macht sich das Bedürfniß geltend, die Kompetenz der Vierteljahrs-Siz- zungen der Friedensrichter zu erweitern.
Die Zweckmäßigkeit der Dreitheilung für die Kompetenzbestim- mung wird nun auch von solchen anerkannt, welche ihre Nothwen- digkeit in Abrede stellen. c) Daß man sich für die Schwurgerichte ohne sie behelfen kann, hat allerdings, wenn man sonst noch daran zweifeln sollte, die neuere Preußische Gesetzgebung gezeigt; d) aber wie sehr die Rechtssicherheit gewinnt, wenn schon das materielle Strafrecht auf die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren Rücksicht nimmt, wird die nächste Zukunft bei uns zeigen. Für manche Verhältnisse ist es außerdem noch von besonderer Wichtigkeit, daß der strafrechtliche Cha- rakter der Handlungen, welche unter Verfolgung gestellt sind, durch das rechtskräftige Urtheil, welches die Strafe auferlegt, bestimmt wird. e)
Nach dieser allgemeinen Erörterung über den Werth und die Be- deutung der Dreitheilung können die einzelnen Punkte, welche dabei noch besonders zu erwägen sind, in Betracht gezogen werden.
I. Das Strafmaaß, nach welchem sich die Unterscheidung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen richtet, ist im Strafgesetzbuch abweichend von den Bestimmungen des Rheinischen Rechts und der Verordnung vom 3. Jan. 1849. festgestellt worden. Doch ist diese Ver- schiedenheit hinsichtlich der Verbrechen im Grunde nur eine scheinbare und auf keinen Fall so wesentlich, wie es auf den ersten Blick den An- schein hat. Zwangsarbeit und Reklusion, welche der Code penal als zwei Arten der entehrenden Strafen auseinander hält, fallen in der Wirklichkeit doch bei uns zusammen, da sie in denselben Strafanstalten vollstreckt werden, und das Minimum der Zuchthausstrafe von zwei Jahren, wel- ches das Strafgesetzbuch im Gegensatz zu dem von fünf Jahren im Rheinischen Recht, angenommen hat, stellt sich wesentlich nur als eine Milderung dar, da im Allgemeinen dieselben Handlungen mit der Zucht- hausstrafe belegt sind, welche das Rheinische Recht mit Zwangsarbeit und Reklusion bedroht. f) -- In Beziehung auf die Verordnung vom 3. Jan. 1849. §. 60. welche diejenigen Verbrechen, die mit einer härteren als dreijährigen Freiheitsstrafe bedroht sind, vor die Geschworenen verweist,
c) (Ruppenthal) Bemerkungen über den Entwurf des Preußischen Strafge- setzbuchs (Heidelberg 1843). S. 16.
d) V. O. vom 3. Jan. 1849. §. 27. 38. 60. -- Einführungsgesetz vom 14. April 1851. Art. VIII. IX.
e) Eine solche Bedeutung wie im Französischen Recht, namentlich in Beziehung auf die Bestrafung des Rückfalls, hat dieses Moment bei uns allerdings nicht; s. Chauveau I. c. chap. II. in f.
f)Kommissionsbericht der zweiten Kammer, zu §. 1.
§. 1. Die Dreitheilung.
macht ſich das Bedürfniß geltend, die Kompetenz der Vierteljahrs-Siz- zungen der Friedensrichter zu erweitern.
Die Zweckmäßigkeit der Dreitheilung für die Kompetenzbeſtim- mung wird nun auch von ſolchen anerkannt, welche ihre Nothwen- digkeit in Abrede ſtellen. c) Daß man ſich für die Schwurgerichte ohne ſie behelfen kann, hat allerdings, wenn man ſonſt noch daran zweifeln ſollte, die neuere Preußiſche Geſetzgebung gezeigt; d) aber wie ſehr die Rechtsſicherheit gewinnt, wenn ſchon das materielle Strafrecht auf die Gerichtsverfaſſung und das gerichtliche Verfahren Rückſicht nimmt, wird die nächſte Zukunft bei uns zeigen. Für manche Verhältniſſe iſt es außerdem noch von beſonderer Wichtigkeit, daß der ſtrafrechtliche Cha- rakter der Handlungen, welche unter Verfolgung geſtellt ſind, durch das rechtskräftige Urtheil, welches die Strafe auferlegt, beſtimmt wird. e)
Nach dieſer allgemeinen Erörterung über den Werth und die Be- deutung der Dreitheilung können die einzelnen Punkte, welche dabei noch beſonders zu erwägen ſind, in Betracht gezogen werden.
I. Das Strafmaaß, nach welchem ſich die Unterſcheidung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen richtet, iſt im Strafgeſetzbuch abweichend von den Beſtimmungen des Rheiniſchen Rechts und der Verordnung vom 3. Jan. 1849. feſtgeſtellt worden. Doch iſt dieſe Ver- ſchiedenheit hinſichtlich der Verbrechen im Grunde nur eine ſcheinbare und auf keinen Fall ſo weſentlich, wie es auf den erſten Blick den An- ſchein hat. Zwangsarbeit und Rekluſion, welche der Code pénal als zwei Arten der entehrenden Strafen auseinander hält, fallen in der Wirklichkeit doch bei uns zuſammen, da ſie in denſelben Strafanſtalten vollſtreckt werden, und das Minimum der Zuchthausſtrafe von zwei Jahren, wel- ches das Strafgeſetzbuch im Gegenſatz zu dem von fünf Jahren im Rheiniſchen Recht, angenommen hat, ſtellt ſich weſentlich nur als eine Milderung dar, da im Allgemeinen dieſelben Handlungen mit der Zucht- hausſtrafe belegt ſind, welche das Rheiniſche Recht mit Zwangsarbeit und Rekluſion bedroht. f) — In Beziehung auf die Verordnung vom 3. Jan. 1849. §. 60. welche diejenigen Verbrechen, die mit einer härteren als dreijährigen Freiheitsſtrafe bedroht ſind, vor die Geſchworenen verweiſt,
c) (Ruppenthal) Bemerkungen über den Entwurf des Preußiſchen Strafge- ſetzbuchs (Heidelberg 1843). S. 16.
d) V. O. vom 3. Jan. 1849. §. 27. 38. 60. — Einführungsgeſetz vom 14. April 1851. Art. VIII. IX.
e) Eine ſolche Bedeutung wie im Franzöſiſchen Recht, namentlich in Beziehung auf die Beſtrafung des Rückfalls, hat dieſes Moment bei uns allerdings nicht; ſ. Chauveau I. c. chap. II. in f.
f)Kommiſſionsbericht der zweiten Kammer, zu §. 1.
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§. 1. Die Dreitheilung.
macht ſich das Bedürfniß geltend, die Kompetenz der Vierteljahrs-Siz-
zungen der Friedensrichter zu erweitern.
Die Zweckmäßigkeit der Dreitheilung für die Kompetenzbeſtim-
mung wird nun auch von ſolchen anerkannt, welche ihre Nothwen-
digkeit in Abrede ſtellen. c) Daß man ſich für die Schwurgerichte ohne
ſie behelfen kann, hat allerdings, wenn man ſonſt noch daran zweifeln
ſollte, die neuere Preußiſche Geſetzgebung gezeigt; d) aber wie ſehr die
Rechtsſicherheit gewinnt, wenn ſchon das materielle Strafrecht auf die
Gerichtsverfaſſung und das gerichtliche Verfahren Rückſicht nimmt, wird
die nächſte Zukunft bei uns zeigen. Für manche Verhältniſſe iſt es
außerdem noch von beſonderer Wichtigkeit, daß der ſtrafrechtliche Cha-
rakter der Handlungen, welche unter Verfolgung geſtellt ſind, durch das
rechtskräftige Urtheil, welches die Strafe auferlegt, beſtimmt wird. e)
Nach dieſer allgemeinen Erörterung über den Werth und die Be-
deutung der Dreitheilung können die einzelnen Punkte, welche dabei noch
beſonders zu erwägen ſind, in Betracht gezogen werden.
I. Das Strafmaaß, nach welchem ſich die Unterſcheidung der
Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen richtet, iſt im Strafgeſetzbuch
abweichend von den Beſtimmungen des Rheiniſchen Rechts und der
Verordnung vom 3. Jan. 1849. feſtgeſtellt worden. Doch iſt dieſe Ver-
ſchiedenheit hinſichtlich der Verbrechen im Grunde nur eine ſcheinbare
und auf keinen Fall ſo weſentlich, wie es auf den erſten Blick den An-
ſchein hat. Zwangsarbeit und Rekluſion, welche der Code pénal als zwei
Arten der entehrenden Strafen auseinander hält, fallen in der Wirklichkeit
doch bei uns zuſammen, da ſie in denſelben Strafanſtalten vollſtreckt
werden, und das Minimum der Zuchthausſtrafe von zwei Jahren, wel-
ches das Strafgeſetzbuch im Gegenſatz zu dem von fünf Jahren im
Rheiniſchen Recht, angenommen hat, ſtellt ſich weſentlich nur als eine
Milderung dar, da im Allgemeinen dieſelben Handlungen mit der Zucht-
hausſtrafe belegt ſind, welche das Rheiniſche Recht mit Zwangsarbeit und
Rekluſion bedroht. f) — In Beziehung auf die Verordnung vom 3. Jan.
1849. §. 60. welche diejenigen Verbrechen, die mit einer härteren als
dreijährigen Freiheitsſtrafe bedroht ſind, vor die Geſchworenen verweiſt,
c) (Ruppenthal) Bemerkungen über den Entwurf des Preußiſchen Strafge-
ſetzbuchs (Heidelberg 1843). S. 16.
d) V. O. vom 3. Jan. 1849. §. 27. 38. 60. — Einführungsgeſetz vom
14. April 1851. Art. VIII. IX.
e) Eine ſolche Bedeutung wie im Franzöſiſchen Recht, namentlich in Beziehung
auf die Beſtrafung des Rückfalls, hat dieſes Moment bei uns allerdings nicht; ſ.
Chauveau I. c. chap. II. in f.
f) Kommiſſionsbericht der zweiten Kammer, zu §. 1.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/73>, abgerufen am 23.07.2024.
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