Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
p1b_739.001
Deines Winters Wolken jagen p1b_739.002
Rot vom blut'gen Widerschein; p1b_739.003
Jn der Brust die Todeswunde p1b_739.004
Ruht hier Freund und Feind im Bunde. p1b_739.005
Die Cypresse muß vereinen, p1b_739.006
Die der Ölzweig nimmer krönt; p1b_739.007
Wenn sie um die Toten weinen, p1b_739.008
Sind die Kämpfenden versöhnt. (3 Strophen.)
p1b_739.009

(Zum Neuen Jahr 1871 v. Rud. Gottschall.)

p1b_739.010
28. a a b b c d c d e f e f g g. (Rittershaus' Freimaurerstrophe.)

p1b_739.011

p1b_739.012
Beispiel: "Freimaurer sind wir und wir bleiben frei" von Emil p1b_739.013
Rittershaus. (4 Strophen.)

p1b_739.014
§ 212. Die fünfzehnzeilige Strophe.

p1b_739.015
Diese Strophe kommt weit seltener vor als die vorige. Bei p1b_739.016
den Minnesingern begegnen wir ihr nur in 11 Formen. Die Gliederung p1b_739.017
ist in 6 Fällen 3 + 3 + 9, in 5 Beispielen 4 + 4 + 7 p1b_739.018
und einmal 5 + 5 + 5. Von den neueren Dichtern hat die Strophe p1b_739.019
schöne Anwendung gefunden bei Goethe, Lenau und bei Rückert, der p1b_739.020
noch in seiner allerletzten Zeit in ihr dichtete; ferner bei Gustav p1b_739.021
Pfarrius, dem beliebten Dichter des Nahethals, und bei Kobell, dem p1b_739.022
berühmten Pfälzerdialekt-Dichter. Wiederholungen des gleichen Schemas p1b_739.023
finden sich nirgends.

p1b_739.024

Formen der fünfzehnzeiligen Strophe.

p1b_739.025
1. a a a a a a a a a a a a a a a.

p1b_739.026
Beispiel:

p1b_739.027
Bächlein, laß dein Rauschen sein! p1b_739.028
Räder, stellt euer Brausen ein! p1b_739.029
All ihr muntern Waldvögelein, p1b_739.030
Groß und klein, p1b_739.031
Endet eure Melodein! p1b_739.032
Durch den Hain p1b_739.033
Aus und ein p1b_739.034
Schalle heut' ein Reim allein: p1b_739.035
Die geliebte Müllerin ist mein! p1b_739.036
Mein! p1b_739.037
Frühling, sind das alle deine Blümelein? p1b_739.038
Sonne, hast du keinen hellern Schein? p1b_739.039
Ach, so muß ich ganz allein p1b_739.040
Mit dem seligen Worte mein p1b_739.041
Unverstanden in der Schöpfung sein!
p1b_739.042

(Wilh. Müllers "Mein!" I. 28.)

p1b_739.043
2. a a a a a | b b b b b | c c c c c.

p1b_739.044
Beispiel: Schulmeister von Eßlingen (Hagens Minnes. II. 139. 9).

p1b_739.001
Deines Winters Wolken jagen p1b_739.002
Rot vom blut'gen Widerschein; p1b_739.003
Jn der Brust die Todeswunde p1b_739.004
Ruht hier Freund und Feind im Bunde. p1b_739.005
Die Cypresse muß vereinen, p1b_739.006
Die der Ölzweig nimmer krönt; p1b_739.007
Wenn sie um die Toten weinen, p1b_739.008
Sind die Kämpfenden versöhnt. (3 Strophen.)
p1b_739.009

(Zum Neuen Jahr 1871 v. Rud. Gottschall.)

p1b_739.010
28. a a b b c d c d e f e f g g. (Rittershaus' Freimaurerstrophe.)

p1b_739.011

p1b_739.012
Beispiel: „Freimaurer sind wir und wir bleiben frei“ von Emil p1b_739.013
Rittershaus. (4 Strophen.)

p1b_739.014
§ 212. Die fünfzehnzeilige Strophe.

p1b_739.015
Diese Strophe kommt weit seltener vor als die vorige. Bei p1b_739.016
den Minnesingern begegnen wir ihr nur in 11 Formen. Die Gliederung p1b_739.017
ist in 6 Fällen 3 + 3 + 9, in 5 Beispielen 4 + 4 + 7 p1b_739.018
und einmal 5 + 5 + 5. Von den neueren Dichtern hat die Strophe p1b_739.019
schöne Anwendung gefunden bei Goethe, Lenau und bei Rückert, der p1b_739.020
noch in seiner allerletzten Zeit in ihr dichtete; ferner bei Gustav p1b_739.021
Pfarrius, dem beliebten Dichter des Nahethals, und bei Kobell, dem p1b_739.022
berühmten Pfälzerdialekt-Dichter. Wiederholungen des gleichen Schemas p1b_739.023
finden sich nirgends.

p1b_739.024

Formen der fünfzehnzeiligen Strophe.

p1b_739.025
1. a a a a a a a a a a a a a a a.

p1b_739.026
Beispiel:

p1b_739.027
Bächlein, laß dein Rauschen sein! p1b_739.028
Räder, stellt euer Brausen ein! p1b_739.029
All ihr muntern Waldvögelein, p1b_739.030
Groß und klein, p1b_739.031
Endet eure Melodein! p1b_739.032
Durch den Hain p1b_739.033
Aus und ein p1b_739.034
Schalle heut' ein Reim allein: p1b_739.035
Die geliebte Müllerin ist mein! p1b_739.036
Mein! p1b_739.037
Frühling, sind das alle deine Blümelein? p1b_739.038
Sonne, hast du keinen hellern Schein? p1b_739.039
Ach, so muß ich ganz allein p1b_739.040
Mit dem seligen Worte mein p1b_739.041
Unverstanden in der Schöpfung sein!
p1b_739.042

(Wilh. Müllers „Mein!“ I. 28.)

p1b_739.043
2. a a a a a │ b b b b b │ c c c c c.

p1b_739.044
Beispiel: Schulmeister von Eßlingen (Hagens Minnes. II. 139. 9).

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0773" n="739"/>
              <lb n="p1b_739.001"/>
              <lg>
                <l>Deines Winters Wolken jagen</l>
                <lb n="p1b_739.002"/>
                <l>Rot vom blut'gen Widerschein;</l>
                <lb n="p1b_739.003"/>
                <l>Jn der Brust die Todeswunde</l>
                <lb n="p1b_739.004"/>
                <l>Ruht hier Freund und Feind im Bunde.</l>
                <lb n="p1b_739.005"/>
                <l>Die Cypresse muß vereinen,</l>
                <lb n="p1b_739.006"/>
                <l>Die der Ölzweig nimmer krönt;</l>
                <lb n="p1b_739.007"/>
                <l>Wenn sie um die Toten weinen,</l>
                <lb n="p1b_739.008"/>
                <l>Sind die Kämpfenden versöhnt. (3 Strophen.)</l>
              </lg>
              <lb n="p1b_739.009"/>
              <p> <hi rendition="#right">(Zum Neuen Jahr 1871 v. Rud. Gottschall.)</hi> </p>
            </div>
            <div n="4">
              <p><lb n="p1b_739.010"/>
28. <hi rendition="#aq">a a b b c d c d e f e f g g</hi>. (<hi rendition="#g">Rittershaus' Freimaurerstrophe</hi>.)</p>
              <lb n="p1b_739.011"/>
              <p><lb n="p1b_739.012"/><hi rendition="#g">Beispiel:</hi> &#x201E;Freimaurer sind wir und wir bleiben frei&#x201C; von Emil <lb n="p1b_739.013"/>
Rittershaus. (4 Strophen.)</p>
            </div>
          </div>
          <div n="3">
            <lb n="p1b_739.014"/>
            <head> <hi rendition="#c">§ 212. Die fünfzehnzeilige Strophe.</hi> </head>
            <p><lb n="p1b_739.015"/>
Diese Strophe kommt weit seltener vor als die vorige. Bei <lb n="p1b_739.016"/>
den Minnesingern begegnen wir ihr nur in 11 Formen. Die Gliederung <lb n="p1b_739.017"/>
ist in 6 Fällen 3 + 3 + 9, in 5 Beispielen 4 + 4 + 7 <lb n="p1b_739.018"/>
und einmal 5 + 5 + 5. Von den neueren Dichtern hat die Strophe <lb n="p1b_739.019"/>
schöne Anwendung gefunden bei Goethe, Lenau und bei Rückert, der <lb n="p1b_739.020"/>
noch in seiner allerletzten Zeit in ihr dichtete; ferner bei Gustav <lb n="p1b_739.021"/>
Pfarrius, dem beliebten Dichter des Nahethals, und bei Kobell, dem <lb n="p1b_739.022"/>
berühmten Pfälzerdialekt-Dichter. Wiederholungen des gleichen Schemas <lb n="p1b_739.023"/>
finden sich nirgends.</p>
            <lb n="p1b_739.024"/>
            <p> <hi rendition="#c">Formen der fünfzehnzeiligen Strophe.</hi> </p>
            <p><lb n="p1b_739.025"/>
1. <hi rendition="#aq">a a a a a a a a a a a a a a a</hi>.</p>
            <p>
              <lb n="p1b_739.026"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p>
            <lb n="p1b_739.027"/>
            <lg>
              <l>Bächlein, laß dein Rauschen sein!</l>
              <lb n="p1b_739.028"/>
              <l>Räder, stellt euer Brausen ein!</l>
              <lb n="p1b_739.029"/>
              <l>All ihr muntern Waldvögelein,</l>
              <lb n="p1b_739.030"/>
              <l>Groß und klein,</l>
              <lb n="p1b_739.031"/>
              <l>Endet eure Melodein!</l>
              <lb n="p1b_739.032"/>
              <l>Durch den Hain</l>
              <lb n="p1b_739.033"/>
              <l>Aus und ein</l>
              <lb n="p1b_739.034"/>
              <l>Schalle heut' <hi rendition="#g">ein</hi> Reim allein:</l>
              <lb n="p1b_739.035"/>
              <l>Die geliebte Müllerin ist <hi rendition="#g">mein!</hi></l>
              <lb n="p1b_739.036"/>
              <l>Mein!</l>
              <lb n="p1b_739.037"/>
              <l>Frühling, sind das alle deine Blümelein?</l>
              <lb n="p1b_739.038"/>
              <l>Sonne, hast du keinen hellern Schein?</l>
              <lb n="p1b_739.039"/>
              <l>Ach, so muß ich ganz allein</l>
              <lb n="p1b_739.040"/>
              <l>Mit dem seligen Worte <hi rendition="#g">mein</hi></l>
              <lb n="p1b_739.041"/>
              <l>Unverstanden in der Schöpfung sein!</l>
            </lg>
            <lb n="p1b_739.042"/>
            <p> <hi rendition="#right">(Wilh. Müllers &#x201E;Mein!&#x201C; <hi rendition="#aq">I</hi>. 28.)</hi> </p>
            <p><lb n="p1b_739.043"/>
2. <hi rendition="#aq">a a a a a &#x2502; b b b b b &#x2502; c c c c c</hi>.</p>
            <p><lb n="p1b_739.044"/><hi rendition="#g">Beispiel:</hi> Schulmeister von Eßlingen (Hagens Minnes. <hi rendition="#aq">II</hi>. 139. 9).</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[739/0773] p1b_739.001 Deines Winters Wolken jagen p1b_739.002 Rot vom blut'gen Widerschein; p1b_739.003 Jn der Brust die Todeswunde p1b_739.004 Ruht hier Freund und Feind im Bunde. p1b_739.005 Die Cypresse muß vereinen, p1b_739.006 Die der Ölzweig nimmer krönt; p1b_739.007 Wenn sie um die Toten weinen, p1b_739.008 Sind die Kämpfenden versöhnt. (3 Strophen.) p1b_739.009 (Zum Neuen Jahr 1871 v. Rud. Gottschall.) p1b_739.010 28. a a b b c d c d e f e f g g. (Rittershaus' Freimaurerstrophe.) p1b_739.011 p1b_739.012 Beispiel: „Freimaurer sind wir und wir bleiben frei“ von Emil p1b_739.013 Rittershaus. (4 Strophen.) p1b_739.014 § 212. Die fünfzehnzeilige Strophe. p1b_739.015 Diese Strophe kommt weit seltener vor als die vorige. Bei p1b_739.016 den Minnesingern begegnen wir ihr nur in 11 Formen. Die Gliederung p1b_739.017 ist in 6 Fällen 3 + 3 + 9, in 5 Beispielen 4 + 4 + 7 p1b_739.018 und einmal 5 + 5 + 5. Von den neueren Dichtern hat die Strophe p1b_739.019 schöne Anwendung gefunden bei Goethe, Lenau und bei Rückert, der p1b_739.020 noch in seiner allerletzten Zeit in ihr dichtete; ferner bei Gustav p1b_739.021 Pfarrius, dem beliebten Dichter des Nahethals, und bei Kobell, dem p1b_739.022 berühmten Pfälzerdialekt-Dichter. Wiederholungen des gleichen Schemas p1b_739.023 finden sich nirgends. p1b_739.024 Formen der fünfzehnzeiligen Strophe. p1b_739.025 1. a a a a a a a a a a a a a a a. p1b_739.026 Beispiel: p1b_739.027 Bächlein, laß dein Rauschen sein! p1b_739.028 Räder, stellt euer Brausen ein! p1b_739.029 All ihr muntern Waldvögelein, p1b_739.030 Groß und klein, p1b_739.031 Endet eure Melodein! p1b_739.032 Durch den Hain p1b_739.033 Aus und ein p1b_739.034 Schalle heut' ein Reim allein: p1b_739.035 Die geliebte Müllerin ist mein! p1b_739.036 Mein! p1b_739.037 Frühling, sind das alle deine Blümelein? p1b_739.038 Sonne, hast du keinen hellern Schein? p1b_739.039 Ach, so muß ich ganz allein p1b_739.040 Mit dem seligen Worte mein p1b_739.041 Unverstanden in der Schöpfung sein! p1b_739.042 (Wilh. Müllers „Mein!“ I. 28.) p1b_739.043 2. a a a a a │ b b b b b │ c c c c c. p1b_739.044 Beispiel: Schulmeister von Eßlingen (Hagens Minnes. II. 139. 9).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/773
Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 739. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/773>, abgerufen am 24.05.2024.