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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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die Dichtkunst unterstützenden Seite aufzufassen und in den Geist der dichterischen p2b_505.002
Kunstwerke selbst einzudringen. (Über das Melodrama vgl. Herder in seiner p2b_505.003
Adrastea, 4. Stück.)

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§ 181. Das Vaudeville und das Sing- oder Liederspiel.

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Unter Vaudeville, wie unter Sing- oder Liederspiel versteht man p2b_505.006
eine Art Schauspiel mit Gesang- und Jnstrumentalbegleitung, wobei p2b_505.007
Gesang wie Jnstrumentalmusik keinen Anteil an dem dramatischen Fortschritt p2b_505.008
der Handlung nehmen; es ist also eine Art lyrisches Drama, p2b_505.009
welches sich durch geschmackvolle Einreihung von liedartigen, meist nach p2b_505.010
bekannten Volksmelodien gesungenen und mit Refrain versehenen Strophen p2b_505.011
auszeichnet. Oder: Vaudeville ist ein mit beliebten Gesangsstrophen p2b_505.012
(Couplets) unterbrochenes Lustspiel, oder auch eine mit Musik verbundene p2b_505.013
Posse, welch' letztere Art meist den Namen Vaudeville-Posse p2b_505.014
oder Vaudeville-Burleske trägt.

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Der Unterschied zwischen Vaudeville und Sing- oder Liederspiel liegt infolge p2b_505.016
ihres Ursprungs weniger in der äußeren Form als im inneren Wesen p2b_505.017
dieser Gattungen; er ist ein innerlicher, den nationalen Genius und Charakter p2b_505.018
Frankreichs und Deutschlands zum Ausdruck bringender. Man kann den Unterschied p2b_505.019
andeuten, indem man sagt: Das Vaudeville ist ein französisches p2b_505.020
Liederspiel
und das Liederspiel ist ein deutsches Vaudeville. Die p2b_505.021
Couplets des Vaudeville atmen dem französischen Volkscharakter entsprechend p2b_505.022
Witz, Ungebundenheit, Laune bis zur Satire und Frivolität, während die Liedstrophen p2b_505.023
des deutschen Lieder- oder Singspiels, das ja auch das Humoristische p2b_505.024
liebt, mehr den gemütsinnigen Charakter des deutschen Volksliedes zum Ausdruck p2b_505.025
bringen. Der Zweck des Vaudeville ist Erheiterung, Ergetzung; und es p2b_505.026
hört diese Gattung sofort auf Vaudeville zu sein, wenn Witz, Laune, Satire p2b_505.027
fehlen, während das deutsche Liederspiel auch Rührung, Läuterung des Geschmacks p2b_505.028
&c. erzielen und sich mit einfachem Stimmungshumor begnügen kann.

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Von der Operette (§ 186) unterscheiden sich beide Formen dadurch, daß p2b_505.030
alle Gesangsstücke der letzteren lediglich aus Liedern bestehen, die entweder mit p2b_505.031
längst bekannten Melodien versehen sind oder deren Melodien doch wenigstens p2b_505.032
volkstümlich und einfach sind.

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Geschichtliches und Litteratur beider Formen.

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(Französisches Vaudeville.) Der Name Vaudeville soll - so nehmen p2b_505.035
alle Litterarhistoriker bis jetzt ausnahmslos an - von dem Städtchen Vaux p2b_505.036
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(in der französischen Normandie) herstammen, wo gegen Ende des p2b_505.037
14. Jahrh. ein Walkmüller Namens Olivier Basselin mit seinen übrigens erst p2b_505.038
1576 erschienenen - Vau de Vire genannten - Couplets von sich als p2b_505.039
Dichter zu sprechen machte. Man meint etwas gesucht, daß aus seinem Vau p2b_505.040
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nach und nach Vaux de toutes les villes und daraus Vaux p2b_505.041
de villes
entstanden sei. Andere sind der Ansicht, Vau de ville bedeute

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/527>, abgerufen am 23.11.2024.