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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
reizen, verleiten, verführen, falsche Entschuldigung, falsche Anzeige, un-
terschieden, aussetzen, lästern, verspotten. w)
c.Statt vorsätzlich ist zuweilen der Ausdruck wissentlich,
wissend, wider besseres Wissen gebraucht worden, weil eben der
Umstand, daß jemand von gewissen Thatsachen unterrichtet ist, und er
dessenungeachtet eine bestimmte Handlung unternimmt, diese zu einer
dolosen und deswegen zu einer strafbaren macht. Solche Bezeichnungen
finden sich bei der Theilnahme und der Begünstigung, bei dem Landes-
verrath, dem Meineid und den verwandten Verbrechen, der Bigamie,
der Hehlerei, dem Gebrauch falscher Urkunden, Maaße und Gewichte. x)
d.In zwei Fällen ist der Ausdruck vorsätzlich zur Bezeichnung
einer dolosen Handlung nicht für ausreichend gehalten worden, weil zum
Begriff des Verbrechens ein besonderes Merkmal gehört, welches in der
eigenthümlichen Form der Willensbestimmung zu suchen ist. Bei dem
Morde nämlich muß zu dem Vorsätzlichen der Handlung noch die Ue-
berlegung
(die Prämeditation) hinzutreten, wodurch er eben von dem
Todtschlage sich unterscheidet (§. 175, 176); und dem entsprechend ist
auch die Mißhandlung und Körperverletzung qualificirt worden, wenn
sie mit Ueberlegung verübt wird (§. 190), während umgekehrt der Affekt
(impetus) genau für dieselben Fälle als gesetzlicher Milderungsgrund
anerkannt ist (§. 177, 196).
e.Ist eine Handlung an sich nicht nothwendig strafbar, auch
wenn sie vorsätzlich begangen worden, sondern muß noch durch die be-
sonderen Umstände die Rechtswidrigkeit hinzukommen, so ist der Aus-
druck: vorsätzlich und rechtswidrig oder unbefugt gewählt. So
bei dem Einsperren eines Menschen und der Verhaftung, bei dem Ein-
dringen in die Wohnung, der Eröffnung fremder Briefe, der Beschädi-
gung fremder Sachen. y) Es wird hier also die Begehung einer solchen
Rechtswidrigkeit aus Fahrlässigkeit bestimmt ausgeschlossen, aber es kann
nach der Fassung des Gesetzes zweifelhaft sein, ob unter Vorsatz hier
schlechthin die auf die Vornahme der Handlung gerichtete Willensbestim-
mung verstanden wird, oder ob das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit
(des Unrechts) noch hinzukommen muß. Nach dem Begriff des straf-
baren Dolus ist das Letztere im Allgemeinen anzunehmen, nur daß auch
hier die verschiedenen Grade der Verschuldung, namentlich in Beziehung
auf Muthwillen oder frevelhaften Uebermuth (Iuxuria), ihre Berücksichti-
w) S. §. 36, 87, 88, 100, 109, 114, 132, 135, 138, 145, 149, 183.
x) S. §. 34, 37, 69, 125-27, 129, 130, 133, 139, 237, 238, 243, 249,
252-54, 257, 269, 326, 330.
y) S. §. 210, 211, 214, 280-83, 317, 318.
Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
reizen, verleiten, verführen, falſche Entſchuldigung, falſche Anzeige, un-
terſchieden, ausſetzen, läſtern, verſpotten. w)
c.Statt vorſätzlich iſt zuweilen der Ausdruck wiſſentlich,
wiſſend, wider beſſeres Wiſſen gebraucht worden, weil eben der
Umſtand, daß jemand von gewiſſen Thatſachen unterrichtet iſt, und er
deſſenungeachtet eine beſtimmte Handlung unternimmt, dieſe zu einer
doloſen und deswegen zu einer ſtrafbaren macht. Solche Bezeichnungen
finden ſich bei der Theilnahme und der Begünſtigung, bei dem Landes-
verrath, dem Meineid und den verwandten Verbrechen, der Bigamie,
der Hehlerei, dem Gebrauch falſcher Urkunden, Maaße und Gewichte. x)
d.In zwei Fällen iſt der Ausdruck vorſätzlich zur Bezeichnung
einer doloſen Handlung nicht für ausreichend gehalten worden, weil zum
Begriff des Verbrechens ein beſonderes Merkmal gehört, welches in der
eigenthümlichen Form der Willensbeſtimmung zu ſuchen iſt. Bei dem
Morde nämlich muß zu dem Vorſätzlichen der Handlung noch die Ue-
berlegung
(die Prämeditation) hinzutreten, wodurch er eben von dem
Todtſchlage ſich unterſcheidet (§. 175, 176); und dem entſprechend iſt
auch die Mißhandlung und Körperverletzung qualificirt worden, wenn
ſie mit Ueberlegung verübt wird (§. 190), während umgekehrt der Affekt
(impetus) genau für dieſelben Fälle als geſetzlicher Milderungsgrund
anerkannt iſt (§. 177, 196).
e.Iſt eine Handlung an ſich nicht nothwendig ſtrafbar, auch
wenn ſie vorſätzlich begangen worden, ſondern muß noch durch die be-
ſonderen Umſtände die Rechtswidrigkeit hinzukommen, ſo iſt der Aus-
druck: vorſätzlich und rechtswidrig oder unbefugt gewählt. So
bei dem Einſperren eines Menſchen und der Verhaftung, bei dem Ein-
dringen in die Wohnung, der Eröffnung fremder Briefe, der Beſchädi-
gung fremder Sachen. y) Es wird hier alſo die Begehung einer ſolchen
Rechtswidrigkeit aus Fahrläſſigkeit beſtimmt ausgeſchloſſen, aber es kann
nach der Faſſung des Geſetzes zweifelhaft ſein, ob unter Vorſatz hier
ſchlechthin die auf die Vornahme der Handlung gerichtete Willensbeſtim-
mung verſtanden wird, oder ob das Bewußtſein der Rechtswidrigkeit
(des Unrechts) noch hinzukommen muß. Nach dem Begriff des ſtraf-
baren Dolus iſt das Letztere im Allgemeinen anzunehmen, nur daß auch
hier die verſchiedenen Grade der Verſchuldung, namentlich in Beziehung
auf Muthwillen oder frevelhaften Uebermuth (Iuxuria), ihre Berückſichti-
w) S. §. 36, 87, 88, 100, 109, 114, 132, 135, 138, 145, 149, 183.
x) S. §. 34, 37, 69, 125-27, 129, 130, 133, 139, 237, 238, 243, 249,
252-54, 257, 269, 326, 330.
y) S. §. 210, 211, 214, 280-83, 317, 318.
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[46/0056] Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen. reizen, verleiten, verführen, falſche Entſchuldigung, falſche Anzeige, un- terſchieden, ausſetzen, läſtern, verſpotten. w) c.Statt vorſätzlich iſt zuweilen der Ausdruck wiſſentlich, wiſſend, wider beſſeres Wiſſen gebraucht worden, weil eben der Umſtand, daß jemand von gewiſſen Thatſachen unterrichtet iſt, und er deſſenungeachtet eine beſtimmte Handlung unternimmt, dieſe zu einer doloſen und deswegen zu einer ſtrafbaren macht. Solche Bezeichnungen finden ſich bei der Theilnahme und der Begünſtigung, bei dem Landes- verrath, dem Meineid und den verwandten Verbrechen, der Bigamie, der Hehlerei, dem Gebrauch falſcher Urkunden, Maaße und Gewichte. x) d.In zwei Fällen iſt der Ausdruck vorſätzlich zur Bezeichnung einer doloſen Handlung nicht für ausreichend gehalten worden, weil zum Begriff des Verbrechens ein beſonderes Merkmal gehört, welches in der eigenthümlichen Form der Willensbeſtimmung zu ſuchen iſt. Bei dem Morde nämlich muß zu dem Vorſätzlichen der Handlung noch die Ue- berlegung (die Prämeditation) hinzutreten, wodurch er eben von dem Todtſchlage ſich unterſcheidet (§. 175, 176); und dem entſprechend iſt auch die Mißhandlung und Körperverletzung qualificirt worden, wenn ſie mit Ueberlegung verübt wird (§. 190), während umgekehrt der Affekt (impetus) genau für dieſelben Fälle als geſetzlicher Milderungsgrund anerkannt iſt (§. 177, 196). e.Iſt eine Handlung an ſich nicht nothwendig ſtrafbar, auch wenn ſie vorſätzlich begangen worden, ſondern muß noch durch die be- ſonderen Umſtände die Rechtswidrigkeit hinzukommen, ſo iſt der Aus- druck: vorſätzlich und rechtswidrig oder unbefugt gewählt. So bei dem Einſperren eines Menſchen und der Verhaftung, bei dem Ein- dringen in die Wohnung, der Eröffnung fremder Briefe, der Beſchädi- gung fremder Sachen. y) Es wird hier alſo die Begehung einer ſolchen Rechtswidrigkeit aus Fahrläſſigkeit beſtimmt ausgeſchloſſen, aber es kann nach der Faſſung des Geſetzes zweifelhaft ſein, ob unter Vorſatz hier ſchlechthin die auf die Vornahme der Handlung gerichtete Willensbeſtim- mung verſtanden wird, oder ob das Bewußtſein der Rechtswidrigkeit (des Unrechts) noch hinzukommen muß. Nach dem Begriff des ſtraf- baren Dolus iſt das Letztere im Allgemeinen anzunehmen, nur daß auch hier die verſchiedenen Grade der Verſchuldung, namentlich in Beziehung auf Muthwillen oder frevelhaften Uebermuth (Iuxuria), ihre Berückſichti- w) S. §. 36, 87, 88, 100, 109, 114, 132, 135, 138, 145, 149, 183. x) S. §. 34, 37, 69, 125-27, 129, 130, 133, 139, 237, 238, 243, 249, 252-54, 257, 269, 326, 330. y) S. §. 210, 211, 214, 280-83, 317, 318.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/56>, abgerufen am 23.11.2024.