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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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zeigt, wie der glückliche Naturtrieb der Sprache oft an unscheinbaren Vorkommnissen p1b_114.002
und zufälligen Namen den Stoff zu neuen begrifflichen Bildungen - zu p1b_114.003
Neologismen - herausfindet. Jch will dies an Beispielen erhärten:

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(Geschichtliche Entstehung und Beleuchtung einzelner p1b_114.005
Neologismen.
) Wie der "Chauvinismus" der Franzosen nach dem Namen p1b_114.006
des prahlenden bonapartistischen Soldaten Chauvin in der Scribeschen Komödie p1b_114.007
"le soldat laboureur" seine Taufe erhalten hat, so soll unser "Bramarbasieren" p1b_114.008
nach einem Maulhelden Bramarbas aus einem dänischen Lustspiel benannt sein p1b_114.009
(bramne heißt im Dänischen prahlen). Der Ausdruck ramponiert oder p1b_114.010
(wie man in Köln sagt) ramponeert, stammt vom Wirt Rampon in den elysäischen p1b_114.011
Feldern, aus dessen Weinstube Mancher in dem Zustande zu kommen p1b_114.012
pflegte, welchen bei Junker Tobias schon früh am Tage anzutreffen Dame Olivia p1b_114.013
sich verwundert, wobei Wams und Hut mitunter aus der Form gerieten. Die p1b_114.014
Bezeichnung patois für Volkssprache, "platt", rührt von Padua her, dessen p1b_114.015
Bewohner wegen ihrer Mundart (patavinitas) schon den Römern Stoff zum p1b_114.016
Humor gaben, wie selbst Livius eingestand, in dessen Geschichtswerk sie den Zeitgenossen p1b_114.017
nicht entging. - Bei Benennung politischer und religiöser Parteien p1b_114.018
hat der Zufall, dessen Hilfe die Sprache in ihrem Aufbau nicht verschmäht, p1b_114.019
mitgespielt. Der verächtliche Ausspruch des Rats der Regentin Margareta p1b_114.020
von Parma: "ce n'est qu'un tas de gueux" gab Anlaß zum sprachlichen p1b_114.021
Bannerwort: Geusen. Ausdrücken wie Tories und Whigs, beide von gewöhnlicher p1b_114.022
Herkunft, Frondeurs, von fronde die Schleuder, Jacobiner, nach p1b_114.023
dem Kloster ihrer Versammlung u. s. w. hat die Geschichte den Stempel der p1b_114.024
Gemeingültigkeit aufgedrückt, ohne nach den einzelnen Sprachen zu fragen. Historia p1b_114.025
supra grammaticam
! (Wir können Bezeichnungen der obigen Art ohne Verlust p1b_114.026
ebenso wenig ersetzen wie die Gestalten, welche die Sprache in jenen Zauberbildern p1b_114.027
uns vorführt, die man Redefiguren (== Tropen) nennt, und die nicht p1b_114.028
selten von dem lebendigen Odem des Geistes beseelt, folglich - außer für die p1b_114.029
Kraft, die sie geschaffen - unantastbar sind.) Bureau heißt ursprünglich p1b_114.030
nur das grobe, in der Regel grüne Tuch, mit welchem der Schreibtisch überzogen p1b_114.031
war; das Wort ging dann auf den Schreibtisch selbst über (Cylinderbureau); p1b_114.032
demnächst auf das Zimmer und besonders auf die Amtsstube, von p1b_114.033
welcher aus es der stetig zunehmenden Begriffserweiterung wie der Schatten p1b_114.034
dem Körper folgte, und zwar in den Ausdrücken: Bureauwesen, Bureaumensch, p1b_114.035
Bureauverfassung, Bureaukratie &c. Eine ähnliche Laufbahn machte das Wort p1b_114.036
Budget durch, welches ursprünglich die Reisetasche bedeutete. Ebenso hat sich p1b_114.037
das bescheidene Portefeuille zur Gleichbedeutung mit Ministeramt aufgeschwungen. p1b_114.038
Welche Bedeutung hat der Stil erreicht: der unscheinbare Griffel! p1b_114.039
Ein anderes Stäbchen die fibula, diente dazu, die Kinder beim Unterricht p1b_114.040
auf die Buchstaben hinzuweisen, und ward Taufpate unserer Fibel. - Die p1b_114.041
Bremse an unsern Eisenbahnwagen hat sich durch den Ton eingeführt den p1b_114.042
das Anziehen der Hemmvorrichtung verursachte. Page ist eine ganz entsprechende p1b_114.043
Benennung für den Kleiderschürzer der Damen. - Die Kinder, in denen bekanntlich p1b_114.044
der Sprachtrieb sehr rege ist, sagen Zuckersine für Rosine, und sie

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zeigt, wie der glückliche Naturtrieb der Sprache oft an unscheinbaren Vorkommnissen p1b_114.002
und zufälligen Namen den Stoff zu neuen begrifflichen Bildungen ─ zu p1b_114.003
Neologismen ─ herausfindet. Jch will dies an Beispielen erhärten:

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(Geschichtliche Entstehung und Beleuchtung einzelner p1b_114.005
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/148>, abgerufen am 24.11.2024.