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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Fünftes Kapitel.
nicht zur Ausgleichung gekommen. Indessen ließe sich doch
gegenwärtig, bei dem großen Geldüberfluß der langen Frie-
densjahre und dem solider begründeten Wohlstande der deut-
schen Grundbesitzer, eine entschiedene Tendenz erkennen, auch
hinsichtlich der Unkündbarkeit das ältere Princip des deutschen
Rechts wieder in Geltung zu bringen, und namentlich die rit-
terschaftlichen Creditvereine haben zum Theil in dieser Rich-
tung operirt. In solchen Fällen, wo die Unkündbarkeit der
Schuldscheine, welche auf den Grundbesitz radicirt sind, von
dem Anleiher dem Gläubiger gegenüber stipulirt worden, und
dieser sich, wenn er baares Geld haben will, durch Verkauf
(Cession) helfen muß, tritt das Institut des früheren Volks-
rechts, wenn auch mit wesentlichen Modificationen, wieder
practisch auf, und stellt sich als den eigentlich gemeinrechtli-
chen Kern des ganzen Rechtsverhältnisses dar. Doch ist da-
bei vorauszusetzen, daß dieses sich wirklich im Particularrechte
die bestimmte Anerkennung seiner Eigenthümlichkeit erworben
hat, und daß Alles nicht bloß auf der, auch nach der römi-
schen Vertragslehre möglichen obligatorischen Beschränkung des
Gläubigers beruht.

In dem so eben angeführten Beispiele, dem sich das so
wichtige Recht der Staatspapiere nahe anschließt, zeigt es sich
auch, daß das römische Obligationenrecht doch nicht so
unbedingt bei uns zur Anwendung kommt, als es von den
Romanisten angenommen zu werden pflegt. Dasselbe erhellt
auch aus dem, was früher von der Dienstmiethe gesagt wor-
den ist; aber noch in manchen anderen Beziehungen macht sich
auf diesem Gebiete der Einfluß des Volksrechts geltend. Na-
mentlich ist dieß der Fall bei Pachtungen von Landgütern mit
Rücksicht auf das Inventar und die so gebräuchliche Pränu-

Fuͤnftes Kapitel.
nicht zur Ausgleichung gekommen. Indeſſen ließe ſich doch
gegenwaͤrtig, bei dem großen Gelduͤberfluß der langen Frie-
densjahre und dem ſolider begruͤndeten Wohlſtande der deut-
ſchen Grundbeſitzer, eine entſchiedene Tendenz erkennen, auch
hinſichtlich der Unkuͤndbarkeit das aͤltere Princip des deutſchen
Rechts wieder in Geltung zu bringen, und namentlich die rit-
terſchaftlichen Creditvereine haben zum Theil in dieſer Rich-
tung operirt. In ſolchen Faͤllen, wo die Unkuͤndbarkeit der
Schuldſcheine, welche auf den Grundbeſitz radicirt ſind, von
dem Anleiher dem Glaͤubiger gegenuͤber ſtipulirt worden, und
dieſer ſich, wenn er baares Geld haben will, durch Verkauf
(Ceſſion) helfen muß, tritt das Inſtitut des fruͤheren Volks-
rechts, wenn auch mit weſentlichen Modificationen, wieder
practiſch auf, und ſtellt ſich als den eigentlich gemeinrechtli-
chen Kern des ganzen Rechtsverhaͤltniſſes dar. Doch iſt da-
bei vorauszuſetzen, daß dieſes ſich wirklich im Particularrechte
die beſtimmte Anerkennung ſeiner Eigenthuͤmlichkeit erworben
hat, und daß Alles nicht bloß auf der, auch nach der roͤmi-
ſchen Vertragslehre moͤglichen obligatoriſchen Beſchraͤnkung des
Glaͤubigers beruht.

In dem ſo eben angefuͤhrten Beiſpiele, dem ſich das ſo
wichtige Recht der Staatspapiere nahe anſchließt, zeigt es ſich
auch, daß das roͤmiſche Obligationenrecht doch nicht ſo
unbedingt bei uns zur Anwendung kommt, als es von den
Romaniſten angenommen zu werden pflegt. Daſſelbe erhellt
auch aus dem, was fruͤher von der Dienſtmiethe geſagt wor-
den iſt; aber noch in manchen anderen Beziehungen macht ſich
auf dieſem Gebiete der Einfluß des Volksrechts geltend. Na-
mentlich iſt dieß der Fall bei Pachtungen von Landguͤtern mit
Ruͤckſicht auf das Inventar und die ſo gebraͤuchliche Praͤnu-

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[148/0160] Fuͤnftes Kapitel. nicht zur Ausgleichung gekommen. Indeſſen ließe ſich doch gegenwaͤrtig, bei dem großen Gelduͤberfluß der langen Frie- densjahre und dem ſolider begruͤndeten Wohlſtande der deut- ſchen Grundbeſitzer, eine entſchiedene Tendenz erkennen, auch hinſichtlich der Unkuͤndbarkeit das aͤltere Princip des deutſchen Rechts wieder in Geltung zu bringen, und namentlich die rit- terſchaftlichen Creditvereine haben zum Theil in dieſer Rich- tung operirt. In ſolchen Faͤllen, wo die Unkuͤndbarkeit der Schuldſcheine, welche auf den Grundbeſitz radicirt ſind, von dem Anleiher dem Glaͤubiger gegenuͤber ſtipulirt worden, und dieſer ſich, wenn er baares Geld haben will, durch Verkauf (Ceſſion) helfen muß, tritt das Inſtitut des fruͤheren Volks- rechts, wenn auch mit weſentlichen Modificationen, wieder practiſch auf, und ſtellt ſich als den eigentlich gemeinrechtli- chen Kern des ganzen Rechtsverhaͤltniſſes dar. Doch iſt da- bei vorauszuſetzen, daß dieſes ſich wirklich im Particularrechte die beſtimmte Anerkennung ſeiner Eigenthuͤmlichkeit erworben hat, und daß Alles nicht bloß auf der, auch nach der roͤmi- ſchen Vertragslehre moͤglichen obligatoriſchen Beſchraͤnkung des Glaͤubigers beruht. In dem ſo eben angefuͤhrten Beiſpiele, dem ſich das ſo wichtige Recht der Staatspapiere nahe anſchließt, zeigt es ſich auch, daß das roͤmiſche Obligationenrecht doch nicht ſo unbedingt bei uns zur Anwendung kommt, als es von den Romaniſten angenommen zu werden pflegt. Daſſelbe erhellt auch aus dem, was fruͤher von der Dienſtmiethe geſagt wor- den iſt; aber noch in manchen anderen Beziehungen macht ſich auf dieſem Gebiete der Einfluß des Volksrechts geltend. Na- mentlich iſt dieß der Fall bei Pachtungen von Landguͤtern mit Ruͤckſicht auf das Inventar und die ſo gebraͤuchliche Praͤnu-

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/160>, abgerufen am 24.11.2024.