Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Fünftes Kapitel. sentlichen Theils seiner Freiheit, indem er nicht bloß die con-tractlich übernommene Arbeit, sondern überhaupt den in dem Verhältniß begründeten Gehorsam zu leisten hat. Aber er ist nicht bloß der einseitig Verpflichtete, gegen Kost und Lohn und Herberge der Laune des Herrn überlassen; auch darf er, so lange er dem Hauswesen angehört, als Hausgenosse auf Sorge und Pflege Anspruch machen. Das Gesinderecht enthält nun die leitenden Grundsätze für dieß eigenthümlich gestaltete Rechts- verhältniß, welches nur aus einer unbefangenen Betrachtung des Lebens und der darin waltenden Sitte juristisch erfaßt werden kann. Noch andere Momente kommen aber in Be- tracht, wenn auf Landgütern Tagelöhnerfamilien ihre Heimath haben, und in der Sorge der Gutsherrschaft einen, wenn auch oft schwachen Ersatz des ihnen fehlenden Gemeindeverbandes finden. Was vorher von dem Einfluß des Volksrechts auf das Fuͤnftes Kapitel. ſentlichen Theils ſeiner Freiheit, indem er nicht bloß die con-tractlich uͤbernommene Arbeit, ſondern uͤberhaupt den in dem Verhaͤltniß begruͤndeten Gehorſam zu leiſten hat. Aber er iſt nicht bloß der einſeitig Verpflichtete, gegen Koſt und Lohn und Herberge der Laune des Herrn uͤberlaſſen; auch darf er, ſo lange er dem Hausweſen angehoͤrt, als Hausgenoſſe auf Sorge und Pflege Anſpruch machen. Das Geſinderecht enthaͤlt nun die leitenden Grundſaͤtze fuͤr dieß eigenthuͤmlich geſtaltete Rechts- verhaͤltniß, welches nur aus einer unbefangenen Betrachtung des Lebens und der darin waltenden Sitte juriſtiſch erfaßt werden kann. Noch andere Momente kommen aber in Be- tracht, wenn auf Landguͤtern Tageloͤhnerfamilien ihre Heimath haben, und in der Sorge der Gutsherrſchaft einen, wenn auch oft ſchwachen Erſatz des ihnen fehlenden Gemeindeverbandes finden. Was vorher von dem Einfluß des Volksrechts auf das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0158" n="146"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fuͤnftes Kapitel</hi>.</fw><lb/> ſentlichen Theils ſeiner Freiheit, indem er nicht bloß die con-<lb/> tractlich uͤbernommene Arbeit, ſondern uͤberhaupt den in dem<lb/> Verhaͤltniß begruͤndeten Gehorſam zu leiſten hat. Aber er iſt<lb/> nicht bloß der einſeitig Verpflichtete, gegen Koſt und Lohn und<lb/> Herberge der Laune des Herrn uͤberlaſſen; auch darf er, ſo<lb/> lange er dem Hausweſen angehoͤrt, als Hausgenoſſe auf Sorge<lb/> und Pflege Anſpruch machen. Das Geſinderecht enthaͤlt nun<lb/> die leitenden Grundſaͤtze fuͤr dieß eigenthuͤmlich geſtaltete Rechts-<lb/> verhaͤltniß, welches nur aus einer unbefangenen Betrachtung<lb/> des Lebens und der darin waltenden Sitte juriſtiſch erfaßt<lb/> werden kann. Noch andere Momente kommen aber in Be-<lb/> tracht, wenn auf Landguͤtern Tageloͤhnerfamilien ihre Heimath<lb/> haben, und in der Sorge der Gutsherrſchaft einen, wenn auch<lb/> oft ſchwachen Erſatz des ihnen fehlenden Gemeindeverbandes<lb/> finden.</p><lb/> <p>Was vorher von dem Einfluß des Volksrechts auf das<lb/> Familienrecht geſagt worden, das iſt auch, inſofern es ſich auf<lb/> das Verhaͤltniß der Ehegatten und der Eltern und Kinder be-<lb/> zieht, bei der Darſtellung des <hi rendition="#g">Erbrechts</hi> von Bedeutung.<lb/> Denn das Recht der Guͤtergemeinſchaft und das der ſtatuta-<lb/> riſchen Erbgebuͤhr beſchraͤnken in weſentlichen Puncten die ge-<lb/> ſetzliche Erbfolge des roͤmiſchen Rechts, welche ſonſt bis auf<lb/> einige, durch das Staͤndeweſen begruͤndete Modificationen, ge-<lb/> meines Landrecht geworden iſt. Eine ganz moderne Rechts-<lb/> bildung zeigt ſich dagegen in dem Inſtitut der Erbvertraͤge,<lb/> welche in ihrer heutigen Geſtalt auch dem aͤlteren deutſchen<lb/> Rechtsweſen fremd waren, und vorzugsweiſe unter dem Ein-<lb/> fluß des Juriſtenrechts entſtanden ſind, da das Volksrecht ih-<lb/> rer nur in einer ſehr beſchraͤnkten Anwendung bedurfte. Auch<lb/> die roͤmiſche Teſtamentslehre hat manche gemeinrechtliche Mo-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0158]
Fuͤnftes Kapitel.
ſentlichen Theils ſeiner Freiheit, indem er nicht bloß die con-
tractlich uͤbernommene Arbeit, ſondern uͤberhaupt den in dem
Verhaͤltniß begruͤndeten Gehorſam zu leiſten hat. Aber er iſt
nicht bloß der einſeitig Verpflichtete, gegen Koſt und Lohn und
Herberge der Laune des Herrn uͤberlaſſen; auch darf er, ſo
lange er dem Hausweſen angehoͤrt, als Hausgenoſſe auf Sorge
und Pflege Anſpruch machen. Das Geſinderecht enthaͤlt nun
die leitenden Grundſaͤtze fuͤr dieß eigenthuͤmlich geſtaltete Rechts-
verhaͤltniß, welches nur aus einer unbefangenen Betrachtung
des Lebens und der darin waltenden Sitte juriſtiſch erfaßt
werden kann. Noch andere Momente kommen aber in Be-
tracht, wenn auf Landguͤtern Tageloͤhnerfamilien ihre Heimath
haben, und in der Sorge der Gutsherrſchaft einen, wenn auch
oft ſchwachen Erſatz des ihnen fehlenden Gemeindeverbandes
finden.
Was vorher von dem Einfluß des Volksrechts auf das
Familienrecht geſagt worden, das iſt auch, inſofern es ſich auf
das Verhaͤltniß der Ehegatten und der Eltern und Kinder be-
zieht, bei der Darſtellung des Erbrechts von Bedeutung.
Denn das Recht der Guͤtergemeinſchaft und das der ſtatuta-
riſchen Erbgebuͤhr beſchraͤnken in weſentlichen Puncten die ge-
ſetzliche Erbfolge des roͤmiſchen Rechts, welche ſonſt bis auf
einige, durch das Staͤndeweſen begruͤndete Modificationen, ge-
meines Landrecht geworden iſt. Eine ganz moderne Rechts-
bildung zeigt ſich dagegen in dem Inſtitut der Erbvertraͤge,
welche in ihrer heutigen Geſtalt auch dem aͤlteren deutſchen
Rechtsweſen fremd waren, und vorzugsweiſe unter dem Ein-
fluß des Juriſtenrechts entſtanden ſind, da das Volksrecht ih-
rer nur in einer ſehr beſchraͤnkten Anwendung bedurfte. Auch
die roͤmiſche Teſtamentslehre hat manche gemeinrechtliche Mo-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |