Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Feststellung des Gegenstandes.
naleigenthümlichkeiten vertragen konnte, wie es denn diese Probe
wirklich schon in dem römischen, aus den mannigfaltigsten
Volkscharakteren zusammengesetzten Reich bestanden hatte*)."
v. Savigny äußert sich über denselben Gegenstand folgender
Maaßen:
"Der größte und merkwürdigste Act eines allgemeinen
Gewohnheitsrechts in diesem Anfang der neuen Zeit war
eben die Reception des Römischen Rechts selbst. -- --
Diese Reception aber hatte eine verschiedene Bedeutung in
verschiedenen Nationen des neueren Europa, so daß die
daraus hervorgehende Neuerung des Rechtszustandes in
sehr verschiedenen Graden fühlbar werden mußte. In Ita-
lien war das Justinianische Recht niemals verschwunden:
neu war also hier nur theils dessen Wiederbelebung, theils
die eigenthümliche und bestimmte Begränzung, in welcher
es nunmehr anerkannt wurde. In Frankreich war zwar
auch das Römische Recht nicht verschwunden, aber die be-
sondere Gestalt desselben in der Justinianischen Gesetzgebung
war hier schon völlig neu. Weit fühlbarer aber mußte
jene Reception in Deutschland werden, wo das Römische
Recht selbst ein ganz neues, bisher unbekanntes Rechtsele-
ment war: freilich den neu entstandenen Lebensverhältnis-
sen angemessen, da es nur dadurch Eingang finden konnte.
Gerade hier nun ging ein langer und lebhafter Widerstreit
der entschiedenen Reception vorher, und dadurch wurde
diese Einwirkung des Gewohnheitsrechts sowohl vorbereitet
als constatirt**)."


*) G. F. Puchta, das Gewohnheitsrecht. Th. 1. S. 202.
**) C. F. von Savigny, System des heutigen römischen Rechts.
Band 1 S. 78. 79.

Feſtſtellung des Gegenſtandes.
naleigenthuͤmlichkeiten vertragen konnte, wie es denn dieſe Probe
wirklich ſchon in dem roͤmiſchen, aus den mannigfaltigſten
Volkscharakteren zuſammengeſetzten Reich beſtanden hatte*).“
v. Savigny aͤußert ſich uͤber denſelben Gegenſtand folgender
Maaßen:
„Der groͤßte und merkwuͤrdigſte Act eines allgemeinen
Gewohnheitsrechts in dieſem Anfang der neuen Zeit war
eben die Reception des Roͤmiſchen Rechts ſelbſt. — —
Dieſe Reception aber hatte eine verſchiedene Bedeutung in
verſchiedenen Nationen des neueren Europa, ſo daß die
daraus hervorgehende Neuerung des Rechtszuſtandes in
ſehr verſchiedenen Graden fuͤhlbar werden mußte. In Ita-
lien war das Juſtinianiſche Recht niemals verſchwunden:
neu war alſo hier nur theils deſſen Wiederbelebung, theils
die eigenthuͤmliche und beſtimmte Begraͤnzung, in welcher
es nunmehr anerkannt wurde. In Frankreich war zwar
auch das Roͤmiſche Recht nicht verſchwunden, aber die be-
ſondere Geſtalt deſſelben in der Juſtinianiſchen Geſetzgebung
war hier ſchon voͤllig neu. Weit fuͤhlbarer aber mußte
jene Reception in Deutſchland werden, wo das Roͤmiſche
Recht ſelbſt ein ganz neues, bisher unbekanntes Rechtsele-
ment war: freilich den neu entſtandenen Lebensverhaͤltniſ-
ſen angemeſſen, da es nur dadurch Eingang finden konnte.
Gerade hier nun ging ein langer und lebhafter Widerſtreit
der entſchiedenen Reception vorher, und dadurch wurde
dieſe Einwirkung des Gewohnheitsrechts ſowohl vorbereitet
als conſtatirt**).“


*) G. F. Puchta, das Gewohnheitsrecht. Th. 1. S. 202.
**) C. F. von Savigny, Syſtem des heutigen roͤmiſchen Rechts.
Band 1 S. 78. 79.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#et"><pb facs="#f0085" n="73"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fe&#x017F;t&#x017F;tellung des Gegen&#x017F;tandes</hi>.</fw><lb/>
naleigenthu&#x0364;mlichkeiten vertragen konnte, wie es denn die&#x017F;e Probe<lb/>
wirklich &#x017F;chon in dem ro&#x0364;mi&#x017F;chen, aus den mannigfaltig&#x017F;ten<lb/>
Volkscharakteren zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten Reich be&#x017F;tanden hatte<note place="foot" n="*)">G. F. Puchta, das Gewohnheitsrecht. Th. 1. S. 202.</note>.&#x201C;</hi><lb/>
v. Savigny a&#x0364;ußert &#x017F;ich u&#x0364;ber den&#x017F;elben Gegen&#x017F;tand folgender<lb/>
Maaßen:<lb/><hi rendition="#et">&#x201E;Der gro&#x0364;ßte und merkwu&#x0364;rdig&#x017F;te Act eines allgemeinen<lb/>
Gewohnheitsrechts in die&#x017F;em Anfang der neuen Zeit war<lb/>
eben die Reception des Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechts &#x017F;elb&#x017F;t. &#x2014; &#x2014;<lb/>
Die&#x017F;e Reception aber hatte eine ver&#x017F;chiedene Bedeutung in<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Nationen des neueren Europa, &#x017F;o daß die<lb/>
daraus hervorgehende Neuerung des Rechtszu&#x017F;tandes in<lb/>
&#x017F;ehr ver&#x017F;chiedenen Graden fu&#x0364;hlbar werden mußte. In Ita-<lb/>
lien war das Ju&#x017F;tiniani&#x017F;che Recht niemals ver&#x017F;chwunden:<lb/>
neu war al&#x017F;o hier nur theils de&#x017F;&#x017F;en Wiederbelebung, theils<lb/>
die eigenthu&#x0364;mliche und be&#x017F;timmte Begra&#x0364;nzung, in welcher<lb/>
es nunmehr anerkannt wurde. In Frankreich war zwar<lb/>
auch das Ro&#x0364;mi&#x017F;che Recht nicht ver&#x017F;chwunden, aber die be-<lb/>
&#x017F;ondere Ge&#x017F;talt de&#x017F;&#x017F;elben in der Ju&#x017F;tiniani&#x017F;chen Ge&#x017F;etzgebung<lb/>
war hier &#x017F;chon vo&#x0364;llig neu. Weit fu&#x0364;hlbarer aber mußte<lb/>
jene Reception in Deut&#x017F;chland werden, wo das Ro&#x0364;mi&#x017F;che<lb/>
Recht &#x017F;elb&#x017F;t ein ganz neues, bisher unbekanntes Rechtsele-<lb/>
ment war: freilich den neu ent&#x017F;tandenen Lebensverha&#x0364;ltni&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en angeme&#x017F;&#x017F;en, da es nur dadurch Eingang finden konnte.<lb/>
Gerade hier nun ging ein langer und lebhafter Wider&#x017F;treit<lb/>
der ent&#x017F;chiedenen Reception vorher, und dadurch wurde<lb/>
die&#x017F;e Einwirkung des Gewohnheitsrechts &#x017F;owohl vorbereitet<lb/>
als con&#x017F;tatirt<note place="foot" n="**)">C. F. von Savigny, Sy&#x017F;tem des heutigen ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechts.<lb/>
Band 1 S. 78. 79.</note>.&#x201C;</hi></p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0085] Feſtſtellung des Gegenſtandes. naleigenthuͤmlichkeiten vertragen konnte, wie es denn dieſe Probe wirklich ſchon in dem roͤmiſchen, aus den mannigfaltigſten Volkscharakteren zuſammengeſetzten Reich beſtanden hatte *).“ v. Savigny aͤußert ſich uͤber denſelben Gegenſtand folgender Maaßen: „Der groͤßte und merkwuͤrdigſte Act eines allgemeinen Gewohnheitsrechts in dieſem Anfang der neuen Zeit war eben die Reception des Roͤmiſchen Rechts ſelbſt. — — Dieſe Reception aber hatte eine verſchiedene Bedeutung in verſchiedenen Nationen des neueren Europa, ſo daß die daraus hervorgehende Neuerung des Rechtszuſtandes in ſehr verſchiedenen Graden fuͤhlbar werden mußte. In Ita- lien war das Juſtinianiſche Recht niemals verſchwunden: neu war alſo hier nur theils deſſen Wiederbelebung, theils die eigenthuͤmliche und beſtimmte Begraͤnzung, in welcher es nunmehr anerkannt wurde. In Frankreich war zwar auch das Roͤmiſche Recht nicht verſchwunden, aber die be- ſondere Geſtalt deſſelben in der Juſtinianiſchen Geſetzgebung war hier ſchon voͤllig neu. Weit fuͤhlbarer aber mußte jene Reception in Deutſchland werden, wo das Roͤmiſche Recht ſelbſt ein ganz neues, bisher unbekanntes Rechtsele- ment war: freilich den neu entſtandenen Lebensverhaͤltniſ- ſen angemeſſen, da es nur dadurch Eingang finden konnte. Gerade hier nun ging ein langer und lebhafter Widerſtreit der entſchiedenen Reception vorher, und dadurch wurde dieſe Einwirkung des Gewohnheitsrechts ſowohl vorbereitet als conſtatirt **).“ *) G. F. Puchta, das Gewohnheitsrecht. Th. 1. S. 202. **) C. F. von Savigny, Syſtem des heutigen roͤmiſchen Rechts. Band 1 S. 78. 79.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/85
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/85>, abgerufen am 07.05.2024.