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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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Bis in unsere Zeit teilte man in der Regel nur in lyrische, epische und p2b_008.002
dramatische Poesie.

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Wackernagel und auch Goethe (über das Lehrgedicht) sprachen sich noch p2b_008.004
gegen die didaktische Poesie als vierte Hauptgattung aus. Derselbe Goethe p2b_008.005
sagt jedoch: "Alle Poesie soll belehrend sein, sie soll den Menschen aufmerksam p2b_008.006
machen, wovon sich zu belehren wert wäre; er muß die Lehre selbst daraus p2b_008.007
ziehen, wie aus dem Leben."

(Vgl. hierzu Horatius A. P. 333 ff: p2b_008.008

Aut prodesse volunt, aut delectare poetae; p2b_008.009
aut simul et jucunda, et idonea dicere vitae. p2b_008.010
Vers 343.Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci, p2b_008.011
lectorem delectando, pariterque monendo
.)

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Wir weisen der didaktischen Poesie aus den in den §§ 13, 14, 15 S. 18 ff. p2b_008.013
d. Bds. entwickelten Gründen eine hohe ebenbürtige Stellung an.

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2. Es kann nicht geleugnet werden, daß die Einteilung in lyrische, p2b_008.015
didaktische, epische und dramatische Poesie scheinbar an einem logischen Fehler p2b_008.016
leidet. Sie scheint des einheitlichen Fundaments zu entbehren, indem Lyrik p2b_008.017
(melos == das Gesungene), Epik (epos == das Gesprochene), Drama (drama p2b_008.018
== die Handlung) auf das Darstellungsmittel der Poesie fundiert sind, die p2b_008.019
Didaktik hingegen auf den Zweck.

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3. Doch zeigt eine genauere Betrachtung die Möglichkeit einer einheitlichen p2b_008.021
Fundierung a. im Zweck, b. im Ursprung und Stoff.

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a. Jm Zweck.

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Es steht fest, daß die Lyrik (d. i. die Poesie der Empfindung) die p2b_008.024
eigenen d. i. subjektiven Gefühle und Empfindungen des Dichters, seine p2b_008.025
eigene Welt ausdrückt und ihm ermöglicht, sein eigenes Fühlen zum Objekt p2b_008.026
und zum Gegenstand der Empfindung auch für Andere, für die äußere Welt p2b_008.027
zu machen; daß weiter die Didaktik (d. i. die Gedankenlyrik) mit der Absicht p2b_008.028
zu belehren und sich über Fragen aus Natur, Welt, Menschenleben u. s. w. p2b_008.029
zu verbreiten, das Gleiche thut; daß drittens die epische Poesie (oder die p2b_008.030
Poesie der Anschauung) von vergangenen Dingen erzählt und der Anschauung p2b_008.031
und Empfindung die äußere Welt mit den Gestalten und Begebenheiten einer p2b_008.032
Vergangenheit vorführt; daß endlich die Dramatik (d. i. die Poesie der p2b_008.033
Handlung) redend handelnde Personen unmittelbar vorführt und den übrigen p2b_008.034
Dichtungsgattungen Gelegenheit zur ebenbürtigen Entfaltung wie zur harmonischen p2b_008.035
Vereinigung bietet.

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b. Jm Ursprung und Stoff.

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Die lyrische und die didaktische Poesie sind subjektiv, denn der Dichter p2b_008.038
giebt nur seine eigenen Gefühle und ist der eigene Held seiner Dichtungen, p2b_008.039
während die epische Poesie objektiv ist und die dramatische das subjektive und p2b_008.040
objektive Element vereinigt. Ein Fundament für die Einteilung ergiebt somit p2b_008.041
der Umstand, ob der Stoff der Poesie der Jnnen- oder Außenwelt entstammt, p2b_008.042
ob er der Thätigkeit unserer Phantasie entspringt, oder ob er der Sage und p2b_008.043
Geschichte entquillt, ob erzählt wird, oder ob die Personen handelnd und redend

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Bis in unsere Zeit teilte man in der Regel nur in lyrische, epische und p2b_008.002
dramatische Poesie.

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Wackernagel und auch Goethe (über das Lehrgedicht) sprachen sich noch p2b_008.004
gegen die didaktische Poesie als vierte Hauptgattung aus. Derselbe Goethe p2b_008.005
sagt jedoch: „Alle Poesie soll belehrend sein, sie soll den Menschen aufmerksam p2b_008.006
machen, wovon sich zu belehren wert wäre; er muß die Lehre selbst daraus p2b_008.007
ziehen, wie aus dem Leben.“

(Vgl. hierzu Horatius A. P. 333 ff: p2b_008.008

Aut prodesse volunt, aut delectare poetae; p2b_008.009
aut simul et jucunda, et idonea dicere vitae. p2b_008.010
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.)

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Wir weisen der didaktischen Poesie aus den in den §§ 13, 14, 15 S. 18 ff. p2b_008.013
d. Bds. entwickelten Gründen eine hohe ebenbürtige Stellung an.

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2. Es kann nicht geleugnet werden, daß die Einteilung in lyrische, p2b_008.015
didaktische, epische und dramatische Poesie scheinbar an einem logischen Fehler p2b_008.016
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Didaktik hingegen auf den Zweck.

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3. Doch zeigt eine genauere Betrachtung die Möglichkeit einer einheitlichen p2b_008.021
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/30>, abgerufen am 03.12.2024.