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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Das Volksrecht als gemeines Ständerecht.
werden, so läßt er sich von den Besitzern der Rittergüter und
größeren Freihöfe im Allgemeinen dadurch unterscheiden, daß
er den Landbau nicht bloß als Hauptgewerbe treibt, sondern
daß er auch mit eigener Hand unmittelbar dabei thätig ist,
und sich nicht auf die allgemeine Leitung und Beaufsichti-
gung des mehr fabrikmäßig geführten Betriebes beschränkt.
Vor den Tagelöhnern zeichnet er sich dagegen dadurch aus,
daß er die Landwirthschaft für eigene Rechnung und in der
Regel auf eigenem Grund und Boden treibt, während er sich
von den Ackerbürgern durch seine Wohnung auf dem Lande
und seine Theilnahme am ländlichen Communalwesen im Ge-
gensatz vom städtischen unterscheidet. Durch diese nähere Be-
grenzung des Bauernstandes wird freilich im Allgemeinen seine
Lebensart, sein Betrieb und das ihm eigenthümliche Interesse
bestimmter hervorgehoben; aber das besondere Standesrecht
bekommt dadurch noch nicht seinen Inhalt: es ließen sich die-
selben Verhältnisse auch unter der Herrschaft des gemeinen
Landrechts in vollständiger Wirksamkeit denken. Man kann
jedoch noch ein neues Moment hinzunehmen, welches, wenn
es allgemein zur Anwendung käme, der Beurtheilung schon
eine bestimmtere juristische Seite darböte: das ist die beschränkte
Rechtsfähigkeit der Bauern bei der Abschließung ihrer wichti-
geren Geschäfte, namentlich insofern sie sich auf die Verhält-
nisse der Familie und des Grundbesitzes beziehen, -- eine Be-
schränkung, die theils aus der Gutsherrschaft und Voigtei,
theils aus einer allgemeinen Tendenz der Staatsgewalt auf
Bevormundung der Unterthanen hervorgegangen ist. Aller-
dings liegt darin ein Moment, welches auch für das geltende
Recht noch von Bedeutung ist, aber doch kaum mehr von ei-
ner so großen und allgemein wirksamen, daß man darauf ein

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Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht.
werden, ſo laͤßt er ſich von den Beſitzern der Ritterguͤter und
groͤßeren Freihoͤfe im Allgemeinen dadurch unterſcheiden, daß
er den Landbau nicht bloß als Hauptgewerbe treibt, ſondern
daß er auch mit eigener Hand unmittelbar dabei thaͤtig iſt,
und ſich nicht auf die allgemeine Leitung und Beaufſichti-
gung des mehr fabrikmaͤßig gefuͤhrten Betriebes beſchraͤnkt.
Vor den Tageloͤhnern zeichnet er ſich dagegen dadurch aus,
daß er die Landwirthſchaft fuͤr eigene Rechnung und in der
Regel auf eigenem Grund und Boden treibt, waͤhrend er ſich
von den Ackerbuͤrgern durch ſeine Wohnung auf dem Lande
und ſeine Theilnahme am laͤndlichen Communalweſen im Ge-
genſatz vom ſtaͤdtiſchen unterſcheidet. Durch dieſe naͤhere Be-
grenzung des Bauernſtandes wird freilich im Allgemeinen ſeine
Lebensart, ſein Betrieb und das ihm eigenthuͤmliche Intereſſe
beſtimmter hervorgehoben; aber das beſondere Standesrecht
bekommt dadurch noch nicht ſeinen Inhalt: es ließen ſich die-
ſelben Verhaͤltniſſe auch unter der Herrſchaft des gemeinen
Landrechts in vollſtaͤndiger Wirkſamkeit denken. Man kann
jedoch noch ein neues Moment hinzunehmen, welches, wenn
es allgemein zur Anwendung kaͤme, der Beurtheilung ſchon
eine beſtimmtere juriſtiſche Seite darboͤte: das iſt die beſchraͤnkte
Rechtsfaͤhigkeit der Bauern bei der Abſchließung ihrer wichti-
geren Geſchaͤfte, namentlich inſofern ſie ſich auf die Verhaͤlt-
niſſe der Familie und des Grundbeſitzes beziehen, — eine Be-
ſchraͤnkung, die theils aus der Gutsherrſchaft und Voigtei,
theils aus einer allgemeinen Tendenz der Staatsgewalt auf
Bevormundung der Unterthanen hervorgegangen iſt. Aller-
dings liegt darin ein Moment, welches auch fuͤr das geltende
Recht noch von Bedeutung iſt, aber doch kaum mehr von ei-
ner ſo großen und allgemein wirkſamen, daß man darauf ein

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[211/0223] Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht. werden, ſo laͤßt er ſich von den Beſitzern der Ritterguͤter und groͤßeren Freihoͤfe im Allgemeinen dadurch unterſcheiden, daß er den Landbau nicht bloß als Hauptgewerbe treibt, ſondern daß er auch mit eigener Hand unmittelbar dabei thaͤtig iſt, und ſich nicht auf die allgemeine Leitung und Beaufſichti- gung des mehr fabrikmaͤßig gefuͤhrten Betriebes beſchraͤnkt. Vor den Tageloͤhnern zeichnet er ſich dagegen dadurch aus, daß er die Landwirthſchaft fuͤr eigene Rechnung und in der Regel auf eigenem Grund und Boden treibt, waͤhrend er ſich von den Ackerbuͤrgern durch ſeine Wohnung auf dem Lande und ſeine Theilnahme am laͤndlichen Communalweſen im Ge- genſatz vom ſtaͤdtiſchen unterſcheidet. Durch dieſe naͤhere Be- grenzung des Bauernſtandes wird freilich im Allgemeinen ſeine Lebensart, ſein Betrieb und das ihm eigenthuͤmliche Intereſſe beſtimmter hervorgehoben; aber das beſondere Standesrecht bekommt dadurch noch nicht ſeinen Inhalt: es ließen ſich die- ſelben Verhaͤltniſſe auch unter der Herrſchaft des gemeinen Landrechts in vollſtaͤndiger Wirkſamkeit denken. Man kann jedoch noch ein neues Moment hinzunehmen, welches, wenn es allgemein zur Anwendung kaͤme, der Beurtheilung ſchon eine beſtimmtere juriſtiſche Seite darboͤte: das iſt die beſchraͤnkte Rechtsfaͤhigkeit der Bauern bei der Abſchließung ihrer wichti- geren Geſchaͤfte, namentlich inſofern ſie ſich auf die Verhaͤlt- niſſe der Familie und des Grundbeſitzes beziehen, — eine Be- ſchraͤnkung, die theils aus der Gutsherrſchaft und Voigtei, theils aus einer allgemeinen Tendenz der Staatsgewalt auf Bevormundung der Unterthanen hervorgegangen iſt. Aller- dings liegt darin ein Moment, welches auch fuͤr das geltende Recht noch von Bedeutung iſt, aber doch kaum mehr von ei- ner ſo großen und allgemein wirkſamen, daß man darauf ein 14*

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/223>, abgerufen am 24.11.2024.