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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Umfang der Geltung des Juristenrechts.
nicht bloß als Gerichtshof so einflußreiche Reichshofrath mit
ihnen besetzt war. Erst in neuerer Zeit, und namentlich nach
Beseitigung der Napoleonischen Gewaltherrschaft, ist in den
allgemeinen deutschen Angelegenheiten statt der alten publici-
stischen Deduction die Erwägung nach Rücksichten der hohen
Politik üblich geworden, d. h. die diplomatische Behandlung
völkerrechtlicher Fragen ward auch auf die staatsrechtlichen über-
tragen, wodurch diesen aber der Charakter rechtlicher Sicherheit
zum guten Theile entzogen werden mußte. -- Erscheint es
aber aus diesen Gründen schon erklärlich, warum für das
Staatsrecht weniger, als für andere Rechtstheile von einem
Juristenrecht die Rede seyn kann, so kommt noch beson-
ders in Betracht, daß es sich hier um Verhältnisse handelt,
welche mit der allgemeinen politischen Geschichte in unmittel-
barer Berührung stehen, und in sich eine Macht tragen, welche
eher geeignet ist, die juristische Ueberzeugung zu bestimmen,
als umgekehrt von ihr bestimmt zu werden. Wenn sich daher
auch in früherer Zeit einige staatsrechtliche Lehren unter dem
unmittelbaren Einfluß der Juristen entwickelt haben, und etwa
als ein Juristenrecht angesehen werden können, so erkennt man
doch bald, so wie man tiefer auf den Grund ihrer Entstehung
eingeht, daß darin ein selbständiger Bildungsproceß und na-
mentlich die Umsetzung der Territorialherrschaft in die Staats-
gewalt realisirt worden ist. Dabei ist es denn allerdings nicht
ohne arge Mißbildungen abgegangen, woran theils der traurige
Zustand des öffentlichen Wesens in Deutschland überhaupt,
theils aber auch die geringe Befähigung der Juristen für ihre
Aufgabe die Schuld tragen. Zum Beweise des Gesagten hebe
ich hier zwei Lehren hervor, die von den Regalien und von
der Thronfolge. Die erstere ist freilich bei der verworrenen

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Umfang der Geltung des Juriſtenrechts.
nicht bloß als Gerichtshof ſo einflußreiche Reichshofrath mit
ihnen beſetzt war. Erſt in neuerer Zeit, und namentlich nach
Beſeitigung der Napoleoniſchen Gewaltherrſchaft, iſt in den
allgemeinen deutſchen Angelegenheiten ſtatt der alten publici-
ſtiſchen Deduction die Erwaͤgung nach Ruͤckſichten der hohen
Politik uͤblich geworden, d. h. die diplomatiſche Behandlung
voͤlkerrechtlicher Fragen ward auch auf die ſtaatsrechtlichen uͤber-
tragen, wodurch dieſen aber der Charakter rechtlicher Sicherheit
zum guten Theile entzogen werden mußte. — Erſcheint es
aber aus dieſen Gruͤnden ſchon erklaͤrlich, warum fuͤr das
Staatsrecht weniger, als fuͤr andere Rechtstheile von einem
Juriſtenrecht die Rede ſeyn kann, ſo kommt noch beſon-
ders in Betracht, daß es ſich hier um Verhaͤltniſſe handelt,
welche mit der allgemeinen politiſchen Geſchichte in unmittel-
barer Beruͤhrung ſtehen, und in ſich eine Macht tragen, welche
eher geeignet iſt, die juriſtiſche Ueberzeugung zu beſtimmen,
als umgekehrt von ihr beſtimmt zu werden. Wenn ſich daher
auch in fruͤherer Zeit einige ſtaatsrechtliche Lehren unter dem
unmittelbaren Einfluß der Juriſten entwickelt haben, und etwa
als ein Juriſtenrecht angeſehen werden koͤnnen, ſo erkennt man
doch bald, ſo wie man tiefer auf den Grund ihrer Entſtehung
eingeht, daß darin ein ſelbſtaͤndiger Bildungsproceß und na-
mentlich die Umſetzung der Territorialherrſchaft in die Staats-
gewalt realiſirt worden iſt. Dabei iſt es denn allerdings nicht
ohne arge Mißbildungen abgegangen, woran theils der traurige
Zuſtand des oͤffentlichen Weſens in Deutſchland uͤberhaupt,
theils aber auch die geringe Befaͤhigung der Juriſten fuͤr ihre
Aufgabe die Schuld tragen. Zum Beweiſe des Geſagten hebe
ich hier zwei Lehren hervor, die von den Regalien und von
der Thronfolge. Die erſtere iſt freilich bei der verworrenen

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[339/0351] Umfang der Geltung des Juriſtenrechts. nicht bloß als Gerichtshof ſo einflußreiche Reichshofrath mit ihnen beſetzt war. Erſt in neuerer Zeit, und namentlich nach Beſeitigung der Napoleoniſchen Gewaltherrſchaft, iſt in den allgemeinen deutſchen Angelegenheiten ſtatt der alten publici- ſtiſchen Deduction die Erwaͤgung nach Ruͤckſichten der hohen Politik uͤblich geworden, d. h. die diplomatiſche Behandlung voͤlkerrechtlicher Fragen ward auch auf die ſtaatsrechtlichen uͤber- tragen, wodurch dieſen aber der Charakter rechtlicher Sicherheit zum guten Theile entzogen werden mußte. — Erſcheint es aber aus dieſen Gruͤnden ſchon erklaͤrlich, warum fuͤr das Staatsrecht weniger, als fuͤr andere Rechtstheile von einem Juriſtenrecht die Rede ſeyn kann, ſo kommt noch beſon- ders in Betracht, daß es ſich hier um Verhaͤltniſſe handelt, welche mit der allgemeinen politiſchen Geſchichte in unmittel- barer Beruͤhrung ſtehen, und in ſich eine Macht tragen, welche eher geeignet iſt, die juriſtiſche Ueberzeugung zu beſtimmen, als umgekehrt von ihr beſtimmt zu werden. Wenn ſich daher auch in fruͤherer Zeit einige ſtaatsrechtliche Lehren unter dem unmittelbaren Einfluß der Juriſten entwickelt haben, und etwa als ein Juriſtenrecht angeſehen werden koͤnnen, ſo erkennt man doch bald, ſo wie man tiefer auf den Grund ihrer Entſtehung eingeht, daß darin ein ſelbſtaͤndiger Bildungsproceß und na- mentlich die Umſetzung der Territorialherrſchaft in die Staats- gewalt realiſirt worden iſt. Dabei iſt es denn allerdings nicht ohne arge Mißbildungen abgegangen, woran theils der traurige Zuſtand des oͤffentlichen Weſens in Deutſchland uͤberhaupt, theils aber auch die geringe Befaͤhigung der Juriſten fuͤr ihre Aufgabe die Schuld tragen. Zum Beweiſe des Geſagten hebe ich hier zwei Lehren hervor, die von den Regalien und von der Thronfolge. Die erſtere iſt freilich bei der verworrenen 22*

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/351>, abgerufen am 24.11.2024.