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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Fünftes Kapitel.
sentlichen Theils seiner Freiheit, indem er nicht bloß die con-
tractlich übernommene Arbeit, sondern überhaupt den in dem
Verhältniß begründeten Gehorsam zu leisten hat. Aber er ist
nicht bloß der einseitig Verpflichtete, gegen Kost und Lohn und
Herberge der Laune des Herrn überlassen; auch darf er, so
lange er dem Hauswesen angehört, als Hausgenosse auf Sorge
und Pflege Anspruch machen. Das Gesinderecht enthält nun
die leitenden Grundsätze für dieß eigenthümlich gestaltete Rechts-
verhältniß, welches nur aus einer unbefangenen Betrachtung
des Lebens und der darin waltenden Sitte juristisch erfaßt
werden kann. Noch andere Momente kommen aber in Be-
tracht, wenn auf Landgütern Tagelöhnerfamilien ihre Heimath
haben, und in der Sorge der Gutsherrschaft einen, wenn auch
oft schwachen Ersatz des ihnen fehlenden Gemeindeverbandes
finden.

Was vorher von dem Einfluß des Volksrechts auf das
Familienrecht gesagt worden, das ist auch, insofern es sich auf
das Verhältniß der Ehegatten und der Eltern und Kinder be-
zieht, bei der Darstellung des Erbrechts von Bedeutung.
Denn das Recht der Gütergemeinschaft und das der statuta-
rischen Erbgebühr beschränken in wesentlichen Puncten die ge-
setzliche Erbfolge des römischen Rechts, welche sonst bis auf
einige, durch das Ständewesen begründete Modificationen, ge-
meines Landrecht geworden ist. Eine ganz moderne Rechts-
bildung zeigt sich dagegen in dem Institut der Erbverträge,
welche in ihrer heutigen Gestalt auch dem älteren deutschen
Rechtswesen fremd waren, und vorzugsweise unter dem Ein-
fluß des Juristenrechts entstanden sind, da das Volksrecht ih-
rer nur in einer sehr beschränkten Anwendung bedurfte. Auch
die römische Testamentslehre hat manche gemeinrechtliche Mo-

Fuͤnftes Kapitel.
ſentlichen Theils ſeiner Freiheit, indem er nicht bloß die con-
tractlich uͤbernommene Arbeit, ſondern uͤberhaupt den in dem
Verhaͤltniß begruͤndeten Gehorſam zu leiſten hat. Aber er iſt
nicht bloß der einſeitig Verpflichtete, gegen Koſt und Lohn und
Herberge der Laune des Herrn uͤberlaſſen; auch darf er, ſo
lange er dem Hausweſen angehoͤrt, als Hausgenoſſe auf Sorge
und Pflege Anſpruch machen. Das Geſinderecht enthaͤlt nun
die leitenden Grundſaͤtze fuͤr dieß eigenthuͤmlich geſtaltete Rechts-
verhaͤltniß, welches nur aus einer unbefangenen Betrachtung
des Lebens und der darin waltenden Sitte juriſtiſch erfaßt
werden kann. Noch andere Momente kommen aber in Be-
tracht, wenn auf Landguͤtern Tageloͤhnerfamilien ihre Heimath
haben, und in der Sorge der Gutsherrſchaft einen, wenn auch
oft ſchwachen Erſatz des ihnen fehlenden Gemeindeverbandes
finden.

Was vorher von dem Einfluß des Volksrechts auf das
Familienrecht geſagt worden, das iſt auch, inſofern es ſich auf
das Verhaͤltniß der Ehegatten und der Eltern und Kinder be-
zieht, bei der Darſtellung des Erbrechts von Bedeutung.
Denn das Recht der Guͤtergemeinſchaft und das der ſtatuta-
riſchen Erbgebuͤhr beſchraͤnken in weſentlichen Puncten die ge-
ſetzliche Erbfolge des roͤmiſchen Rechts, welche ſonſt bis auf
einige, durch das Staͤndeweſen begruͤndete Modificationen, ge-
meines Landrecht geworden iſt. Eine ganz moderne Rechts-
bildung zeigt ſich dagegen in dem Inſtitut der Erbvertraͤge,
welche in ihrer heutigen Geſtalt auch dem aͤlteren deutſchen
Rechtsweſen fremd waren, und vorzugsweiſe unter dem Ein-
fluß des Juriſtenrechts entſtanden ſind, da das Volksrecht ih-
rer nur in einer ſehr beſchraͤnkten Anwendung bedurfte. Auch
die roͤmiſche Teſtamentslehre hat manche gemeinrechtliche Mo-

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[146/0158] Fuͤnftes Kapitel. ſentlichen Theils ſeiner Freiheit, indem er nicht bloß die con- tractlich uͤbernommene Arbeit, ſondern uͤberhaupt den in dem Verhaͤltniß begruͤndeten Gehorſam zu leiſten hat. Aber er iſt nicht bloß der einſeitig Verpflichtete, gegen Koſt und Lohn und Herberge der Laune des Herrn uͤberlaſſen; auch darf er, ſo lange er dem Hausweſen angehoͤrt, als Hausgenoſſe auf Sorge und Pflege Anſpruch machen. Das Geſinderecht enthaͤlt nun die leitenden Grundſaͤtze fuͤr dieß eigenthuͤmlich geſtaltete Rechts- verhaͤltniß, welches nur aus einer unbefangenen Betrachtung des Lebens und der darin waltenden Sitte juriſtiſch erfaßt werden kann. Noch andere Momente kommen aber in Be- tracht, wenn auf Landguͤtern Tageloͤhnerfamilien ihre Heimath haben, und in der Sorge der Gutsherrſchaft einen, wenn auch oft ſchwachen Erſatz des ihnen fehlenden Gemeindeverbandes finden. Was vorher von dem Einfluß des Volksrechts auf das Familienrecht geſagt worden, das iſt auch, inſofern es ſich auf das Verhaͤltniß der Ehegatten und der Eltern und Kinder be- zieht, bei der Darſtellung des Erbrechts von Bedeutung. Denn das Recht der Guͤtergemeinſchaft und das der ſtatuta- riſchen Erbgebuͤhr beſchraͤnken in weſentlichen Puncten die ge- ſetzliche Erbfolge des roͤmiſchen Rechts, welche ſonſt bis auf einige, durch das Staͤndeweſen begruͤndete Modificationen, ge- meines Landrecht geworden iſt. Eine ganz moderne Rechts- bildung zeigt ſich dagegen in dem Inſtitut der Erbvertraͤge, welche in ihrer heutigen Geſtalt auch dem aͤlteren deutſchen Rechtsweſen fremd waren, und vorzugsweiſe unter dem Ein- fluß des Juriſtenrechts entſtanden ſind, da das Volksrecht ih- rer nur in einer ſehr beſchraͤnkten Anwendung bedurfte. Auch die roͤmiſche Teſtamentslehre hat manche gemeinrechtliche Mo-

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/158>, abgerufen am 24.11.2024.