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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Für diese Art von Dichtungen, die Widersprüche einander gegenüber p1b_485.002
stellen, paßt der gleichsam in seiner eigenen Parodie erscheinende Reim, der p1b_485.003
die poetische Form mit dem prosaischen Stoff verbindet. Selbstverständlich sind p1b_485.004
in dieser Verbindung Rhythmus und Reim oft gezwungen, willkürlich und spröde, p1b_485.005
doch würden reine Formen zu dem komischen, losen Jnhalte wenig passen.

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Rekapitulation.

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Fassen wir Alles zusammen, was für Würdigung des heutigen Reimes p1b_485.008
im Gegensatz zum Otfriedschen Reim in Betracht kommt, so erhellt, daß derselbe p1b_485.009
nach und nach eine hohe Zierde der deutschen Rede geworden p1b_485.010
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ebenso daß er durch inhaltliche Verbindung zweier p1b_485.011
zusammengehöriger Verse nunmehr zur Gliederung und Einprägung p1b_485.012
des Gedichts beiträgt, daß er den ästhetischen Genuß erhöht p1b_485.013
und vollen Zauber sprachlicher Schönheit erschließt.
(Vgl. S. 389 d. B.)

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Rückert sagt über den so zur Schönheit und Vollendung gelangten heutigen p1b_485.015
Reim treffend:

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Anmutig werden selbst alltägliche Sentenzen p1b_485.017
Jm Silberwasserfall melodischer Kadenzen.
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(Weisheit des Brahm. I. 58.)

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Und seine Bedeutung illustriert er im nachfolgenden Gedicht:

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Was sich läßt in Prosa schreiben, p1b_485.021
Sollt ihr nicht zum Verse treiben, p1b_485.022
Laßt vergebne Mühe bleiben!
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Die historische Romanze, p1b_485.024
Einzeln oder gar im Kranze, p1b_485.025
Jst nicht meine Lieblingspflanze.
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Und wer bannt in Reimes Schranken p1b_485.027
Philosophische Gedanken, p1b_485.028
Dem werd ich's noch minder danken.
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Doch, ich fürchte, meine Sprüche, p1b_485.030
Stammend aus derselben Küche, p1b_485.031
Gehn somit auch in die Brüche.
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Nein, sie sind zur Form geboren: p1b_485.033
Wo sie nicht die Form erkoren, p1b_485.034
Wär' ihr Jnhalt mit verloren.
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Darum muß der Reim sie ketten, p1b_485.036
Weil sie sonst kein Wesen hätten, p1b_485.037
Würde nicht der Reim es retten.
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Manches scheint in Versen eigen, p1b_485.039
Was man würd' als Nichts verschweigen, p1b_485.040
Sollte man's in Prosa zeigen.

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Schopenhauer urteilt von unseren Reimen, daß sie durch ihre unbeschreiblich p1b_485.042
emphatische Wirkung die Empfindung erregen, als ob der darin ausgedrückte p1b_485.043
Gedanke schon in der Sprache prädestiniert, ja, präformiert gelegen habe und p1b_485.044
der Dichter ihn nur herauszufördern gehabt hätte.

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Rückert sagt über den so zur Schönheit und Vollendung gelangten heutigen p1b_485.015
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Anmutig werden selbst alltägliche Sentenzen p1b_485.017
Jm Silberwasserfall melodischer Kadenzen.
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(Weisheit des Brahm. I. 58.)

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Und seine Bedeutung illustriert er im nachfolgenden Gedicht:

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Was sich läßt in Prosa schreiben, p1b_485.021
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/519>, abgerufen am 22.11.2024.