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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Das Volksrecht als gemeines Ständerecht.
hat; und in England, so viel ich weiß, gehen diese Institute
ganz in das common law auf, welches eben nur nach dieser
Seite hin seine besondere Ausbildung erhalten hat. -- Will man
das Handelsrecht daher ein Standesrecht der Kaufleute nen-
nen, so ist dieß doch nur in einem sehr beschränkten Sinne zu
nehmen; denn keine ausschließliche Berechtigung macht es da-
zu, sondern allein der thatsächlich begründete Umstand, daß die
Kaufleute sich vorzugsweise und in einigen Beziehungen aus-
schließlich desselben bedienen, und daß es folgeweise durch sie
und ihre Geschäfte seinen eigenthümlichen Charakter erhalten
und bewahrt hat.

Es kann aber noch besonders zur Frage kommen, ob das
Handelsrecht nur überhaupt als ein Volksrecht aufzufassen ist,
und ob es nicht vielmehr als ein Völkerrecht im Sinne des
römischen jus gentium betrachtet werden muß. Schon im 2.
Kapitel ist hierüber im Allgemeinen gehandelt und gezeigt wor-
den, daß das Volksrecht nicht nothwendig ein ausschließlich
nationales zu seyn braucht. Doch kommen hier freilich noch
besondere Momente in Betracht. Es ist nämlich ein Unter-
schied, ob sich bei verschiedenen Völkern unter dem Einfluß
derselben Bedürfnisse und bei übereinstimmenden Verhältnissen
gewisse Rechtsinstitute gleichartig, aber doch in einer selbständi-
gen Entwicklung ausgebildet haben, oder ob der Geschäftsver-
kehr, der im Welthandel die verschiedenen Völker zusammen-
führt, das Recht als sein unmittelbares Product hervorruft,
und die einzelne Nation sich nur als einen der großen Facto-
ren dieser Rechtsbildung darstellt. Und in der That verhält
es sich also mit dem Handelsrecht in seiner ganzen Composi-
tion und seinen wichtigsten Instituten, so daß die besondere

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Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht.
hat; und in England, ſo viel ich weiß, gehen dieſe Inſtitute
ganz in das common law auf, welches eben nur nach dieſer
Seite hin ſeine beſondere Ausbildung erhalten hat. — Will man
das Handelsrecht daher ein Standesrecht der Kaufleute nen-
nen, ſo iſt dieß doch nur in einem ſehr beſchraͤnkten Sinne zu
nehmen; denn keine ausſchließliche Berechtigung macht es da-
zu, ſondern allein der thatſaͤchlich begruͤndete Umſtand, daß die
Kaufleute ſich vorzugsweiſe und in einigen Beziehungen aus-
ſchließlich deſſelben bedienen, und daß es folgeweiſe durch ſie
und ihre Geſchaͤfte ſeinen eigenthuͤmlichen Charakter erhalten
und bewahrt hat.

Es kann aber noch beſonders zur Frage kommen, ob das
Handelsrecht nur uͤberhaupt als ein Volksrecht aufzufaſſen iſt,
und ob es nicht vielmehr als ein Voͤlkerrecht im Sinne des
roͤmiſchen jus gentium betrachtet werden muß. Schon im 2.
Kapitel iſt hieruͤber im Allgemeinen gehandelt und gezeigt wor-
den, daß das Volksrecht nicht nothwendig ein ausſchließlich
nationales zu ſeyn braucht. Doch kommen hier freilich noch
beſondere Momente in Betracht. Es iſt naͤmlich ein Unter-
ſchied, ob ſich bei verſchiedenen Voͤlkern unter dem Einfluß
derſelben Beduͤrfniſſe und bei uͤbereinſtimmenden Verhaͤltniſſen
gewiſſe Rechtsinſtitute gleichartig, aber doch in einer ſelbſtaͤndi-
gen Entwicklung ausgebildet haben, oder ob der Geſchaͤftsver-
kehr, der im Welthandel die verſchiedenen Voͤlker zuſammen-
fuͤhrt, das Recht als ſein unmittelbares Product hervorruft,
und die einzelne Nation ſich nur als einen der großen Facto-
ren dieſer Rechtsbildung darſtellt. Und in der That verhaͤlt
es ſich alſo mit dem Handelsrecht in ſeiner ganzen Compoſi-
tion und ſeinen wichtigſten Inſtituten, ſo daß die beſondere

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[227/0239] Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht. hat; und in England, ſo viel ich weiß, gehen dieſe Inſtitute ganz in das common law auf, welches eben nur nach dieſer Seite hin ſeine beſondere Ausbildung erhalten hat. — Will man das Handelsrecht daher ein Standesrecht der Kaufleute nen- nen, ſo iſt dieß doch nur in einem ſehr beſchraͤnkten Sinne zu nehmen; denn keine ausſchließliche Berechtigung macht es da- zu, ſondern allein der thatſaͤchlich begruͤndete Umſtand, daß die Kaufleute ſich vorzugsweiſe und in einigen Beziehungen aus- ſchließlich deſſelben bedienen, und daß es folgeweiſe durch ſie und ihre Geſchaͤfte ſeinen eigenthuͤmlichen Charakter erhalten und bewahrt hat. Es kann aber noch beſonders zur Frage kommen, ob das Handelsrecht nur uͤberhaupt als ein Volksrecht aufzufaſſen iſt, und ob es nicht vielmehr als ein Voͤlkerrecht im Sinne des roͤmiſchen jus gentium betrachtet werden muß. Schon im 2. Kapitel iſt hieruͤber im Allgemeinen gehandelt und gezeigt wor- den, daß das Volksrecht nicht nothwendig ein ausſchließlich nationales zu ſeyn braucht. Doch kommen hier freilich noch beſondere Momente in Betracht. Es iſt naͤmlich ein Unter- ſchied, ob ſich bei verſchiedenen Voͤlkern unter dem Einfluß derſelben Beduͤrfniſſe und bei uͤbereinſtimmenden Verhaͤltniſſen gewiſſe Rechtsinſtitute gleichartig, aber doch in einer ſelbſtaͤndi- gen Entwicklung ausgebildet haben, oder ob der Geſchaͤftsver- kehr, der im Welthandel die verſchiedenen Voͤlker zuſammen- fuͤhrt, das Recht als ſein unmittelbares Product hervorruft, und die einzelne Nation ſich nur als einen der großen Facto- ren dieſer Rechtsbildung darſtellt. Und in der That verhaͤlt es ſich alſo mit dem Handelsrecht in ſeiner ganzen Compoſi- tion und ſeinen wichtigſten Inſtituten, ſo daß die beſondere 15*

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/239>, abgerufen am 02.05.2024.