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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Methode des Juristenrechts.
Erben anzuvertrauen. In dieser Verlegenheit half man sich
dadurch, daß gleich bei der Errichtung des Testaments eine
oder mehre Mittelspersonen ernannt wurden, denen man die
Vollstreckung desselben auftrug, also namentlich die Berichti-
gung der Vermächtnisse, und falls es dauernde Stiftungen
waren, deren Anordnung und oft auch deren Verwaltung;
außerdem aber hatten diese Mittelspersonen die Regulirung des
Nachlasses zu besorgen, Schulden zu berichtigen, Forderungen
einzutreiben, und an einigen Orten, z. B. in Lübeck, wurden
sie auch regelmäßig die Vormünder der vom Testator hinter-
lassenen Ehefrau und Kinder.

Daß man aber auf den Ausweg verfiel, sich solcher Mit-
telspersonen zu bedienen, erklärt sich leicht, wenn man sieht,
daß schon bei den deutschrechtlichen Vergabungen von Todes
wegen Salmannen zu demselben Zwecke verwandt wurden; diese
brachte man mit dem Testament in Verbindung, indem allmä-
lig ihre Bestellung durch die Auflassung in eine testamentari-
sche Ernennung überging. Außerdem aber hat, wie Pauli
neulich dargethan, wahrscheinlich auch die zuweilen vorkom-
mende Sitte, Vormünder eines Todten zu bestellen, auf die
Ausbildung des Instituts der Testamentsvollstrecker Einfluß
gehabt. Diese nun, welche allenthalben, wo man die letztwil-
ligen Verfügungen benutzte, unter sehr verschiedenen Benennun-
gen sich finden, und fast in keinem Testamente jener Zeit fehl-
ten, hatten, wie schon bemerkt, im Wesentlichen die Aufgabe,
den Erblasser nach seinem Tode formell zu repräsentiren, inso-
weit es die Vollziehung des Testaments nöthig machte oder
die Sitte und der ausdrücklich ausgesprochene Wille des Te-
stators es erheischten. Das galt als festes Recht, so lange
sich die letztwilligen Verfügungen als ein vereinzeltes Institut

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Methode des Juriſtenrechts.
Erben anzuvertrauen. In dieſer Verlegenheit half man ſich
dadurch, daß gleich bei der Errichtung des Teſtaments eine
oder mehre Mittelsperſonen ernannt wurden, denen man die
Vollſtreckung deſſelben auftrug, alſo namentlich die Berichti-
gung der Vermaͤchtniſſe, und falls es dauernde Stiftungen
waren, deren Anordnung und oft auch deren Verwaltung;
außerdem aber hatten dieſe Mittelsperſonen die Regulirung des
Nachlaſſes zu beſorgen, Schulden zu berichtigen, Forderungen
einzutreiben, und an einigen Orten, z. B. in Luͤbeck, wurden
ſie auch regelmaͤßig die Vormuͤnder der vom Teſtator hinter-
laſſenen Ehefrau und Kinder.

Daß man aber auf den Ausweg verfiel, ſich ſolcher Mit-
telsperſonen zu bedienen, erklaͤrt ſich leicht, wenn man ſieht,
daß ſchon bei den deutſchrechtlichen Vergabungen von Todes
wegen Salmannen zu demſelben Zwecke verwandt wurden; dieſe
brachte man mit dem Teſtament in Verbindung, indem allmaͤ-
lig ihre Beſtellung durch die Auflaſſung in eine teſtamentari-
ſche Ernennung uͤberging. Außerdem aber hat, wie Pauli
neulich dargethan, wahrſcheinlich auch die zuweilen vorkom-
mende Sitte, Vormuͤnder eines Todten zu beſtellen, auf die
Ausbildung des Inſtituts der Teſtamentsvollſtrecker Einfluß
gehabt. Dieſe nun, welche allenthalben, wo man die letztwil-
ligen Verfuͤgungen benutzte, unter ſehr verſchiedenen Benennun-
gen ſich finden, und faſt in keinem Teſtamente jener Zeit fehl-
ten, hatten, wie ſchon bemerkt, im Weſentlichen die Aufgabe,
den Erblaſſer nach ſeinem Tode formell zu repraͤſentiren, inſo-
weit es die Vollziehung des Teſtaments noͤthig machte oder
die Sitte und der ausdruͤcklich ausgeſprochene Wille des Te-
ſtators es erheiſchten. Das galt als feſtes Recht, ſo lange
ſich die letztwilligen Verfuͤgungen als ein vereinzeltes Inſtitut

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[323/0335] Methode des Juriſtenrechts. Erben anzuvertrauen. In dieſer Verlegenheit half man ſich dadurch, daß gleich bei der Errichtung des Teſtaments eine oder mehre Mittelsperſonen ernannt wurden, denen man die Vollſtreckung deſſelben auftrug, alſo namentlich die Berichti- gung der Vermaͤchtniſſe, und falls es dauernde Stiftungen waren, deren Anordnung und oft auch deren Verwaltung; außerdem aber hatten dieſe Mittelsperſonen die Regulirung des Nachlaſſes zu beſorgen, Schulden zu berichtigen, Forderungen einzutreiben, und an einigen Orten, z. B. in Luͤbeck, wurden ſie auch regelmaͤßig die Vormuͤnder der vom Teſtator hinter- laſſenen Ehefrau und Kinder. Daß man aber auf den Ausweg verfiel, ſich ſolcher Mit- telsperſonen zu bedienen, erklaͤrt ſich leicht, wenn man ſieht, daß ſchon bei den deutſchrechtlichen Vergabungen von Todes wegen Salmannen zu demſelben Zwecke verwandt wurden; dieſe brachte man mit dem Teſtament in Verbindung, indem allmaͤ- lig ihre Beſtellung durch die Auflaſſung in eine teſtamentari- ſche Ernennung uͤberging. Außerdem aber hat, wie Pauli neulich dargethan, wahrſcheinlich auch die zuweilen vorkom- mende Sitte, Vormuͤnder eines Todten zu beſtellen, auf die Ausbildung des Inſtituts der Teſtamentsvollſtrecker Einfluß gehabt. Dieſe nun, welche allenthalben, wo man die letztwil- ligen Verfuͤgungen benutzte, unter ſehr verſchiedenen Benennun- gen ſich finden, und faſt in keinem Teſtamente jener Zeit fehl- ten, hatten, wie ſchon bemerkt, im Weſentlichen die Aufgabe, den Erblaſſer nach ſeinem Tode formell zu repraͤſentiren, inſo- weit es die Vollziehung des Teſtaments noͤthig machte oder die Sitte und der ausdruͤcklich ausgeſprochene Wille des Te- ſtators es erheiſchten. Das galt als feſtes Recht, ſo lange ſich die letztwilligen Verfuͤgungen als ein vereinzeltes Inſtitut 21*

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/335>, abgerufen am 24.11.2024.