Einverständniß mit dem Vertreter der Regierung diese Bestimmung in das Einführungsgesetz auf, um dadurch eine bisher in der Praxis vor- gekommene Streitfrage zu erledigen. Das Königliche Ober-Tribunal und mit ihm die Mehrzahl der Gerichtshöfe haben schon seit längerer Zeit die jetzt gesetzlich festgestellte Ansicht befolgt. l)
III. Um alle Zweifel darüber zu beseitigen, daß die Rückfallsstrafe auch dann eintreten soll, wenn die früher erkannte Strafe zur Zeit, wo das spätere Verbrechen oder Vergehen verübt wurde, noch nicht voll- streckt war, ist auch darüber eine Bestimmung aufgenommen worden. Insofern durch diese Bestimmung eine Erläuterung des Strafgesetzbuchs gegeben werden sollte, wäre bei dessen deutlicher Fassung ein solcher Zusatz indessen nicht erforderlich gewesen; s. oben S. 213. 214.
C. In Betreff der zur Zeit der Einführung eines milderen Straf- gesetzes bereits rechtskräftig erkannten Strafen verfügte das Allgemeine Landrecht:
Einleitung §. 18. Die Minderung der in einer älteren Ver- ordnung festgesetzten Strafe kommt auch demjenigen Uebertreter zu Stat- ten, an welchem diese Strafe, zur Zeit der Publication des neueren Gesetzes, noch nicht vollzogen war."
Die Regierungsvorlage von 1850. Art. VII. enthielt hierüber fol- gende Bestimmung:
"Wir behalten Uns vor, in den Fällen, in welchen die bereits rechtskräftig erkannte Strafe noch nicht vollständig vollstreckt ist, das ge- genwärtige Strafgesetzbuch aber mildere Bestimmungen enthält, beson- dere Anordnungen zu treffen.
Der §. 18. der Einleitung zum Allgem. Landrecht wird hierdurch aufgehoben."
In der Kommission der zweiten Kammer wurde in dieser Beziehung von dem Vertreter der Staatsregierung die Erläuterung gegeben, "daß es die Absicht der Regierung sei, diese Angelegenheit im administrativen Wege zu reguliren, dergestalt, daß nach einer zu erlassenden Instruktion die Gerichte diejenigen älteren Fälle, für welche nach dem Strafgesetz- buche eine mildere Strafe vorgeschrieben sei, anzuzeigen hätten, um ge- eigneten Falles im Wege der Begnadigung eine Strafminderung zu veranlassen."
"Die Kommissiou", heißt es im Bericht weiter, "hielt es nicht für ihre Aufgabe, das zu beobachtende Verfahren einer Prüfung zu un- terwerfen, erklärte sich aber damit einverstanden, daß es unausführbar sei, eine Revision der sämmtlichen früheren Straffälle im Wege der
l)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu Art. VI.
Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.
Einverſtändniß mit dem Vertreter der Regierung dieſe Beſtimmung in das Einführungsgeſetz auf, um dadurch eine bisher in der Praxis vor- gekommene Streitfrage zu erledigen. Das Königliche Ober-Tribunal und mit ihm die Mehrzahl der Gerichtshöfe haben ſchon ſeit längerer Zeit die jetzt geſetzlich feſtgeſtellte Anſicht befolgt. l)
III. Um alle Zweifel darüber zu beſeitigen, daß die Rückfallsſtrafe auch dann eintreten ſoll, wenn die früher erkannte Strafe zur Zeit, wo das ſpätere Verbrechen oder Vergehen verübt wurde, noch nicht voll- ſtreckt war, iſt auch darüber eine Beſtimmung aufgenommen worden. Inſofern durch dieſe Beſtimmung eine Erläuterung des Strafgeſetzbuchs gegeben werden ſollte, wäre bei deſſen deutlicher Faſſung ein ſolcher Zuſatz indeſſen nicht erforderlich geweſen; ſ. oben S. 213. 214.
C. In Betreff der zur Zeit der Einführung eines milderen Straf- geſetzes bereits rechtskräftig erkannten Strafen verfügte das Allgemeine Landrecht:
Einleitung §. 18. Die Minderung der in einer älteren Ver- ordnung feſtgeſetzten Strafe kommt auch demjenigen Uebertreter zu Stat- ten, an welchem dieſe Strafe, zur Zeit der Publication des neueren Geſetzes, noch nicht vollzogen war.“
Die Regierungsvorlage von 1850. Art. VII. enthielt hierüber fol- gende Beſtimmung:
„Wir behalten Uns vor, in den Fällen, in welchen die bereits rechtskräftig erkannte Strafe noch nicht vollſtändig vollſtreckt iſt, das ge- genwärtige Strafgeſetzbuch aber mildere Beſtimmungen enthält, beſon- dere Anordnungen zu treffen.
Der §. 18. der Einleitung zum Allgem. Landrecht wird hierdurch aufgehoben.“
In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde in dieſer Beziehung von dem Vertreter der Staatsregierung die Erläuterung gegeben, „daß es die Abſicht der Regierung ſei, dieſe Angelegenheit im adminiſtrativen Wege zu reguliren, dergeſtalt, daß nach einer zu erlaſſenden Inſtruktion die Gerichte diejenigen älteren Fälle, für welche nach dem Strafgeſetz- buche eine mildere Strafe vorgeſchrieben ſei, anzuzeigen hätten, um ge- eigneten Falles im Wege der Begnadigung eine Strafminderung zu veranlaſſen.“
„Die Kommiſſiou“, heißt es im Bericht weiter, „hielt es nicht für ihre Aufgabe, das zu beobachtende Verfahren einer Prüfung zu un- terwerfen, erklärte ſich aber damit einverſtanden, daß es unausführbar ſei, eine Reviſion der ſämmtlichen früheren Straffälle im Wege der
l)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Art. VI.
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[606/0616]
Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.
Einverſtändniß mit dem Vertreter der Regierung dieſe Beſtimmung in
das Einführungsgeſetz auf, um dadurch eine bisher in der Praxis vor-
gekommene Streitfrage zu erledigen. Das Königliche Ober-Tribunal
und mit ihm die Mehrzahl der Gerichtshöfe haben ſchon ſeit längerer
Zeit die jetzt geſetzlich feſtgeſtellte Anſicht befolgt. l)
III. Um alle Zweifel darüber zu beſeitigen, daß die Rückfallsſtrafe
auch dann eintreten ſoll, wenn die früher erkannte Strafe zur Zeit, wo
das ſpätere Verbrechen oder Vergehen verübt wurde, noch nicht voll-
ſtreckt war, iſt auch darüber eine Beſtimmung aufgenommen worden.
Inſofern durch dieſe Beſtimmung eine Erläuterung des Strafgeſetzbuchs
gegeben werden ſollte, wäre bei deſſen deutlicher Faſſung ein ſolcher
Zuſatz indeſſen nicht erforderlich geweſen; ſ. oben S. 213. 214.
C. In Betreff der zur Zeit der Einführung eines milderen Straf-
geſetzes bereits rechtskräftig erkannten Strafen verfügte das Allgemeine
Landrecht:
Einleitung §. 18. Die Minderung der in einer älteren Ver-
ordnung feſtgeſetzten Strafe kommt auch demjenigen Uebertreter zu Stat-
ten, an welchem dieſe Strafe, zur Zeit der Publication des neueren
Geſetzes, noch nicht vollzogen war.“
Die Regierungsvorlage von 1850. Art. VII. enthielt hierüber fol-
gende Beſtimmung:
„Wir behalten Uns vor, in den Fällen, in welchen die bereits
rechtskräftig erkannte Strafe noch nicht vollſtändig vollſtreckt iſt, das ge-
genwärtige Strafgeſetzbuch aber mildere Beſtimmungen enthält, beſon-
dere Anordnungen zu treffen.
Der §. 18. der Einleitung zum Allgem. Landrecht wird hierdurch
aufgehoben.“
In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde in dieſer Beziehung
von dem Vertreter der Staatsregierung die Erläuterung gegeben, „daß
es die Abſicht der Regierung ſei, dieſe Angelegenheit im adminiſtrativen
Wege zu reguliren, dergeſtalt, daß nach einer zu erlaſſenden Inſtruktion
die Gerichte diejenigen älteren Fälle, für welche nach dem Strafgeſetz-
buche eine mildere Strafe vorgeſchrieben ſei, anzuzeigen hätten, um ge-
eigneten Falles im Wege der Begnadigung eine Strafminderung zu
veranlaſſen.“
„Die Kommiſſiou“, heißt es im Bericht weiter, „hielt es nicht
für ihre Aufgabe, das zu beobachtende Verfahren einer Prüfung zu un-
terwerfen, erklärte ſich aber damit einverſtanden, daß es unausführbar
ſei, eine Reviſion der ſämmtlichen früheren Straffälle im Wege der
l) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Art. VI.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/616>, abgerufen am 16.07.2024.
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