Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_017.001 p3b_017.010 Lösung. (Mit Beibehaltung der Prosawendungen.) p3b_017.026Auf ei | nem ho | hen Fel | sen || im scho | nen El | saßland | p3b_017.027
Strahlt hell das schöne Niedeck, die stolze Riesenburg, p3b_017.028 Wo einst als Ritter hausten nur Riesen schaurig groß. p3b_017.029 Einst ging ein Riesenfräulein von dort hinab ins Thal p3b_017.030 Neugierig, um zu sehen, wie es da unten sei. p3b_017.031 Mit mächt'gen Riesenschritten durcheilte sie den Wald p3b_017.032 Und kam nicht weit von Haslach im Reich der Menschen an. p3b_017.033 Da fand sie einen Bauern auf seinem Ackerfeld, p3b_017.034 Wie er mit Pflug und Pferden den Acker froh bestellt. p3b_017.035 Wie sah sie vor Verwundrung bald Pflug bald Bauer an, p3b_017.036 Die Pferde und das Pflügen, es war ihr alles neu. p3b_017.037 "Ei, welch' ein artig Spielzeug", ruft sie voll Freudigkeit, p3b_017.038 "Der Vater wird sich freuen, ich nehm' es mit nach Haus." p3b_017.039 Sie knieet eilig nieder und breitet die Schünrze aus p3b_017.040 Und streicht mit ihren Händen nun übers Ackerfeld. p3b_017.041 Den Bauer mit den Pferden und mit dem Pflug dazu p3b_017.042 Nimmt sie in ihre Schürze und bindet froh sie zu. p3b_017.001 p3b_017.010 Lösung. (Mit Beibehaltung der Prosawendungen.) p3b_017.026Aŭf ēi │ nĕm hō │ hĕn Fēl │ sĕn ‖ ĭm schȫ │ nĕn Ēl │ săßlānd │ p3b_017.027
Strahlt hell das schöne Niedeck, die stolze Riesenburg, p3b_017.028 Wo einst als Ritter hausten nur Riesen schaurig groß. p3b_017.029 Einst ging ein Riesenfräulein von dort hinab ins Thal p3b_017.030 Neugierig, um zu sehen, wie es da unten sei. p3b_017.031 Mit mächt'gen Riesenschritten durcheilte sie den Wald p3b_017.032 Und kam nicht weit von Haslach im Reich der Menschen an. p3b_017.033 Da fand sie einen Bauern auf seinem Ackerfeld, p3b_017.034 Wie er mit Pflug und Pferden den Acker froh bestellt. p3b_017.035 Wie sah sie vor Verwundrung bald Pflug bald Bauer an, p3b_017.036 Die Pferde und das Pflügen, es war ihr alles neu. p3b_017.037 „Ei, welch' ein artig Spielzeug“, ruft sie voll Freudigkeit, p3b_017.038 „Der Vater wird sich freuen, ich nehm' es mit nach Haus.“ p3b_017.039 Sie knīeet ēilig nīeder ŭnd brēitĕt dĭe Schǖrze aus p3b_017.040 Und streicht mit ihren Händen nun übers Ackerfeld. p3b_017.041 Den Bauer mit den Pferden und mit dem Pflug dazu p3b_017.042 Nimmt sie in ihre Schürze und bindet froh sie zu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0043" n="17"/><lb n="p3b_017.001"/> unten wäre, und kam bis fast nach Haslach auf ein vor dem Walde gelegenes <lb n="p3b_017.002"/> Ackerfeld, das gerade von den Bauern bestellt wurde. Es blieb vor <lb n="p3b_017.003"/> Verwunderung stehen und schaute den Pflug, die Pferde und die Leute an, <lb n="p3b_017.004"/> was ihr alles etwas neues war. „Ei,“ sprach sie und ging hinzu, „das nehm' <lb n="p3b_017.005"/> ich mir mit.“ Da kniete sie nieder zur Erde, spreitete ihre Schürze aus, strich <lb n="p3b_017.006"/> mit der Hand über das Feld, fing alles zusammen und that's hinein. Nun <lb n="p3b_017.007"/> lief sie ganz vergnügt nach Hause, den Felsen hinaufspringend; wo der Berg <lb n="p3b_017.008"/> so jäh ist, daß ein Mensch mühsam klettern muß, da that sie einen Schritt <lb n="p3b_017.009"/> und war droben.</p> <p><lb n="p3b_017.010"/> Der Ritter saß gerade am Tische, als sie eintrat. „Ei, mein Kind,“ <lb n="p3b_017.011"/> sprach er, „was bringst du da? die Freude schaut dir ja aus den Augen <lb n="p3b_017.012"/> heraus.“ Sie machte geschwind ihre Schürze auf und ließ ihn hinein blicken. <lb n="p3b_017.013"/> „Was hast du da so Zappeliges darin?“ ─ „Ei, Vater, ein gar zu artiges <lb n="p3b_017.014"/> Spielding! So etwas Schönes hab' ich mein Lebtag noch nicht gehabt.“ <lb n="p3b_017.015"/> Darauf nahm sie eins nach dem andern heraus und stellte es auf den Tisch, <lb n="p3b_017.016"/> den Pflug, die Bauern und ihre Pferde, lief herum, schaute es an, lachte <lb n="p3b_017.017"/> und schlug vor Freude in die Hände, wie sich das kleine Wesen darauf hin <lb n="p3b_017.018"/> und her bewegte. Der Vater aber sprach: „Kind, das ist kein Spielding, du <lb n="p3b_017.019"/> hast da etwas Schönes angestiftet! Geh nur gleich und trag's wieder hinab ins <lb n="p3b_017.020"/> Thal!“ Das Fräulein weinte, es half aber nichts. „Mir ist der Bauer kein <lb n="p3b_017.021"/> Spielzeug,“ sagte der Vater ernsthaft, „ich leid's nicht, daß du mir murrst; <lb n="p3b_017.022"/> kram' alles sachte wieder ein und trag's an den nämlichen Platz, wo du's <lb n="p3b_017.023"/> genommen hast! Baut der Bauer nicht sein Ackerfeld, so haben wir Riesen auf <lb n="p3b_017.024"/> unserem Felsenneste nichts zu leben.“</p> <lb n="p3b_017.025"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Lösung.</hi> (Mit Beibehaltung der Prosawendungen.)</hi> </p> <lb n="p3b_017.026"/> <lg> <l>Aŭf ēi │ nĕm hō │ hĕn Fēl │ sĕn ‖ ĭm schȫ │ nĕn Ēl │ săßlānd │</l> <lb n="p3b_017.027"/> <l>Strahlt hell das schöne Niedeck, die stolze Riesenburg,</l> <lb n="p3b_017.028"/> <l>Wo einst als Ritter hausten nur Riesen schaurig groß.</l> <lb n="p3b_017.029"/> <l>Einst ging ein Riesenfräulein von dort hinab ins Thal</l> <lb n="p3b_017.030"/> <l>Neugierig, um zu sehen, wie es da unten sei.</l> <lb n="p3b_017.031"/> <l>Mit mächt'gen Riesenschritten durcheilte sie den Wald</l> <lb n="p3b_017.032"/> <l>Und kam nicht weit von Haslach im Reich der Menschen an.</l> <lb n="p3b_017.033"/> <l>Da fand sie einen Bauern auf seinem Ackerfeld,</l> <lb n="p3b_017.034"/> <l>Wie er mit Pflug und Pferden den Acker froh bestellt.</l> <lb n="p3b_017.035"/> <l>Wie sah sie vor Verwundrung bald Pflug bald Bauer an,</l> <lb n="p3b_017.036"/> <l>Die Pferde und das Pflügen, es war ihr alles neu.</l> <lb n="p3b_017.037"/> <l>„Ei, welch' ein artig Spielzeug“, ruft sie voll Freudigkeit,</l> <lb n="p3b_017.038"/> <l>„Der Vater wird sich freuen, ich nehm' es mit nach Haus.“</l> <lb n="p3b_017.039"/> <l>Sie knīeet ēilig nīeder ŭnd brēitĕt dĭe Schǖrze aus</l> <lb n="p3b_017.040"/> <l>Und streicht mit ihren Händen nun übers Ackerfeld.</l> <lb n="p3b_017.041"/> <l>Den Bauer mit den Pferden und mit dem Pflug dazu</l> <lb n="p3b_017.042"/> <l>Nimmt sie in ihre Schürze und bindet froh sie zu.</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [17/0043]
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unten wäre, und kam bis fast nach Haslach auf ein vor dem Walde gelegenes p3b_017.002
Ackerfeld, das gerade von den Bauern bestellt wurde. Es blieb vor p3b_017.003
Verwunderung stehen und schaute den Pflug, die Pferde und die Leute an, p3b_017.004
was ihr alles etwas neues war. „Ei,“ sprach sie und ging hinzu, „das nehm' p3b_017.005
ich mir mit.“ Da kniete sie nieder zur Erde, spreitete ihre Schürze aus, strich p3b_017.006
mit der Hand über das Feld, fing alles zusammen und that's hinein. Nun p3b_017.007
lief sie ganz vergnügt nach Hause, den Felsen hinaufspringend; wo der Berg p3b_017.008
so jäh ist, daß ein Mensch mühsam klettern muß, da that sie einen Schritt p3b_017.009
und war droben.
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Der Ritter saß gerade am Tische, als sie eintrat. „Ei, mein Kind,“ p3b_017.011
sprach er, „was bringst du da? die Freude schaut dir ja aus den Augen p3b_017.012
heraus.“ Sie machte geschwind ihre Schürze auf und ließ ihn hinein blicken. p3b_017.013
„Was hast du da so Zappeliges darin?“ ─ „Ei, Vater, ein gar zu artiges p3b_017.014
Spielding! So etwas Schönes hab' ich mein Lebtag noch nicht gehabt.“ p3b_017.015
Darauf nahm sie eins nach dem andern heraus und stellte es auf den Tisch, p3b_017.016
den Pflug, die Bauern und ihre Pferde, lief herum, schaute es an, lachte p3b_017.017
und schlug vor Freude in die Hände, wie sich das kleine Wesen darauf hin p3b_017.018
und her bewegte. Der Vater aber sprach: „Kind, das ist kein Spielding, du p3b_017.019
hast da etwas Schönes angestiftet! Geh nur gleich und trag's wieder hinab ins p3b_017.020
Thal!“ Das Fräulein weinte, es half aber nichts. „Mir ist der Bauer kein p3b_017.021
Spielzeug,“ sagte der Vater ernsthaft, „ich leid's nicht, daß du mir murrst; p3b_017.022
kram' alles sachte wieder ein und trag's an den nämlichen Platz, wo du's p3b_017.023
genommen hast! Baut der Bauer nicht sein Ackerfeld, so haben wir Riesen auf p3b_017.024
unserem Felsenneste nichts zu leben.“
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Lösung. (Mit Beibehaltung der Prosawendungen.)
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Aŭf ēi │ nĕm hō │ hĕn Fēl │ sĕn ‖ ĭm schȫ │ nĕn Ēl │ săßlānd │ p3b_017.027
Strahlt hell das schöne Niedeck, die stolze Riesenburg, p3b_017.028
Wo einst als Ritter hausten nur Riesen schaurig groß. p3b_017.029
Einst ging ein Riesenfräulein von dort hinab ins Thal p3b_017.030
Neugierig, um zu sehen, wie es da unten sei. p3b_017.031
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Da fand sie einen Bauern auf seinem Ackerfeld, p3b_017.034
Wie er mit Pflug und Pferden den Acker froh bestellt. p3b_017.035
Wie sah sie vor Verwundrung bald Pflug bald Bauer an, p3b_017.036
Die Pferde und das Pflügen, es war ihr alles neu. p3b_017.037
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„Der Vater wird sich freuen, ich nehm' es mit nach Haus.“ p3b_017.039
Sie knīeet ēilig nīeder ŭnd brēitĕt dĭe Schǖrze aus p3b_017.040
Und streicht mit ihren Händen nun übers Ackerfeld. p3b_017.041
Den Bauer mit den Pferden und mit dem Pflug dazu p3b_017.042
Nimmt sie in ihre Schürze und bindet froh sie zu.
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/43>, abgerufen am 16.02.2025. |