Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_009.001 p3b_009.004 p3b_009.007 p3b_009.012 p3b_009.016 Dritter Prosa-Entwurf. 1781. p3b_009.020 Ausarbeitung. 1787. p3b_009.032Jphigenie. Heraus in eure Schatten, rege Wipfel p3b_009.033
Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines, p3b_009.034 Wie in der Göttin stilles Heiligtum p3b_009.035 Tret' ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, p3b_009.036 Als wenn ich sie zum erstenmal beträte, p3b_009.037 Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. p3b_009.038 So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen p3b_009.039 Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe; p3b_009.040 Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd. p3b_009.041 Denn ach, mich trennt das Meer von den Geliebten, p3b_009.001 p3b_009.004 p3b_009.007 p3b_009.012 p3b_009.016 Dritter Prosa-Entwurf. 1781. p3b_009.020 Ausarbeitung. 1787. p3b_009.032Jphigenie. Heraus in eure Schatten, rege Wipfel p3b_009.033
Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines, p3b_009.034 Wie in der Göttin stilles Heiligtum p3b_009.035 Tret' ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, p3b_009.036 Als wenn ich sie zum erstenmal beträte, p3b_009.037 Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. p3b_009.038 So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen p3b_009.039 Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe; p3b_009.040 Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd. p3b_009.041 Denn ach, mich trennt das Meer von den Geliebten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0035" n="9"/> <p><lb n="p3b_009.001"/> (Vgl. bei Platen auch die freilich nicht hierhergehörigen, ungeheuerlichen <lb n="p3b_009.002"/> Satztakte „Freischützkaskadenfeuerwerkmaschinerie“, „Demagogenriechernashornangesicht“ <lb n="p3b_009.003"/> &c., die einen Trimeter ausfüllen.)</p> <p><lb n="p3b_009.004"/> Selbstredend dürfen allzulange Satztakte schon aus ästhetischen <lb n="p3b_009.005"/> Gründen nur spärlich angewendet werden; sie würden in größerer Anzahl <lb n="p3b_009.006"/> Fluß und Beweglichkeit des Rhythmus beeinträchtigen.</p> <p><lb n="p3b_009.007"/> 13. Aus ästhetischen Gründen warnen wir vor allzuviel Konsonantenanhäufungen <lb n="p3b_009.008"/> im jambischen Quinar wie in jedem Rhythmus. <lb n="p3b_009.009"/> Wer die nötige Vorsicht in der Form schon im Anfang dichterischer <lb n="p3b_009.010"/> Übung walten läßt, wird bei vorgerückter Fertigkeit seine ungeteilte <lb n="p3b_009.011"/> Aufmerksamkeit dem Jnhalt zuwenden können.</p> <p><lb n="p3b_009.012"/> 14. Gut gearbeitete reimlose Quinare finden sich z. B. in: Götterdämmerung <lb n="p3b_009.013"/> von H. Heine; Der Schwester Traum von Hauff; Frau <lb n="p3b_009.014"/> Generalin von Varnbüler von Mörike; Herakles auf dem Oeta von <lb n="p3b_009.015"/> Geibel; Lebwohl von Gerok &c.</p> <p><lb n="p3b_009.016"/> 15. Als Beleg, wie fleißig und ernst bedeutende Dichter in der <lb n="p3b_009.017"/> Bildung von Quinaren verfuhren, bieten wir nachstehendes Beispiel <lb n="p3b_009.018"/> aus Goethe's Jphigenie. (Vgl. Goethe's Jphigenie. Freiburg 1883.)</p> <lb n="p3b_009.019"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Dritter Prosa-Entwurf.</hi> 1781.</hi> </p> <p><lb n="p3b_009.020"/><hi rendition="#g">Jphigenie.</hi> Heraus in eure Schatten, ewig rege Wipfel des heiligen <lb n="p3b_009.021"/> Hains, wie in das Heiligtum der Göttin, der ich diene, tret' ich mit immer <lb n="p3b_009.022"/> neuem Schauer und meine Seele gewöhnt sich nicht hierher! So manche <lb n="p3b_009.023"/> Jahre wohn' ich hier unter euch verborgen, und immer bin ich wie im ersten <lb n="p3b_009.024"/> fremd, denn mein Verlangen steht hinüber nach dem schönen Land der Griechen, <lb n="p3b_009.025"/> und immer möcht' ich übers Meer hinüber, das Schicksal meiner Vielgeliebten <lb n="p3b_009.026"/> teilen. Weh dem! der fern von Eltern und Geschwistern ein einsam Leben <lb n="p3b_009.027"/> führt, ihn läßt der Gram des schönsten Glückes nicht genießen, ihm schwärmen <lb n="p3b_009.028"/> abwärts immer die Gedanken nach seines Vaters Wohnung, an jene Stellen, <lb n="p3b_009.029"/> wo die goldne Sonne zum erstenmal den Himmel vor ihm aufschloß, wo die <lb n="p3b_009.030"/> Spiele der Mitgebornen die sanften, liebsten Erdenbande knüpften.</p> <lb n="p3b_009.031"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Ausarbeitung.</hi> 1787.</hi> </p> <lb n="p3b_009.032"/> <p> <hi rendition="#g">Jphigenie.</hi> </p> <lg> <l>Heraus in eure Schatten, rege Wipfel</l> <lb n="p3b_009.033"/> <l>Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines,</l> <lb n="p3b_009.034"/> <l>Wie in der Göttin stilles Heiligtum</l> <lb n="p3b_009.035"/> <l>Tret' ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl,</l> <lb n="p3b_009.036"/> <l>Als wenn ich sie zum erstenmal beträte,</l> <lb n="p3b_009.037"/> <l>Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher.</l> <lb n="p3b_009.038"/> <l>So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen</l> <lb n="p3b_009.039"/> <l>Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe;</l> <lb n="p3b_009.040"/> <l>Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd.</l> <lb n="p3b_009.041"/> <l>Denn ach, mich trennt das Meer von den Geliebten,</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0035]
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(Vgl. bei Platen auch die freilich nicht hierhergehörigen, ungeheuerlichen p3b_009.002
Satztakte „Freischützkaskadenfeuerwerkmaschinerie“, „Demagogenriechernashornangesicht“ p3b_009.003
&c., die einen Trimeter ausfüllen.)
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Selbstredend dürfen allzulange Satztakte schon aus ästhetischen p3b_009.005
Gründen nur spärlich angewendet werden; sie würden in größerer Anzahl p3b_009.006
Fluß und Beweglichkeit des Rhythmus beeinträchtigen.
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13. Aus ästhetischen Gründen warnen wir vor allzuviel Konsonantenanhäufungen p3b_009.008
im jambischen Quinar wie in jedem Rhythmus. p3b_009.009
Wer die nötige Vorsicht in der Form schon im Anfang dichterischer p3b_009.010
Übung walten läßt, wird bei vorgerückter Fertigkeit seine ungeteilte p3b_009.011
Aufmerksamkeit dem Jnhalt zuwenden können.
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14. Gut gearbeitete reimlose Quinare finden sich z. B. in: Götterdämmerung p3b_009.013
von H. Heine; Der Schwester Traum von Hauff; Frau p3b_009.014
Generalin von Varnbüler von Mörike; Herakles auf dem Oeta von p3b_009.015
Geibel; Lebwohl von Gerok &c.
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15. Als Beleg, wie fleißig und ernst bedeutende Dichter in der p3b_009.017
Bildung von Quinaren verfuhren, bieten wir nachstehendes Beispiel p3b_009.018
aus Goethe's Jphigenie. (Vgl. Goethe's Jphigenie. Freiburg 1883.)
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Dritter Prosa-Entwurf. 1781.
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Jphigenie. Heraus in eure Schatten, ewig rege Wipfel des heiligen p3b_009.021
Hains, wie in das Heiligtum der Göttin, der ich diene, tret' ich mit immer p3b_009.022
neuem Schauer und meine Seele gewöhnt sich nicht hierher! So manche p3b_009.023
Jahre wohn' ich hier unter euch verborgen, und immer bin ich wie im ersten p3b_009.024
fremd, denn mein Verlangen steht hinüber nach dem schönen Land der Griechen, p3b_009.025
und immer möcht' ich übers Meer hinüber, das Schicksal meiner Vielgeliebten p3b_009.026
teilen. Weh dem! der fern von Eltern und Geschwistern ein einsam Leben p3b_009.027
führt, ihn läßt der Gram des schönsten Glückes nicht genießen, ihm schwärmen p3b_009.028
abwärts immer die Gedanken nach seines Vaters Wohnung, an jene Stellen, p3b_009.029
wo die goldne Sonne zum erstenmal den Himmel vor ihm aufschloß, wo die p3b_009.030
Spiele der Mitgebornen die sanften, liebsten Erdenbande knüpften.
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Ausarbeitung. 1787.
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Jphigenie.
Heraus in eure Schatten, rege Wipfel p3b_009.033
Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines, p3b_009.034
Wie in der Göttin stilles Heiligtum p3b_009.035
Tret' ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl, p3b_009.036
Als wenn ich sie zum erstenmal beträte, p3b_009.037
Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher. p3b_009.038
So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen p3b_009.039
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe; p3b_009.040
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd. p3b_009.041
Denn ach, mich trennt das Meer von den Geliebten,
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