Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_386.001 Der Schneck, der kriecht zum Haus heraus, p1b_386.002 p1b_386.005O je! p1b_386.003 Und jagt die Schneider zum Tempel hinaus, p1b_386.004 O je, o je, o je! (Volkslied. Nach Simrock, Die deutsch. Volksb. VIII, 447.) p1b_386.006 p1b_386.007 Kaiser Napoleon, p1b_386.009 Da er dem Rhein zuzog, p1b_386.010 Und, als er nun entflohn, p1b_386.011 Gesiegt zu haben log; p1b_386.012 Ließ er von dannen p1b_386.013 Zwanzig Kriegsfahnen p1b_386.014 Tragen nach Parise p1b_386.015 Zur Kaiserin Marie Luise. p1b_386.016 Meine Frau Kaiserin, p1b_386.017 Die Fahnen schick ich euch, p1b_386.018 Weil ich der Sieger bin; p1b_386.019 Sie sind von deutschem Zeug, p1b_386.020 Weil ihr, indessen p1b_386.021 Jch an der Elb' bin gesessen, p1b_386.022 So gut habt hausgehalten, p1b_386.023 Sollt ihr zum Dank sie behalten. p1b_386.024 Die Kaisrin sieht sie an, p1b_386.025 Spricht mit bedächtgem Mut: p1b_386.026 "Ach, mancher deutsche Mann p1b_386.027 Ließ wohl daran sein Blut. p1b_386.028 Doch nein, ach neine, p1b_386.029 Sie sind ja ganz reine; p1b_386.030 Jch seh' es an den Nahten, p1b_386.031 Die sind nicht von deutschem Faden. p1b_386.032 Du, sag mir an geschwind, p1b_386.033 Wo sind die Fahnen her? p1b_386.034 Bin selbst ein deutsches Kind; p1b_386.035 Was deutsch ist, kenn' ich eh'r." p1b_386.036 Ach, wenn ihr nicht wollet p1b_386.037 Zürnen, so sollet p1b_386.038 Jhr hören alles zusammen, p1b_386.039 Woher die Fahnen stammen. p1b_386.040 Wir waren gar zu schnell p1b_386.041 Auf unsrem Siegeslauf; p1b_386.042 Kein deutscher Kriegsgesell p1b_386.043 Bot uns 'ne Fahn' zum Kauf: p1b_386.044 Da mußten die Sachen p1b_386.045 Wir selber uns machen; p1b_386.046 Wir hatten genug am Flicken, p1b_386.047 Und dachten nicht dran, sie zu sticken. p1b_386.048
So sind sie unecht zwar, p1b_386.049 Was dieses anbelangt, p1b_386.050 Doch wenn so ganz und gar p1b_386.051 Nach echten euch verlangt, p1b_386.001 Der Schneck, der kriecht zum Haus heraus, p1b_386.002 p1b_386.005O je! p1b_386.003 Und jagt die Schneider zum Tempel hinaus, p1b_386.004 O je, o je, o je! (Volkslied. Nach Simrock, Die deutsch. Volksb. VIII, 447.) p1b_386.006 p1b_386.007 Kaiser Napoleon, p1b_386.009 Da er dem Rhein zuzog, p1b_386.010 Und, als er nun entflohn, p1b_386.011 Gesiegt zu haben log; p1b_386.012 Ließ er von dannen p1b_386.013 Zwanzig Kriegsfahnen p1b_386.014 Tragen nach Parise p1b_386.015 Zur Kaiserin Marie Luise. p1b_386.016 Meine Frau Kaiserin, p1b_386.017 Die Fahnen schick ich euch, p1b_386.018 Weil ich der Sieger bin; p1b_386.019 Sie sind von deutschem Zeug, p1b_386.020 Weil ihr, indessen p1b_386.021 Jch an der Elb' bin gesessen, p1b_386.022 So gut habt hausgehalten, p1b_386.023 Sollt ihr zum Dank sie behalten. p1b_386.024 Die Kaisrin sieht sie an, p1b_386.025 Spricht mit bedächtgem Mut: p1b_386.026 „Ach, mancher deutsche Mann p1b_386.027 Ließ wohl daran sein Blut. p1b_386.028 Doch nein, ach neine, p1b_386.029 Sie sind ja ganz reine; p1b_386.030 Jch seh' es an den Nahten, p1b_386.031 Die sind nicht von deutschem Faden. p1b_386.032 Du, sag mir an geschwind, p1b_386.033 Wo sind die Fahnen her? p1b_386.034 Bin selbst ein deutsches Kind; p1b_386.035 Was deutsch ist, kenn' ich eh'r.“ p1b_386.036 Ach, wenn ihr nicht wollet p1b_386.037 Zürnen, so sollet p1b_386.038 Jhr hören alles zusammen, p1b_386.039 Woher die Fahnen stammen. p1b_386.040 Wir waren gar zu schnell p1b_386.041 Auf unsrem Siegeslauf; p1b_386.042 Kein deutscher Kriegsgesell p1b_386.043 Bot uns 'ne Fahn' zum Kauf: p1b_386.044 Da mußten die Sachen p1b_386.045 Wir selber uns machen; p1b_386.046 Wir hatten genug am Flicken, p1b_386.047 Und dachten nicht dran, sie zu sticken. p1b_386.048
So sind sie unecht zwar, p1b_386.049 Was dieses anbelangt, p1b_386.050 Doch wenn so ganz und gar p1b_386.051 Nach echten euch verlangt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0420" n="386"/> <lb n="p1b_386.001"/> <lg> <l>Der Schneck, der kriecht zum Haus heraus,</l> <lb n="p1b_386.002"/> <l> O je!</l> <lb n="p1b_386.003"/> <l>Und jagt die Schneider zum Tempel hinaus,</l> <lb n="p1b_386.004"/> <l> O je, o je, o je!</l> </lg> <lb n="p1b_386.005"/> <p> <hi rendition="#right">(Volkslied. Nach Simrock, Die deutsch. Volksb. <hi rendition="#aq">VIII</hi>, 447.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_386.006"/> Vgl. einzelne Beispiele unter Volkslied, Bd. <hi rendition="#aq">II</hi> dieses Werks.</p> <p> <lb n="p1b_386.007"/> <hi rendition="#g">Beispiele des veredelten freien Volksverses:</hi> </p> <lb n="p1b_386.008"/> <lg> <l>Kaiser Napoleon,</l> <lb n="p1b_386.009"/> <l>Da er dem Rhein zuzog,</l> <lb n="p1b_386.010"/> <l>Und, als er nun entflohn,</l> <lb n="p1b_386.011"/> <l>Gesiegt zu haben log;</l> <lb n="p1b_386.012"/> <l>Ließ er von dannen</l> <lb n="p1b_386.013"/> <l>Zwanzig Kriegsfahnen</l> <lb n="p1b_386.014"/> <l>Tragen nach Parise</l> <lb n="p1b_386.015"/> <l>Zur Kaiserin Marie Luise. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_386.016"/> <l>Meine Frau Kaiserin,</l> <lb n="p1b_386.017"/> <l>Die Fahnen schick ich euch,</l> <lb n="p1b_386.018"/> <l>Weil ich der Sieger bin;</l> <lb n="p1b_386.019"/> <l>Sie sind von deutschem Zeug,</l> <lb n="p1b_386.020"/> <l>Weil ihr, indessen</l> <lb n="p1b_386.021"/> <l>Jch an der Elb' bin gesessen,</l> <lb n="p1b_386.022"/> <l>So gut habt hausgehalten,</l> <lb n="p1b_386.023"/> <l>Sollt ihr zum Dank sie behalten. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_386.024"/> <l>Die Kaisrin sieht sie an,</l> <lb n="p1b_386.025"/> <l>Spricht mit bedächtgem Mut:</l> <lb n="p1b_386.026"/> <l>„Ach, mancher deutsche Mann</l> <lb n="p1b_386.027"/> <l>Ließ wohl daran sein Blut.</l> <lb n="p1b_386.028"/> <l>Doch nein, ach neine,</l> <lb n="p1b_386.029"/> <l>Sie sind ja ganz reine;</l> <lb n="p1b_386.030"/> <l>Jch seh' es an den Nahten,</l> <lb n="p1b_386.031"/> <l>Die sind nicht von deutschem Faden. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_386.032"/> <l>Du, sag mir an geschwind,</l> <lb n="p1b_386.033"/> <l>Wo sind die Fahnen her?</l> <lb n="p1b_386.034"/> <l>Bin selbst ein deutsches Kind;</l> <lb n="p1b_386.035"/> <l>Was deutsch ist, kenn' ich eh'r.“</l> <lb n="p1b_386.036"/> <l>Ach, wenn ihr nicht wollet</l> <lb n="p1b_386.037"/> <l>Zürnen, so sollet</l> <lb n="p1b_386.038"/> <l>Jhr hören alles zusammen,</l> <lb n="p1b_386.039"/> <l>Woher die Fahnen stammen. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_386.040"/> <l>Wir waren gar zu schnell</l> <lb n="p1b_386.041"/> <l>Auf unsrem Siegeslauf;</l> <lb n="p1b_386.042"/> <l>Kein deutscher Kriegsgesell</l> <lb n="p1b_386.043"/> <l>Bot uns 'ne Fahn' zum Kauf:</l> <lb n="p1b_386.044"/> <l>Da mußten die Sachen</l> <lb n="p1b_386.045"/> <l>Wir selber uns machen;</l> <lb n="p1b_386.046"/> <l>Wir hatten genug am Flicken,</l> <lb n="p1b_386.047"/> <l>Und dachten nicht dran, sie zu sticken. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_386.048"/> <l>So sind sie unecht zwar,</l> <lb n="p1b_386.049"/> <l>Was dieses anbelangt,</l> <lb n="p1b_386.050"/> <l>Doch wenn so ganz und gar</l> <lb n="p1b_386.051"/> <l>Nach echten euch verlangt,</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [386/0420]
p1b_386.001
Der Schneck, der kriecht zum Haus heraus, p1b_386.002
O je! p1b_386.003
Und jagt die Schneider zum Tempel hinaus, p1b_386.004
O je, o je, o je!
p1b_386.005
(Volkslied. Nach Simrock, Die deutsch. Volksb. VIII, 447.)
p1b_386.006
Vgl. einzelne Beispiele unter Volkslied, Bd. II dieses Werks.
p1b_386.007
Beispiele des veredelten freien Volksverses:
p1b_386.008
Kaiser Napoleon, p1b_386.009
Da er dem Rhein zuzog, p1b_386.010
Und, als er nun entflohn, p1b_386.011
Gesiegt zu haben log; p1b_386.012
Ließ er von dannen p1b_386.013
Zwanzig Kriegsfahnen p1b_386.014
Tragen nach Parise p1b_386.015
Zur Kaiserin Marie Luise.
p1b_386.016
Meine Frau Kaiserin, p1b_386.017
Die Fahnen schick ich euch, p1b_386.018
Weil ich der Sieger bin; p1b_386.019
Sie sind von deutschem Zeug, p1b_386.020
Weil ihr, indessen p1b_386.021
Jch an der Elb' bin gesessen, p1b_386.022
So gut habt hausgehalten, p1b_386.023
Sollt ihr zum Dank sie behalten.
p1b_386.024
Die Kaisrin sieht sie an, p1b_386.025
Spricht mit bedächtgem Mut: p1b_386.026
„Ach, mancher deutsche Mann p1b_386.027
Ließ wohl daran sein Blut. p1b_386.028
Doch nein, ach neine, p1b_386.029
Sie sind ja ganz reine; p1b_386.030
Jch seh' es an den Nahten, p1b_386.031
Die sind nicht von deutschem Faden.
p1b_386.032
Du, sag mir an geschwind, p1b_386.033
Wo sind die Fahnen her? p1b_386.034
Bin selbst ein deutsches Kind; p1b_386.035
Was deutsch ist, kenn' ich eh'r.“ p1b_386.036
Ach, wenn ihr nicht wollet p1b_386.037
Zürnen, so sollet p1b_386.038
Jhr hören alles zusammen, p1b_386.039
Woher die Fahnen stammen.
p1b_386.040
Wir waren gar zu schnell p1b_386.041
Auf unsrem Siegeslauf; p1b_386.042
Kein deutscher Kriegsgesell p1b_386.043
Bot uns 'ne Fahn' zum Kauf: p1b_386.044
Da mußten die Sachen p1b_386.045
Wir selber uns machen; p1b_386.046
Wir hatten genug am Flicken, p1b_386.047
Und dachten nicht dran, sie zu sticken.
p1b_386.048
So sind sie unecht zwar, p1b_386.049
Was dieses anbelangt, p1b_386.050
Doch wenn so ganz und gar p1b_386.051
Nach echten euch verlangt,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |