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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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hochgestellten Menschen, weil das Leben eines solchen großartigere p2b_432.003
Verhältnisse mit sich bringt, welche Unbedeutendes übersehen lassen. Dieses p2b_432.004
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Den griechischen Tragikern war Homer und seine Nachfolger (die sogen. p2b_432.006
cyclischen Epiker) die Fundgrube für ihre Stoffe. Die Athener, die doch sonst p2b_432.007
das Neue liebten, verlangten auf ihrer tragischen Bühne allbekannte typische p2b_432.008
Figuren; sie wünschten alte liebgewordene historische Stoffe von Äschylus, von p2b_432.009
Sophokles und dann von Euripides dramatisch dargestellt zu sehen.

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Die ältesten deutschen Dramatiker schöpften aus der Litteratur z. B. Hans p2b_432.011
Sachs aus der Bibel, aus Boccaccio, aus dem deutschen Heldenbuch, andere p2b_432.012
aus der Weltgeschichte &c. Shakespeare schöpfte aus Sage und Geschichte. p2b_432.013
Wir Deutsche seit Lessing ebenfalls. Die Anlehnung an das Geschichtliche hat p2b_432.014
den Vorzug der Anschaulichkeit und des Jnteresses, und Jean Paul (in "Vorsch." p2b_432.015
S. 500) bemerkt daher treffend: "Ein bekannter historischer Charakter, z. B. p2b_432.016
Sokrates, Cäsar, tritt, wenn ihn der Dichter ruft, wie ein Fürst ein und setzt p2b_432.017
sein Kognito voraus: ein Name ist hier eine Menge Situationen. Hier erschafft p2b_432.018
schon ein Mensch Begeisterung oder Erwartung."

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verlangt die Herbeiführung und logische Anordnung spannender Ereignisse, p2b_432.021
sowie geschickte, psychologische Motivierung des Darzustellenden. Hierzu ist dem p2b_432.022
Dichter eine genaue Kenntnis des Lebens - auch in seinen Verirrungen nötig, p2b_432.023
sowie ein scharfes und vorurteilfreies Beurteilungsvermögen in harmonischer Verbindung p2b_432.024
mit dem richtigen Takt und Gefühl. Maß und Würde sind hier im p2b_432.025
eminenten Sinn zu fordern.

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c. Sprache und Form. Um die handelnden Personen scharf, klar p2b_432.027
und bestimmt zu zeichnen, ist vom Dichter der Tragödie die edelste Sprach= p2b_432.028
und Ausdrucksweise zu verlangen. (Vgl. § 38 S. 54 d. Bds.) Der höchste p2b_432.029
Wohllaut und Schwung einer metaphorisch blendenden, glänzenden Diktion, und p2b_432.030
eines energisch sententiösen, in Stichomythien ergreifenden Ausdrucks ist in der p2b_432.031
Tragödie am Platz.

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Derselbe verträgt keine Untermischung leidenschaftlicher Partien mit Tiraden, p2b_432.034
sententiösen Schnörkeln und lyrischen Exkursen; es herrscht bei ihm eine dem p2b_432.035
Schwulst (S. 54 d. Bds.) entgegengesetzte Naivetät, sowie die reinste Sprache p2b_432.036
des Gemüts in allen Affekten und in voller Wahrheit. Er vereint die Plastizität p2b_432.037
des Ausdrucks eines Lessing mit der malerischen Jndividualisierung eines p2b_432.038
Shakespeare. Zur Kenntnis des tragischen Stils wie überhaupt der Eigenart p2b_432.039
in der Technik der Tragödie ist zu empfehlen das Studium des bahnbrechenden p2b_432.040
klaren Lessing, des freilich nicht immer theatralischen Goethe, des zuweilen p2b_432.041
phrasenhaften, doch bewundernswerten Schiller, des talentvollen, nur hie und p2b_432.042
da schrullenhaften Kleist, der wegen eines Fehlers (angeblicher Aberglaube) p2b_432.043
von der Kritik verhöhnten Stücke: Müllners Schuld und Raupachs Müller p2b_432.044
und sein Kind, des durch Vertiefung und Charakteristik imponierenden Shakespeare,

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/454>, abgerufen am 23.11.2024.