Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_574.001 Als, wie du mir selbst gedroht, p1b_574.002 Dir als Anwalt dar sich bot p1b_574.003 Gute Sach' und mir die schlechte; p1b_574.004 Daß mir bangt, wie ich verfechte p1b_574.005 Falschheit gegen Treu' im Tod. p1b_574.006 Dennoch sprech' ich exeipierend: p1b_574.007 Wenn ein edles Herz es giebt, p1b_574.008 Das uneigennützig liebt, p1b_574.009 Jm Geliebten sich verlierend; p1b_574.010 Dieses, sich mit Demut zierend, p1b_574.011 Trägt Entsagung ohne Fluch, p1b_574.012 Wenn die Braut statt Leichentuch p1b_574.013 Fremder Hochzeitschleier schmücket, p1b_574.014 Und es fühlt sich selbst beglücket, p1b_574.015 Wenn sie's ist durch Treuebruch. p1b_574.016 Ferner: Wenn's ein Herz kann geben, p1b_574.017 Von so sanfter Blumnatur, p1b_574.018 Das aus liebem Antlitz nur p1b_574.019 Wie aus Sonnen saugt sein Leben; p1b_574.020 Wenn die Sonnen ihm entschweben p1b_574.021 Jn die lange Nacht, den Tod, p1b_574.022 Leuchtet ihm kein Morgenrot; p1b_574.023 Doch so lang die Augen funkeln, p1b_574.024 Mag auch Untreu sie verdunkeln, p1b_574.025 Leben kann es doch zur Not. p1b_574.026 Endlich, wer mit solchen Flammen p1b_574.027 Liebt, wie ich zwar selber nicht, p1b_574.028 Daß er denkt, was heut zerbricht, p1b_574.029 Wächst auf morgen neu zusammen; p1b_574.030 Der verschmerzt des Treubruchs Schrammen p1b_574.031 Leicht, aus Hoffnung zum Versuch, p1b_574.032 Ob sich heilen läßt der Bruch; p1b_574.033 Aber mit gebrochnem Herzen p1b_574.034 Läßt sich ganz und gar nicht scherzen; p1b_574.035 Drum: Eh'r falsch als tot! mein Spruch. p1b_574.036 § 176. Kancion. p1b_574.037 p1b_574.041 p1b_574.001 Als, wie du mir selbst gedroht, p1b_574.002 Dir als Anwalt dar sich bot p1b_574.003 Gute Sach' und mir die schlechte; p1b_574.004 Daß mir bangt, wie ich verfechte p1b_574.005 Falschheit gegen Treu' im Tod. p1b_574.006 Dennoch sprech' ich exeipierend: p1b_574.007 Wenn ein edles Herz es giebt, p1b_574.008 Das uneigennützig liebt, p1b_574.009 Jm Geliebten sich verlierend; p1b_574.010 Dieses, sich mit Demut zierend, p1b_574.011 Trägt Entsagung ohne Fluch, p1b_574.012 Wenn die Braut statt Leichentuch p1b_574.013 Fremder Hochzeitschleier schmücket, p1b_574.014 Und es fühlt sich selbst beglücket, p1b_574.015 Wenn sie's ist durch Treuebruch. p1b_574.016 Ferner: Wenn's ein Herz kann geben, p1b_574.017 Von so sanfter Blumnatur, p1b_574.018 Das aus liebem Antlitz nur p1b_574.019 Wie aus Sonnen saugt sein Leben; p1b_574.020 Wenn die Sonnen ihm entschweben p1b_574.021 Jn die lange Nacht, den Tod, p1b_574.022 Leuchtet ihm kein Morgenrot; p1b_574.023 Doch so lang die Augen funkeln, p1b_574.024 Mag auch Untreu sie verdunkeln, p1b_574.025 Leben kann es doch zur Not. p1b_574.026 Endlich, wer mit solchen Flammen p1b_574.027 Liebt, wie ich zwar selber nicht, p1b_574.028 Daß er denkt, was heut zerbricht, p1b_574.029 Wächst auf morgen neu zusammen; p1b_574.030 Der verschmerzt des Treubruchs Schrammen p1b_574.031 Leicht, aus Hoffnung zum Versuch, p1b_574.032 Ob sich heilen läßt der Bruch; p1b_574.033 Aber mit gebrochnem Herzen p1b_574.034 Läßt sich ganz und gar nicht scherzen; p1b_574.035 Drum: Eh'r falsch als tot! mein Spruch. p1b_574.036 § 176. 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Drum: Eh'r falsch als tot! mein
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Die zwei oder drei Strophen dieser aus Spanien stammenden p1b_574.038
lyrischen Form haben zusammengenommen 12 bis 24 (oder auch zuweilen p1b_574.039
mehr) trochäische Verszeilen, von welchen die 4 ersten mit den 4 letzten p1b_574.040
─ geringe Abweichungen abgerechnet ─ meist übereinstimmen.
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Die erste Strophe, welche das 3= bis 5zeilige Thema oder den Hauptgedanken p1b_574.042
enthält, ist in der Regel die kleinere; die folgenden Strophen, welche p1b_574.043
mit den Reimwörtern dieser ersten Strophe endigen, sind bedeutend länger. p1b_574.044
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