nur um Strafvorschriften zum Schutze der öffentlichen Ordnung handle. Der Ausschuß trat in Beziehung auf die Gehülfen und Begünstiger dem Antrage bei, wollte aber die Straflosigkeit der Anstifter nicht aus- sprechen. n) Doch läßt sich auch diese rechtfertigen, wie sich leicht er- giebt, wenn man die einzelnen Fälle der Uebertretungen näher analysirt. Selbst für die unter die Uebertretungen aufgenommenen Rechtsverletzun- gen (einfache Ehrverletzung u. s. w.) erscheint die Annahme des Grund- satzes unbedenklich; über Bettelei s. §. 341.
IV. Ueber Vorsatz und Fahrlässigkeit bestimmte der Entwurf von 1847.
§. 422. "Die Strafe, mit welcher ein Polizeivergehen bedrohet ist, soll angewendet werden, es mag dasselbe vorsätzlich oder aus Fahr- lässigkeit verübt worden sein."
Diese Vorschrift ist wie alle denselben Gegenstand betreffenden aus dem Strafgesetzbuch weggelassen worden; sie hat aber ihre innere Be- gründung, da es bei den Verletzungen eines polizeilichen Verbotes nicht auf die Absicht, sondern nur auf die That in ihrer äußern Erscheinung ankommt. o) Doch gilt dieß nicht für solche Handlungen, welche eine wahre Rechtsverletzung enthalten, und nur mit Rücksicht auf das Straf- maaß unter die Uebertretungen gestellt sind. Die einfache Ehrverletzung z. B. kann ebenso wenig als eine fahrlässige gedacht werden, wie die öffentliche, und der Diebstahl an Eßwaaren setzt einen kriminellen Do- lus voraus.
V. Jede Handlung, welche mit einer Strafe belegt werden soll, muß auf den Willen des Thäters zurückgeführt werden können; die Un- zurechnungsfähigkeit (§. 40.) kommt bei Uebertretungen so gut wie bei Verbrechen und Vergehen in Betracht, und ist auch bei Kindern anzu- nehmen, die ohne Unterscheidungsvermögen gehandelt haben. Darüber bedurfte es keiner besonderen gesetzlichen Bestimmung.
VI. Der Rückfall ist als ein Moment der Strafzumessung, wenn auch nur innerhalb des gesetzlichen Strafmaaßes, anerkannt (§. 336. Abs. 2.). Es darf aber, da bei den Uebertretungen eine strengere Rechts- anwendung nicht zu vermuthen ist, angenommen werden, daß die §. 58. aufgestellten Bedingungen der Rückfallsstrafe -- also Gleichheit der meh- reren Uebertretungen und vorhergegangene Verurtheilung durch ein Preu- ßisches Gericht -- auch hier ihre Anwendung finden. Das letztere Er-
n)Verhandlungen. IV. S. 584-86.
o)Chauveau et Helie Faustin, Theorie du Code penal. chap. LXXXIII. IV. p. 280. 281. Vgl. oben S. 49.
§§. 336-339. Allgemeine Beſtimmungen.
nur um Strafvorſchriften zum Schutze der öffentlichen Ordnung handle. Der Ausſchuß trat in Beziehung auf die Gehülfen und Begünſtiger dem Antrage bei, wollte aber die Strafloſigkeit der Anſtifter nicht aus- ſprechen. n) Doch läßt ſich auch dieſe rechtfertigen, wie ſich leicht er- giebt, wenn man die einzelnen Fälle der Uebertretungen näher analyſirt. Selbſt für die unter die Uebertretungen aufgenommenen Rechtsverletzun- gen (einfache Ehrverletzung u. ſ. w.) erſcheint die Annahme des Grund- ſatzes unbedenklich; über Bettelei ſ. §. 341.
IV. Ueber Vorſatz und Fahrläſſigkeit beſtimmte der Entwurf von 1847.
§. 422. „Die Strafe, mit welcher ein Polizeivergehen bedrohet iſt, ſoll angewendet werden, es mag daſſelbe vorſätzlich oder aus Fahr- läſſigkeit verübt worden ſein.“
Dieſe Vorſchrift iſt wie alle denſelben Gegenſtand betreffenden aus dem Strafgeſetzbuch weggelaſſen worden; ſie hat aber ihre innere Be- gründung, da es bei den Verletzungen eines polizeilichen Verbotes nicht auf die Abſicht, ſondern nur auf die That in ihrer äußern Erſcheinung ankommt. o) Doch gilt dieß nicht für ſolche Handlungen, welche eine wahre Rechtsverletzung enthalten, und nur mit Rückſicht auf das Straf- maaß unter die Uebertretungen geſtellt ſind. Die einfache Ehrverletzung z. B. kann ebenſo wenig als eine fahrläſſige gedacht werden, wie die öffentliche, und der Diebſtahl an Eßwaaren ſetzt einen kriminellen Do- lus voraus.
V. Jede Handlung, welche mit einer Strafe belegt werden ſoll, muß auf den Willen des Thäters zurückgeführt werden können; die Un- zurechnungsfähigkeit (§. 40.) kommt bei Uebertretungen ſo gut wie bei Verbrechen und Vergehen in Betracht, und iſt auch bei Kindern anzu- nehmen, die ohne Unterſcheidungsvermögen gehandelt haben. Darüber bedurfte es keiner beſonderen geſetzlichen Beſtimmung.
VI. Der Rückfall iſt als ein Moment der Strafzumeſſung, wenn auch nur innerhalb des geſetzlichen Strafmaaßes, anerkannt (§. 336. Abſ. 2.). Es darf aber, da bei den Uebertretungen eine ſtrengere Rechts- anwendung nicht zu vermuthen iſt, angenommen werden, daß die §. 58. aufgeſtellten Bedingungen der Rückfallsſtrafe — alſo Gleichheit der meh- reren Uebertretungen und vorhergegangene Verurtheilung durch ein Preu- ßiſches Gericht — auch hier ihre Anwendung finden. Das letztere Er-
n)Verhandlungen. IV. S. 584-86.
o)Chauveau et Hélie Faustin, Théorie du Code pénal. chap. LXXXIII. IV. p. 280. 281. Vgl. oben S. 49.
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nur um Strafvorſchriften zum Schutze der öffentlichen Ordnung handle.
Der Ausſchuß trat in Beziehung auf die Gehülfen und Begünſtiger
dem Antrage bei, wollte aber die Strafloſigkeit der Anſtifter nicht aus-
ſprechen. n) Doch läßt ſich auch dieſe rechtfertigen, wie ſich leicht er-
giebt, wenn man die einzelnen Fälle der Uebertretungen näher analyſirt.
Selbſt für die unter die Uebertretungen aufgenommenen Rechtsverletzun-
gen (einfache Ehrverletzung u. ſ. w.) erſcheint die Annahme des Grund-
ſatzes unbedenklich; über Bettelei ſ. §. 341.
IV. Ueber Vorſatz und Fahrläſſigkeit beſtimmte der Entwurf von
1847.
§. 422. „Die Strafe, mit welcher ein Polizeivergehen bedrohet
iſt, ſoll angewendet werden, es mag daſſelbe vorſätzlich oder aus Fahr-
läſſigkeit verübt worden ſein.“
Dieſe Vorſchrift iſt wie alle denſelben Gegenſtand betreffenden aus
dem Strafgeſetzbuch weggelaſſen worden; ſie hat aber ihre innere Be-
gründung, da es bei den Verletzungen eines polizeilichen Verbotes nicht
auf die Abſicht, ſondern nur auf die That in ihrer äußern Erſcheinung
ankommt. o) Doch gilt dieß nicht für ſolche Handlungen, welche eine
wahre Rechtsverletzung enthalten, und nur mit Rückſicht auf das Straf-
maaß unter die Uebertretungen geſtellt ſind. Die einfache Ehrverletzung
z. B. kann ebenſo wenig als eine fahrläſſige gedacht werden, wie die
öffentliche, und der Diebſtahl an Eßwaaren ſetzt einen kriminellen Do-
lus voraus.
V. Jede Handlung, welche mit einer Strafe belegt werden ſoll,
muß auf den Willen des Thäters zurückgeführt werden können; die Un-
zurechnungsfähigkeit (§. 40.) kommt bei Uebertretungen ſo gut wie bei
Verbrechen und Vergehen in Betracht, und iſt auch bei Kindern anzu-
nehmen, die ohne Unterſcheidungsvermögen gehandelt haben. Darüber
bedurfte es keiner beſonderen geſetzlichen Beſtimmung.
VI. Der Rückfall iſt als ein Moment der Strafzumeſſung, wenn
auch nur innerhalb des geſetzlichen Strafmaaßes, anerkannt (§. 336.
Abſ. 2.). Es darf aber, da bei den Uebertretungen eine ſtrengere Rechts-
anwendung nicht zu vermuthen iſt, angenommen werden, daß die §. 58.
aufgeſtellten Bedingungen der Rückfallsſtrafe — alſo Gleichheit der meh-
reren Uebertretungen und vorhergegangene Verurtheilung durch ein Preu-
ßiſches Gericht — auch hier ihre Anwendung finden. Das letztere Er-
n) Verhandlungen. IV. S. 584-86.
o) Chauveau et Hélie Faustin, Théorie du Code pénal. chap.
LXXXIII. IV. p. 280. 281. Vgl. oben S. 49.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 577. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/587>, abgerufen am 16.07.2024.
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