. Die Alten ſahen in Willibald deſſen Fortſetzung und behandelten ihn wie jenen, nämlich mit vollendetem Zutrauen und vollkommener Ahnungsloſigkeit. Dies wurde durch Stilpes mimiſche Kunſt, ſich wie ein Lamm zu benehmen, unterſtützt.

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/123>, abgerufen am 28.11.2024.