Einleitung. p2b_001.002 Charakter der Poesie und Einteilung derselben. ------
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§ 1. Objektive und subjektive Poesie.
p2b_001.004 1. Alles durch menschliche Thätigkeit Entstandene leitet seinen p2b_001.005 Ursprung entweder aus dem Gebiete der Geistes- oder dem der Sinnenwelt p2b_001.006 her: aus dem Anschauungs- und dem Empfindungsreiche. Auch p2b_001.007 die Poesie hat ihren Ursprung entweder in einem derselben, oder in p2b_001.008 beiden gemeinschaftlich.
p2b_001.009 2. Je weniger der äußere anregende Stoff als solcher ersichtlich p2b_001.010 ist, je unbedeutender er ist, desto subjektiver wird die Poesie erscheinen.
p2b_001.011 3. Objektiven Charakter wird die Poesie an sich tragen, wenn p2b_001.012 der von ihr behandelte Stoff als das Wesentliche, Bestimmende oder p2b_001.013 Beabsichtigte entgegentritt.
p2b_001.014 1. Von der Außenwelt erhält der Dichter die Anregung, oder den Stoff, p2b_001.015 welchen er nach innerer Aneignung in seinem Gedichte verwertet. Das Gedicht p2b_001.016 entsteht somit aus der Durchdringung der dichterischen Subjektivität mit p2b_001.017 der von außen entgegen tretenden Objektivität.
p2b_001.018 2. Zu jedem objektiven Stoffe muß der Lyriker von seiner Subjektivität p2b_001.019 hinzusetzen. Man könnte einen geringfügigen Stoff einem glatten Stamme p2b_001.020 vergleichen, an welchem sich die subjektive Empfindung des Dichters emporrankt p2b_001.021 und fest hält. Je einfacher und geringfügiger der Stoff ist, desto bedeutender p2b_001.022 wird sich das Überwiegen des Subjektiven vor dem Objektiven nötig p2b_001.023 machen müssen, desto mehr wird sich die dichterische Schöpfungskraft zu bewähren p2b_001.024 haben.
p2b_001.025 Jn folgendem Gedichte von Martin Greif überwiegt die subjektive p2b_001.026 Zuthat den objektiven geringfügigen Stoff um ein Bedeutendes:
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Am Buchenbaum.p2b_001.028
Jch sah im Herbst einen Buchenbaump2b_001.029 Jm leeren Felde steh'n;p2b_001.030 Jm fahlen Laube sah ich kaump2b_001.031 Ein grünes Blättlein weh'n.p2b_001.032 Lang stund ich da in tiefem Traump2b_001.033 Jhn anzuseh'n.
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p2b_001.004 1. Alles durch menschliche Thätigkeit Entstandene leitet seinen p2b_001.005 Ursprung entweder aus dem Gebiete der Geistes- oder dem der Sinnenwelt p2b_001.006 her: aus dem Anschauungs- und dem Empfindungsreiche. Auch p2b_001.007 die Poesie hat ihren Ursprung entweder in einem derselben, oder in p2b_001.008 beiden gemeinschaftlich.
p2b_001.009 2. Je weniger der äußere anregende Stoff als solcher ersichtlich p2b_001.010 ist, je unbedeutender er ist, desto subjektiver wird die Poesie erscheinen.
p2b_001.011 3. Objektiven Charakter wird die Poesie an sich tragen, wenn p2b_001.012 der von ihr behandelte Stoff als das Wesentliche, Bestimmende oder p2b_001.013 Beabsichtigte entgegentritt.
p2b_001.014 1. Von der Außenwelt erhält der Dichter die Anregung, oder den Stoff, p2b_001.015 welchen er nach innerer Aneignung in seinem Gedichte verwertet. Das Gedicht p2b_001.016 entsteht somit aus der Durchdringung der dichterischen Subjektivität mit p2b_001.017 der von außen entgegen tretenden Objektivität.
p2b_001.018 2. Zu jedem objektiven Stoffe muß der Lyriker von seiner Subjektivität p2b_001.019 hinzusetzen. Man könnte einen geringfügigen Stoff einem glatten Stamme p2b_001.020 vergleichen, an welchem sich die subjektive Empfindung des Dichters emporrankt p2b_001.021 und fest hält. Je einfacher und geringfügiger der Stoff ist, desto bedeutender p2b_001.022 wird sich das Überwiegen des Subjektiven vor dem Objektiven nötig p2b_001.023 machen müssen, desto mehr wird sich die dichterische Schöpfungskraft zu bewähren p2b_001.024 haben.
p2b_001.025 Jn folgendem Gedichte von Martin Greif überwiegt die subjektive p2b_001.026 Zuthat den objektiven geringfügigen Stoff um ein Bedeutendes:
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Am Buchenbaum.p2b_001.028
Jch sah im Herbst einen Buchenbaump2b_001.029 Jm leeren Felde steh'n;p2b_001.030 Jm fahlen Laube sah ich kaump2b_001.031 Ein grünes Blättlein weh'n.p2b_001.032 Lang stund ich da in tiefem Traump2b_001.033 Jhn anzuseh'n.
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1. Alles durch menschliche Thätigkeit Entstandene leitet seinen p2b_001.005
Ursprung entweder aus dem Gebiete der Geistes- oder dem der Sinnenwelt p2b_001.006
her: aus dem Anschauungs- und dem Empfindungsreiche. Auch p2b_001.007
die Poesie hat ihren Ursprung entweder in einem derselben, oder in p2b_001.008
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2. Je weniger der äußere anregende Stoff als solcher ersichtlich p2b_001.010
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3. Objektiven Charakter wird die Poesie an sich tragen, wenn p2b_001.012
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Beabsichtigte entgegentritt.
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1. Von der Außenwelt erhält der Dichter die Anregung, oder den Stoff, p2b_001.015
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entsteht somit aus der Durchdringung der dichterischen Subjektivität mit p2b_001.017
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2. Zu jedem objektiven Stoffe muß der Lyriker von seiner Subjektivität p2b_001.019
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Jn folgendem Gedichte von Martin Greif überwiegt die subjektive p2b_001.026
Zuthat den objektiven geringfügigen Stoff um ein Bedeutendes:
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Jch sah im Herbst einen Buchenbaum p2b_001.029
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. E1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/23>, abgerufen am 12.02.2025.
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