Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Siebentes Kapitel. Bald denkt man vorzugsweise an eine gewisse Gleichheit durchGeburt und Herkunft, und spricht z. B. von einem Adels- stande; bald sieht man auf den Beruf und die Hauptbeschäf- tigung der Einzelnen, und unterscheidet einen besondern Stand der Staatsbeamten, Soldaten, Aerzte, Advocaten, Fabrikanten, Handwerker u. s. w.; bald endlich legt man den Nachdruck auf die Stellung der Einzelnen in der Gesellschaft, und nimmt höhere und niedere, vornehme und geringe Stände an. -- Be- vor nun von den Ständen und ihrem Rechte überhaupt ge- handelt werden kann, ist es vor Allem nöthig, den juristischen Begriff, welcher dabei zum Grunde liegt, genauer festzustellen. 1. Wir haben es hier mit den Ständen in der zuletzt 2. Das Unterscheidende, welches einer gewissen Classe ge- Siebentes Kapitel. Bald denkt man vorzugsweiſe an eine gewiſſe Gleichheit durchGeburt und Herkunft, und ſpricht z. B. von einem Adels- ſtande; bald ſieht man auf den Beruf und die Hauptbeſchaͤf- tigung der Einzelnen, und unterſcheidet einen beſondern Stand der Staatsbeamten, Soldaten, Aerzte, Advocaten, Fabrikanten, Handwerker u. ſ. w.; bald endlich legt man den Nachdruck auf die Stellung der Einzelnen in der Geſellſchaft, und nimmt hoͤhere und niedere, vornehme und geringe Staͤnde an. — Be- vor nun von den Staͤnden und ihrem Rechte uͤberhaupt ge- handelt werden kann, iſt es vor Allem noͤthig, den juriſtiſchen Begriff, welcher dabei zum Grunde liegt, genauer feſtzuſtellen. 1. Wir haben es hier mit den Staͤnden in der zuletzt 2. Das Unterſcheidende, welches einer gewiſſen Claſſe ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0208" n="196"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Kapitel</hi>.</fw><lb/> Bald denkt man vorzugsweiſe an eine gewiſſe Gleichheit durch<lb/> Geburt und Herkunft, und ſpricht z. B. von einem Adels-<lb/> ſtande; bald ſieht man auf den Beruf und die Hauptbeſchaͤf-<lb/> tigung der Einzelnen, und unterſcheidet einen beſondern Stand<lb/> der Staatsbeamten, Soldaten, Aerzte, Advocaten, Fabrikanten,<lb/> Handwerker u. ſ. w.; bald endlich legt man den Nachdruck<lb/> auf die Stellung der Einzelnen in der Geſellſchaft, und nimmt<lb/> hoͤhere und niedere, vornehme und geringe Staͤnde an. — Be-<lb/> vor nun von den Staͤnden und ihrem Rechte uͤberhaupt ge-<lb/> handelt werden kann, iſt es vor Allem noͤthig, den juriſtiſchen<lb/> Begriff, welcher dabei zum Grunde liegt, genauer feſtzuſtellen.</p><lb/> <p>1. Wir haben es hier mit den Staͤnden in der zuletzt<lb/> angefuͤhrten Bedeutung zu thun, nach welcher darunter ge-<lb/> wiſſe Claſſen der Bevoͤlkerung im Gegenſatz zu dem Volks-<lb/> ganzen zu verſtehen ſind. Was ſonſt noch mit demſelben Aus-<lb/> druck bezeichnet wird, findet keine weitere Beruͤckſichtigung.</p><lb/> <p>2. Das Unterſcheidende, welches einer gewiſſen Claſſe ge-<lb/> meinſam, ſie zur Bedeutung eines Standes erhebt, kommt nur<lb/> dann in Betracht, wenn es wirklich eine rechtliche Natur hat,<lb/> und juriſtiſch erfaßt werden kann. Eine bloß ſociale Auszeichnung,<lb/> eine Stellung, welche nur im Allgemeinen ein politiſches Ge-<lb/> wicht giebt, genuͤgt noch nicht, auch wenn eine groͤßere Anzahl<lb/> von Perſonen daran Theil nimmt, um fuͤr ſie den Rechtsbe-<lb/> griff eines eigenen Standes zu begruͤnden. Man wird dabei<lb/> mit gewiſſen Abſtufungen auf den allgemeinen Gegenſatz zwi-<lb/> ſchen der gebildeten und ungebildeten Bevoͤlkerung hingefuͤhrt<lb/> werden, der freilich von großer politiſcher und ſocialer Bedeu-<lb/> tung iſt, aber den allgemeinen Modificationen des Staatsbuͤr-<lb/> gerthums und nicht dem beſonderen Staͤndeweſen angehoͤrt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [196/0208]
Siebentes Kapitel.
Bald denkt man vorzugsweiſe an eine gewiſſe Gleichheit durch
Geburt und Herkunft, und ſpricht z. B. von einem Adels-
ſtande; bald ſieht man auf den Beruf und die Hauptbeſchaͤf-
tigung der Einzelnen, und unterſcheidet einen beſondern Stand
der Staatsbeamten, Soldaten, Aerzte, Advocaten, Fabrikanten,
Handwerker u. ſ. w.; bald endlich legt man den Nachdruck
auf die Stellung der Einzelnen in der Geſellſchaft, und nimmt
hoͤhere und niedere, vornehme und geringe Staͤnde an. — Be-
vor nun von den Staͤnden und ihrem Rechte uͤberhaupt ge-
handelt werden kann, iſt es vor Allem noͤthig, den juriſtiſchen
Begriff, welcher dabei zum Grunde liegt, genauer feſtzuſtellen.
1. Wir haben es hier mit den Staͤnden in der zuletzt
angefuͤhrten Bedeutung zu thun, nach welcher darunter ge-
wiſſe Claſſen der Bevoͤlkerung im Gegenſatz zu dem Volks-
ganzen zu verſtehen ſind. Was ſonſt noch mit demſelben Aus-
druck bezeichnet wird, findet keine weitere Beruͤckſichtigung.
2. Das Unterſcheidende, welches einer gewiſſen Claſſe ge-
meinſam, ſie zur Bedeutung eines Standes erhebt, kommt nur
dann in Betracht, wenn es wirklich eine rechtliche Natur hat,
und juriſtiſch erfaßt werden kann. Eine bloß ſociale Auszeichnung,
eine Stellung, welche nur im Allgemeinen ein politiſches Ge-
wicht giebt, genuͤgt noch nicht, auch wenn eine groͤßere Anzahl
von Perſonen daran Theil nimmt, um fuͤr ſie den Rechtsbe-
griff eines eigenen Standes zu begruͤnden. Man wird dabei
mit gewiſſen Abſtufungen auf den allgemeinen Gegenſatz zwi-
ſchen der gebildeten und ungebildeten Bevoͤlkerung hingefuͤhrt
werden, der freilich von großer politiſcher und ſocialer Bedeu-
tung iſt, aber den allgemeinen Modificationen des Staatsbuͤr-
gerthums und nicht dem beſonderen Staͤndeweſen angehoͤrt.
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