Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_142.001 p3b_142.005 p3b_142.011 p3b_142.014 a. das einfache Epigramm, wie es in elegischer Form p3b_142.016 b. das ausgebreitete Epigramm, welches bei Widmungen p3b_142.020 1. Einfache Epigramme. p3b_142.023 p3b_142.027 Stoff. Zu a: p3b_142.029Exposition: Frauenmund ist eine Blume. p3b_142.030Klausel: Die Blüte derselben heißt: Jch liebe dich. p3b_142.031Zu b: p3b_142.032Exposition: Wenn einst dein Blick auf dieses Blatt fällt, p3b_142.033Klausel: Gedenke meiner, wie man des Toten gedenkt. p3b_142.0342. a. Schon die erste Verszeile des Stoffes bei a deutet auf trochäischen p3b_142.035 b. Dagegen verträgt der vorwärtsblickende, feierlich=elegische Jnhalt p3b_142.038 3. a. Die erste rhythmische Reihe bei a ist ein trochäischer Viertakter und p3b_142.040 p3b_142.001 p3b_142.005 p3b_142.011 p3b_142.014 a. das einfache Epigramm, wie es in elegischer Form p3b_142.016 b. das ausgebreitete Epigramm, welches bei Widmungen p3b_142.020 1. Einfache Epigramme. p3b_142.023 p3b_142.027 Stoff. Zu a: p3b_142.029Exposition: Frauenmund ist eine Blume. p3b_142.030Klausel: Die Blüte derselben heißt: Jch liebe dich. p3b_142.031Zu b: p3b_142.032Exposition: Wenn einst dein Blick auf dieses Blatt fällt, p3b_142.033Klausel: Gedenke meiner, wie man des Toten gedenkt. p3b_142.0342. a. Schon die erste Verszeile des Stoffes bei a deutet auf trochäischen p3b_142.035 b. Dagegen verträgt der vorwärtsblickende, feierlich=elegische Jnhalt p3b_142.038 3. a. Die erste rhythmische Reihe bei a ist ein trochäischer Viertakter und p3b_142.040 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0168" n="142"/><lb n="p3b_142.001"/> oder Klausel) die Pointe zu geben hat, wie dies in charakteristisch <lb n="p3b_142.002"/> kürzester Weise beim epigrammatischen Distichon der Fall ist, wo der <lb n="p3b_142.003"/> Hexameter die Erwartung andeutet, während der Pentameter den Aufschluß <lb n="p3b_142.004"/> giebt.</p> <p><lb n="p3b_142.005"/> 2. Als präzise Form für das Epigramm ist auch das (§ 38) <lb n="p3b_142.006"/> behandelte Sonett zu erwähnen, das in den ersten acht Versen der <lb n="p3b_142.007"/> Exposition (oder dem Vordersatz) breiteren Raum gewährt, während <lb n="p3b_142.008"/> die sechs folgenden Zeilen den lyrischen Nachsatz (die Klausel) bilden <lb n="p3b_142.009"/> können, wie dies im allgemeinen die A. Möserschen Sonette (9─20 <lb n="p3b_142.010"/> in „Schauen und Schaffen“) zeigen.</p> <p><lb n="p3b_142.011"/> 3. Zuweilen können mehrere Vordersätze durch einen einzigen <lb n="p3b_142.012"/> Nachsatz ihren Abschluß erhalten. Dies ergiebt das ausgebreitete <lb n="p3b_142.013"/> Epigramm.</p> <p><lb n="p3b_142.014"/> 4. Beliebte Epigrammformen sind:</p> <lb n="p3b_142.015"/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">a</hi>. das einfache Epigramm, wie es in elegischer Form <lb n="p3b_142.016"/> (vgl. S. 38), oder in Ritornellform, oder in Vierzeilenform <lb n="p3b_142.017"/> &c. in der Gelegenheitsdichtung (als Stammbuchvers &c.) <lb n="p3b_142.018"/> sich einführt;</hi> </p> <lb n="p3b_142.019"/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">b</hi>. das ausgebreitete Epigramm, welches bei Widmungen <lb n="p3b_142.020"/> (z. B. an Täuflinge, Brautleute &c.), ferner in Trinksprüchen <lb n="p3b_142.021"/> &c. vielfach Verwendung findet.</hi> </p> <lb n="p3b_142.022"/> <p> <hi rendition="#c">1. <hi rendition="#g">Einfache Epigramme.</hi></hi> </p> <p><lb n="p3b_142.023"/><hi rendition="#g">Aufgabe. Wir veranlassen:</hi><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">einen Stammbuchvers, <lb n="p3b_142.024"/> welcher den Ausspruch einer Frau:</hi> „<hi rendition="#g">Jch liebe dich</hi>“ <hi rendition="#g">preist;</hi> <lb n="p3b_142.025"/> <hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">einen Stammbuchvers, welcher sich durch</hi> „<hi rendition="#g">Gedenke mein</hi>“ <lb n="p3b_142.026"/> <hi rendition="#g">selbst empfiehlt.</hi></p> <p><lb n="p3b_142.027"/> 1. Die Gedanken des Materials dürften folgende sein:</p> <lb n="p3b_142.028"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Stoff.</hi> Zu <hi rendition="#aq">a</hi>:</hi> </p> <lb n="p3b_142.029"/> <p> <hi rendition="#g">Exposition:</hi> </p> <lg> <l>Frauenmund ist eine Blume.</l> </lg> <lb n="p3b_142.030"/> <p> <hi rendition="#g">Klausel:</hi> </p> <lg> <l>Die Blüte derselben heißt: Jch liebe dich.</l> </lg> <lb n="p3b_142.031"/> <p> <hi rendition="#c">Zu <hi rendition="#aq">b</hi>:</hi> </p> <lb n="p3b_142.032"/> <p> <hi rendition="#g">Exposition:</hi> </p> <lg> <l>Wenn einst dein Blick auf dieses Blatt fällt,</l> </lg> <lb n="p3b_142.033"/> <p> <hi rendition="#g">Klausel:</hi> </p> <lg> <l>Gedenke meiner, wie man des Toten gedenkt.</l> </lg> <lb n="p3b_142.034"/> <p> <hi rendition="#et">2. <hi rendition="#aq">a</hi>. 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oder Klausel) die Pointe zu geben hat, wie dies in charakteristisch p3b_142.002
kürzester Weise beim epigrammatischen Distichon der Fall ist, wo der p3b_142.003
Hexameter die Erwartung andeutet, während der Pentameter den Aufschluß p3b_142.004
giebt.
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2. Als präzise Form für das Epigramm ist auch das (§ 38) p3b_142.006
behandelte Sonett zu erwähnen, das in den ersten acht Versen der p3b_142.007
Exposition (oder dem Vordersatz) breiteren Raum gewährt, während p3b_142.008
die sechs folgenden Zeilen den lyrischen Nachsatz (die Klausel) bilden p3b_142.009
können, wie dies im allgemeinen die A. Möserschen Sonette (9─20 p3b_142.010
in „Schauen und Schaffen“) zeigen.
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3. Zuweilen können mehrere Vordersätze durch einen einzigen p3b_142.012
Nachsatz ihren Abschluß erhalten. Dies ergiebt das ausgebreitete p3b_142.013
Epigramm.
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4. Beliebte Epigrammformen sind:
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a. das einfache Epigramm, wie es in elegischer Form p3b_142.016
(vgl. S. 38), oder in Ritornellform, oder in Vierzeilenform p3b_142.017
&c. in der Gelegenheitsdichtung (als Stammbuchvers &c.) p3b_142.018
sich einführt;
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b. das ausgebreitete Epigramm, welches bei Widmungen p3b_142.020
(z. B. an Täuflinge, Brautleute &c.), ferner in Trinksprüchen p3b_142.021
&c. vielfach Verwendung findet.
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1. Einfache Epigramme.
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Aufgabe. Wir veranlassen: a. einen Stammbuchvers, p3b_142.024
welcher den Ausspruch einer Frau: „Jch liebe dich“ preist; p3b_142.025
b. einen Stammbuchvers, welcher sich durch „Gedenke mein“ p3b_142.026
selbst empfiehlt.
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1. Die Gedanken des Materials dürften folgende sein:
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Stoff. Zu a:
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Exposition:
Frauenmund ist eine Blume.
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Klausel:
Die Blüte derselben heißt: Jch liebe dich.
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Zu b:
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Exposition:
Wenn einst dein Blick auf dieses Blatt fällt,
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Klausel:
Gedenke meiner, wie man des Toten gedenkt.
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2. a. Schon die erste Verszeile des Stoffes bei a deutet auf trochäischen p3b_142.035
Rhythmus hin, für den sich auch der zögernde Jnhalt des Verses p3b_142.036
eignet;
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b. Dagegen verträgt der vorwärtsblickende, feierlich=elegische Jnhalt p3b_142.038
des Stoffes von b jambischen Rhythmus.
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3. a. Die erste rhythmische Reihe bei a ist ein trochäischer Viertakter und p3b_142.040
kann ohne weiteres als Maß für die kleine Strophe dienen;
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