Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_088.001 B. Gebrochene mittelhochdeutsche Nibelungen-Verszeilen. p3b_088.002 Zwei Särge. p3b_088.004 p3b_088.005 Lösung. Von Justinus Kerner. p3b_088.102Zwei Särge einsam stehen p3b_088.103 p3b_088.106Jn des alten Domes Hut, p3b_088.104 König Ottmar liegt in dem einen, p3b_088.105 Jn dem andern der Sänger ruht. Der König saß einst mächtig p3b_088.107 p3b_088.110Hoch auf der Väter Thron, p3b_088.108 Jhm liegt das Schwert in der Rechten p3b_088.109 Und auf dem Haupte die Kron'. Doch neben dem stolzen König p3b_088.111 p3b_088.114Da liegt der Sänger traut, p3b_088.112 Man noch in seinen Händen p3b_088.113 Die fromme Harfe schaut. Die Burgen rings zerfallen, p3b_088.115 p3b_088.118Schlachtruf tönt durch das Land, p3b_088.116 Das Schwert, das regt sich nimmer p3b_088.117 Da in des Königs Hand. Blüten und milde Lüfte p3b_088.119 [Ende Spaltensatz]
Wehen das Thal entlang - p3b_088.120 Des Sängers Harfe tönet p3b_088.121 Jn ewigem Gesang. p3b_088.122 Hoffnung. p3b_088.124[Beginn Spaltensatz] Stoff. p3b_088.125 Lösung. Von Hermann Kletke. p3b_088.102O Hoffnung, milde Blume, p3b_088.103 p3b_088.106Täglich begieß' ich dich; p3b_088.104 Du gabst zum Eigentume p3b_088.105 Dem weinenden Herzen dich. Blüten und Blätter, immer p3b_088.107 p3b_088.110Streben sie himmelwärts; p3b_088.108 Nicht brauchst du der Sonne Schimmer, p3b_088.109 Du brauchst ein menschliches Herz! Jhr prangenden Blumen im Garten, p3b_088.111 [Ende Spaltensatz]
Was hilft mir der bunte Schein? p3b_088.112 Pflegen will ich und warten p3b_088.113 Der lieben Blume allein. p3b_088.001 B. Gebrochene mittelhochdeutsche Nibelungen-Verszeilen. p3b_088.002 Zwei Särge. p3b_088.004 p3b_088.005 Lösung. Von Justinus Kerner. p3b_088.102Zwei Särge einsam stehen p3b_088.103 p3b_088.106Jn des alten Domes Hut, p3b_088.104 König Ottmar liegt in dem einen, p3b_088.105 Jn dem andern der Sänger ruht. Der König saß einst mächtig p3b_088.107 p3b_088.110Hoch auf der Väter Thron, p3b_088.108 Jhm liegt das Schwert in der Rechten p3b_088.109 Und auf dem Haupte die Kron'. Doch neben dem stolzen König p3b_088.111 p3b_088.114Da liegt der Sänger traut, p3b_088.112 Man noch in seinen Händen p3b_088.113 Die fromme Harfe schaut. Die Burgen rings zerfallen, p3b_088.115 p3b_088.118Schlachtruf tönt durch das Land, p3b_088.116 Das Schwert, das regt sich nimmer p3b_088.117 Da in des Königs Hand. Blüten und milde Lüfte p3b_088.119 [Ende Spaltensatz]
Wehen das Thal entlang ─ p3b_088.120 Des Sängers Harfe tönet p3b_088.121 Jn ewigem Gesang. p3b_088.122 Hoffnung. p3b_088.124[Beginn Spaltensatz] Stoff. p3b_088.125 Lösung. Von Hermann Kletke. p3b_088.102O Hoffnung, milde Blume, p3b_088.103 p3b_088.106Täglich begieß' ich dich; p3b_088.104 Du gabst zum Eigentume p3b_088.105 Dem weinenden Herzen dich. Blüten und Blätter, immer p3b_088.107 p3b_088.110Streben sie himmelwärts; p3b_088.108 Nicht brauchst du der Sonne Schimmer, p3b_088.109 Du brauchst ein menschliches Herz! Jhr prangenden Blumen im Garten, p3b_088.111 [Ende Spaltensatz]
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B. Gebrochene mittelhochdeutsche Nibelungen-Verszeilen.
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Aufgabe 1. a. Ohne Cäsurreim.
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Zwei Särge. p3b_088.004
Stoff.
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1. Jm Dome stehen einsam │ zwei p3b_088.006
Särge, │ in dem einen ruht König Ottmar, p3b_088.007
│ im andern der Sänger. ‖ 2. Der p3b_088.008
König führte einst mit Macht │ sein Scepter, p3b_088.009
│ drum hat er noch das Schwert p3b_088.010
in der Rechten │ und die Krone auf dem p3b_088.011
Haupte. ‖ 3. Neben dem stolzen König │ p3b_088.012
liegt der Sänger; │ ihm hat man die p3b_088.013
Harfe │ in die Hände gelegt. ‖ 4. Die p3b_088.014
Burgen zerfallen, │ und der Schlachtruf p3b_088.015
erschallt, │ aber das Schwert in p3b_088.016
des Königs Hand │ bleibt unbeweglich. ‖ p3b_088.017
5. Doch wenn das Land in Blüte p3b_088.018
steht │ und die milden Lüfte erwachen, │ p3b_088.019
da klingt noch die Harfe des Sängers p3b_088.020
fort │ in ewigem Gesang. ‖
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Lösung. Von Justinus Kerner.
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Zwei Särge einsam stehen p3b_088.103
Jn des alten Domes Hut, p3b_088.104
König Ottmar liegt in dem einen, p3b_088.105
Jn dem andern der Sänger ruht.
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Der König saß einst mächtig p3b_088.107
Hoch auf der Väter Thron, p3b_088.108
Jhm liegt das Schwert in der Rechten p3b_088.109
Und auf dem Haupte die Kron'.
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Doch neben dem stolzen König p3b_088.111
Da liegt der Sänger traut, p3b_088.112
Man noch in seinen Händen p3b_088.113
Die fromme Harfe schaut.
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Die Burgen rings zerfallen, p3b_088.115
Schlachtruf tönt durch das Land, p3b_088.116
Das Schwert, das regt sich nimmer p3b_088.117
Da in des Königs Hand.
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Blüten und milde Lüfte p3b_088.119
Wehen das Thal entlang ─ p3b_088.120
Des Sängers Harfe tönet p3b_088.121
Jn ewigem Gesang.
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Aufgabe 2. b. Mit Cäsurreim.
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Hoffnung.
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Stoff.
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1. O milde Blume Hoffnung, │ p3b_088.126
ich begieße dich jeden Tag; │ du hast p3b_088.127
dich dem weinenden Herzen │ zum p3b_088.128
Eigentum ergeben. ‖ 2. Deine Blüten p3b_088.129
und Blätter │ streben dem Himmel entgegen. p3b_088.130
│ Doch bedarfst du nicht das p3b_088.131
Sonnenlicht, │ wohl aber ein menschliches p3b_088.132
Herz. ‖ 3. Jhr schönen Gartenblumen, p3b_088.133
│ was soll mir euer Schein? │ p3b_088.134
Jch will nur die einzige Hoffnungsblume p3b_088.135
│ pflegen und warten. ‖
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Lösung. Von Hermann Kletke.
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O Hoffnung, milde Blume, p3b_088.103
Täglich begieß' ich dich; p3b_088.104
Du gabst zum Eigentume p3b_088.105
Dem weinenden Herzen dich.
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Blüten und Blätter, immer p3b_088.107
Streben sie himmelwärts; p3b_088.108
Nicht brauchst du der Sonne Schimmer, p3b_088.109
Du brauchst ein menschliches Herz!
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Jhr prangenden Blumen im Garten, p3b_088.111
Was hilft mir der bunte Schein? p3b_088.112
Pflegen will ich und warten p3b_088.113
Der lieben Blume allein.
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/114>, abgerufen am 16.02.2025. |