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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXVIII. Verbr. u. Verg. im Amte.
statt der Amtsentsetzung oder Kassation, Strafarbeit bis zu drei Jah-
ren ein."

Erst in den Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846.
fand diese ganze Auffassung einen lebhaften Widerspruch, indem theils
das Princip an sich, theils die Strafverwandlung als ungerechtfertigt
angegriffen wurde. g) Es blieb jedoch im Wesentlichen bei den früheren
Bestimmungen, und erst der Entwurf von 1850. §. 303. ließ in Folge
des angenommenen Grundsatzes, daß der Strafrichter nicht mehr auf
Amtsentsetzung, sondern nur in Form einer Nebenstrafe auf Unfähigkeit
zu öffentlichen Aemtern erkennt, die Anordnungen über die Strafver-
wandlung weg. h)

a. Nichtbeamte werden, wenn sie an einem Amtsverbrechen oder
Amtsvergehen Theil nehmen, nach den allgemeinen Grundsätzen über
Theilnahme (Th. I. Tit. 3.) bestraft, insoweit keine Ausnahme bestimmt
ist. Eine solche soll namentlich in Betreff der in §. 309. vorgesehenen
Art der Bestechung gelten; sie findet aber auch statt, wenn ein Dritter
einen Beamten oder Schiedsrichter durch Bestechung zu einer Pflicht-
widrigkeit, welche nicht unter die Vorschriften der §§. 312. und 313.
fällt, verleitet oder zu verleiten sucht, indem ein solches Vergehen in
§. 311. mit einer selbständigen Strafe bedroht ist.

b. Wenn die Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern als Nebenstrafe
angedroht ist, so bezieht sich dieß auf die besondere Pflichtverletzung,
welche der Thäter in seiner amtlichen Stellung begangen hat, und hängt
mit der eigenthümlichen Beschaffenheit dieses Amtes und mit dessen
Verhältniß zu dem Verbrechen oder Vergehen zusammen. Diese Neben-
strafe trifft daher nur den Thäter und nicht den nichtbeamteten Theil-
nehmer, auf den sie auch in Beziehung auf ihre unmittelbare Wirkung,
nämlich den Verlust des Amtes (§. 25.), gar keine, und wegen der
Folgen für die Zukunft nur eine zufällige Anwendung finden könnte.
Werden doch bei Weitem die meisten Personen, welche keine Beamte
sind, auch nicht die Absicht haben, es später zu werden. -- Selbst dann,
wenn ein Beamter Theilnehmer eines Vergehens ist, welches ein anderer
Beamter verübt hat, und die Berufskreise Beider verschieden sind, ist die
gegen den Letzteren angedrohte Strafe der Unfähigkeit zu öffentlichen
Aemtern gegen den Ersteren als Theilnehmer nicht anwendbar. Denn
auch hier ist zu erwägen, daß die Beschaffenheit des Amtes auf die
Strafzumessung von Einfluß ist, daß z. B. jene Nebenstrafe gegen den
Postbeamten wegen Verletzung des Briefgeheimnisses (§. 328.) wohl

g) Verhandlungen von 1846. S. 189-91.
h) Motive zum Entwurf von 1850. §. 303.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXVIII. Verbr. u. Verg. im Amte.
ſtatt der Amtsentſetzung oder Kaſſation, Strafarbeit bis zu drei Jah-
ren ein.“

Erſt in den Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846.
fand dieſe ganze Auffaſſung einen lebhaften Widerſpruch, indem theils
das Princip an ſich, theils die Strafverwandlung als ungerechtfertigt
angegriffen wurde. g) Es blieb jedoch im Weſentlichen bei den früheren
Beſtimmungen, und erſt der Entwurf von 1850. §. 303. ließ in Folge
des angenommenen Grundſatzes, daß der Strafrichter nicht mehr auf
Amtsentſetzung, ſondern nur in Form einer Nebenſtrafe auf Unfähigkeit
zu öffentlichen Aemtern erkennt, die Anordnungen über die Strafver-
wandlung weg. h)

a. Nichtbeamte werden, wenn ſie an einem Amtsverbrechen oder
Amtsvergehen Theil nehmen, nach den allgemeinen Grundſätzen über
Theilnahme (Th. I. Tit. 3.) beſtraft, inſoweit keine Ausnahme beſtimmt
iſt. Eine ſolche ſoll namentlich in Betreff der in §. 309. vorgeſehenen
Art der Beſtechung gelten; ſie findet aber auch ſtatt, wenn ein Dritter
einen Beamten oder Schiedsrichter durch Beſtechung zu einer Pflicht-
widrigkeit, welche nicht unter die Vorſchriften der §§. 312. und 313.
fällt, verleitet oder zu verleiten ſucht, indem ein ſolches Vergehen in
§. 311. mit einer ſelbſtändigen Strafe bedroht iſt.

b. Wenn die Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern als Nebenſtrafe
angedroht iſt, ſo bezieht ſich dieß auf die beſondere Pflichtverletzung,
welche der Thäter in ſeiner amtlichen Stellung begangen hat, und hängt
mit der eigenthümlichen Beſchaffenheit dieſes Amtes und mit deſſen
Verhältniß zu dem Verbrechen oder Vergehen zuſammen. Dieſe Neben-
ſtrafe trifft daher nur den Thäter und nicht den nichtbeamteten Theil-
nehmer, auf den ſie auch in Beziehung auf ihre unmittelbare Wirkung,
nämlich den Verluſt des Amtes (§. 25.), gar keine, und wegen der
Folgen für die Zukunft nur eine zufällige Anwendung finden könnte.
Werden doch bei Weitem die meiſten Perſonen, welche keine Beamte
ſind, auch nicht die Abſicht haben, es ſpäter zu werden. — Selbſt dann,
wenn ein Beamter Theilnehmer eines Vergehens iſt, welches ein anderer
Beamter verübt hat, und die Berufskreiſe Beider verſchieden ſind, iſt die
gegen den Letzteren angedrohte Strafe der Unfähigkeit zu öffentlichen
Aemtern gegen den Erſteren als Theilnehmer nicht anwendbar. Denn
auch hier iſt zu erwägen, daß die Beſchaffenheit des Amtes auf die
Strafzumeſſung von Einfluß iſt, daß z. B. jene Nebenſtrafe gegen den
Poſtbeamten wegen Verletzung des Briefgeheimniſſes (§. 328.) wohl

g) Verhandlungen von 1846. S. 189-91.
h) Motive zum Entwurf von 1850. §. 303.
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[566/0576] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXVIII. Verbr. u. Verg. im Amte. ſtatt der Amtsentſetzung oder Kaſſation, Strafarbeit bis zu drei Jah- ren ein.“ Erſt in den Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. fand dieſe ganze Auffaſſung einen lebhaften Widerſpruch, indem theils das Princip an ſich, theils die Strafverwandlung als ungerechtfertigt angegriffen wurde. g) Es blieb jedoch im Weſentlichen bei den früheren Beſtimmungen, und erſt der Entwurf von 1850. §. 303. ließ in Folge des angenommenen Grundſatzes, daß der Strafrichter nicht mehr auf Amtsentſetzung, ſondern nur in Form einer Nebenſtrafe auf Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern erkennt, die Anordnungen über die Strafver- wandlung weg. h) a. Nichtbeamte werden, wenn ſie an einem Amtsverbrechen oder Amtsvergehen Theil nehmen, nach den allgemeinen Grundſätzen über Theilnahme (Th. I. Tit. 3.) beſtraft, inſoweit keine Ausnahme beſtimmt iſt. Eine ſolche ſoll namentlich in Betreff der in §. 309. vorgeſehenen Art der Beſtechung gelten; ſie findet aber auch ſtatt, wenn ein Dritter einen Beamten oder Schiedsrichter durch Beſtechung zu einer Pflicht- widrigkeit, welche nicht unter die Vorſchriften der §§. 312. und 313. fällt, verleitet oder zu verleiten ſucht, indem ein ſolches Vergehen in §. 311. mit einer ſelbſtändigen Strafe bedroht iſt. b. Wenn die Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern als Nebenſtrafe angedroht iſt, ſo bezieht ſich dieß auf die beſondere Pflichtverletzung, welche der Thäter in ſeiner amtlichen Stellung begangen hat, und hängt mit der eigenthümlichen Beſchaffenheit dieſes Amtes und mit deſſen Verhältniß zu dem Verbrechen oder Vergehen zuſammen. Dieſe Neben- ſtrafe trifft daher nur den Thäter und nicht den nichtbeamteten Theil- nehmer, auf den ſie auch in Beziehung auf ihre unmittelbare Wirkung, nämlich den Verluſt des Amtes (§. 25.), gar keine, und wegen der Folgen für die Zukunft nur eine zufällige Anwendung finden könnte. Werden doch bei Weitem die meiſten Perſonen, welche keine Beamte ſind, auch nicht die Abſicht haben, es ſpäter zu werden. — Selbſt dann, wenn ein Beamter Theilnehmer eines Vergehens iſt, welches ein anderer Beamter verübt hat, und die Berufskreiſe Beider verſchieden ſind, iſt die gegen den Letzteren angedrohte Strafe der Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern gegen den Erſteren als Theilnehmer nicht anwendbar. Denn auch hier iſt zu erwägen, daß die Beſchaffenheit des Amtes auf die Strafzumeſſung von Einfluß iſt, daß z. B. jene Nebenſtrafe gegen den Poſtbeamten wegen Verletzung des Briefgeheimniſſes (§. 328.) wohl g) Verhandlungen von 1846. S. 189-91. h) Motive zum Entwurf von 1850. §. 303.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/576>, abgerufen am 27.04.2024.