Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Das Volksrecht als gemeines Ständerecht. tigung der Hauswirthe ist. Solche Ortschaften, die meistensnur mit Mühe die Last einer eigenen, verhältnißmäßig kostspie- ligen Verwaltung tragen, werden jetzt durch das früher werth- volle Stadtrecht sehr beschwert, und es würde ihnen sowohl als dem Staate am Besten damit gedient seyn, wenn sie in die Ordnung der Flecken oder Dörfer zurücktreten könnten. Der Landmann dagegen strebt bei erhöhter Freiheit und verbes- sertem Wohlstande immermehr nach städtischen Gebräuchen und Gewerben; der reiche Handelsstand kommt durch den Erwerb von Landgütern, durch Heirathen zwischen der Geburts- und Geldaristokratie der Ritterschaft immer näher zu stehen, und die Fabrikation endlich bindet sich nicht an das städtische Weich- bild, sondern geht den Orten nach, wo Wasserkraft und wohl- feile Handarbeit zu finden ist. Bedenkt man nun, daß die Landgemeinde durch Theilung der Gemeindegüter, die Stadt- gemeinde aber durch die Aufhebung oder das Herabkommen des Zunftwesens immer mehr von ihrer Eigenthümlichkeit ver- lieren, und daß gewisse Interessen, auch wenn sie sich nicht unmittelbar auf das Staatsganze beziehen, doch einen gemein- schaftlichen Charakter an sich tragen, so ist eine allmälige Ausgleichung und Annäherung zwischen Stadt und Land fast nothwendig gegeben. Ja wo der Grundbesitz frei veräußerlich und theilbar, und neben einer vollen Gewerbefreiheit eine blü- hende Fabrikation besteht, da wird, wenigstens für gewisse all- gemeine Beziehungen, die gleichmäßige Ausbildung des Ge- meindeverbandes nur natürlich erscheinen. Verlangen aber auch die agrarischen Verhältnisse der Landgemeinde im Gegensatz zu dem in den Städten concentrirten Gewerbe ihre selbständige Vertretung, so gestattet doch jedenfalls die höhere Gliederung des Communalwesens in Kreisen, Provinzen u. dgl. eine ge- Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht. tigung der Hauswirthe iſt. Solche Ortſchaften, die meiſtensnur mit Muͤhe die Laſt einer eigenen, verhaͤltnißmaͤßig koſtſpie- ligen Verwaltung tragen, werden jetzt durch das fruͤher werth- volle Stadtrecht ſehr beſchwert, und es wuͤrde ihnen ſowohl als dem Staate am Beſten damit gedient ſeyn, wenn ſie in die Ordnung der Flecken oder Doͤrfer zuruͤcktreten koͤnnten. Der Landmann dagegen ſtrebt bei erhoͤhter Freiheit und verbeſ- ſertem Wohlſtande immermehr nach ſtaͤdtiſchen Gebraͤuchen und Gewerben; der reiche Handelsſtand kommt durch den Erwerb von Landguͤtern, durch Heirathen zwiſchen der Geburts- und Geldariſtokratie der Ritterſchaft immer naͤher zu ſtehen, und die Fabrikation endlich bindet ſich nicht an das ſtaͤdtiſche Weich- bild, ſondern geht den Orten nach, wo Waſſerkraft und wohl- feile Handarbeit zu finden iſt. Bedenkt man nun, daß die Landgemeinde durch Theilung der Gemeindeguͤter, die Stadt- gemeinde aber durch die Aufhebung oder das Herabkommen des Zunftweſens immer mehr von ihrer Eigenthuͤmlichkeit ver- lieren, und daß gewiſſe Intereſſen, auch wenn ſie ſich nicht unmittelbar auf das Staatsganze beziehen, doch einen gemein- ſchaftlichen Charakter an ſich tragen, ſo iſt eine allmaͤlige Ausgleichung und Annaͤherung zwiſchen Stadt und Land faſt nothwendig gegeben. Ja wo der Grundbeſitz frei veraͤußerlich und theilbar, und neben einer vollen Gewerbefreiheit eine bluͤ- hende Fabrikation beſteht, da wird, wenigſtens fuͤr gewiſſe all- gemeine Beziehungen, die gleichmaͤßige Ausbildung des Ge- meindeverbandes nur natuͤrlich erſcheinen. Verlangen aber auch die agrariſchen Verhaͤltniſſe der Landgemeinde im Gegenſatz zu dem in den Staͤdten concentrirten Gewerbe ihre ſelbſtaͤndige Vertretung, ſo geſtattet doch jedenfalls die hoͤhere Gliederung des Communalweſens in Kreiſen, Provinzen u. dgl. eine ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0233" n="221"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht</hi>.</fw><lb/> tigung der Hauswirthe iſt. 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Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht.
tigung der Hauswirthe iſt. Solche Ortſchaften, die meiſtens
nur mit Muͤhe die Laſt einer eigenen, verhaͤltnißmaͤßig koſtſpie-
ligen Verwaltung tragen, werden jetzt durch das fruͤher werth-
volle Stadtrecht ſehr beſchwert, und es wuͤrde ihnen ſowohl
als dem Staate am Beſten damit gedient ſeyn, wenn ſie in
die Ordnung der Flecken oder Doͤrfer zuruͤcktreten koͤnnten.
Der Landmann dagegen ſtrebt bei erhoͤhter Freiheit und verbeſ-
ſertem Wohlſtande immermehr nach ſtaͤdtiſchen Gebraͤuchen und
Gewerben; der reiche Handelsſtand kommt durch den Erwerb
von Landguͤtern, durch Heirathen zwiſchen der Geburts- und
Geldariſtokratie der Ritterſchaft immer naͤher zu ſtehen, und
die Fabrikation endlich bindet ſich nicht an das ſtaͤdtiſche Weich-
bild, ſondern geht den Orten nach, wo Waſſerkraft und wohl-
feile Handarbeit zu finden iſt. Bedenkt man nun, daß die
Landgemeinde durch Theilung der Gemeindeguͤter, die Stadt-
gemeinde aber durch die Aufhebung oder das Herabkommen
des Zunftweſens immer mehr von ihrer Eigenthuͤmlichkeit ver-
lieren, und daß gewiſſe Intereſſen, auch wenn ſie ſich nicht
unmittelbar auf das Staatsganze beziehen, doch einen gemein-
ſchaftlichen Charakter an ſich tragen, ſo iſt eine allmaͤlige
Ausgleichung und Annaͤherung zwiſchen Stadt und Land faſt
nothwendig gegeben. Ja wo der Grundbeſitz frei veraͤußerlich
und theilbar, und neben einer vollen Gewerbefreiheit eine bluͤ-
hende Fabrikation beſteht, da wird, wenigſtens fuͤr gewiſſe all-
gemeine Beziehungen, die gleichmaͤßige Ausbildung des Ge-
meindeverbandes nur natuͤrlich erſcheinen. Verlangen aber auch
die agrariſchen Verhaͤltniſſe der Landgemeinde im Gegenſatz zu
dem in den Staͤdten concentrirten Gewerbe ihre ſelbſtaͤndige
Vertretung, ſo geſtattet doch jedenfalls die hoͤhere Gliederung
des Communalweſens in Kreiſen, Provinzen u. dgl. eine ge-
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