Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXVIII. Verbr. u. Verg. im Amte.
Die Würde des Amtes ist aber nicht allein durch die Sicherheit vor willkührlicher Entziehung und Beeinträchtigung bedingt; es darf an demselben auch nicht der Flecken des Mißtrauens und der kleinlichen Bevormundung haften. Das ist namentlich, abgesehen von der weiteren politischen Bedeutung der Sache, die Gefahr der neueren Disziplinar- gesetze, welche die Beamten in dem Zustande fortwährender Ueberwa- chung vor dem Publikum erscheinen lassen, und wenn sie auch in ein- zelnen Fällen durch die strengere Zucht, welche sie herbeiführen, einen heilsamen Einfluß äußern können, doch im Großen und Ganzen genommen, das Selbstbewußtsein des Standes schwächen und die öffentliche Meinung gegen denselben einnehmen müssen. In dieser Hin- sicht kommt es weniger auf die Ausführung als auf die bloße Existenz solcher gesetzlicher Anordnungen an, zumal wenn begründete Zweifel rege werden, ob das Interesse des Dienstes, in welchem sie erlassen sind, auch mit dem des Publikums immer übereintrifft.
Die praktische Lösung der hier behandelten Frage ruht mehr noch in der Bestimmung, wer über die Bestrafung eines Beamten und na- mentlich über seine Dienstentlassung zu entscheiden hat, als in der Fest- stellung der Gründe, aus denen es geschehen kann: ob Richterspruch oder Verwaltungsmaaßregel, -- das ist die entscheidende Frage. Die- selbe wurde im Sinne der älteren Jurisprudenz von Suarez beantwortet, indem er in dem civilrechtlichen Theile seines Entwurfs zum Allgem. Gesetzbuch Th. I. Abth. II. Tit. 5. §. 70. den Grundsatz aufstellte:
"Kein Civilbeamter soll des ihm einmal verliehenen Amtes ohne Urtel und Recht wieder entsetzt werden."
Im Sinne dieses Ausspruches ist das Allgem. Landrecht (Th. II. Tit. 20. Abschn. 8. §. 323-508.) "Von den Verbrechen der Diener des Staates" behandelt worden; ja die einzelnen Strafbestimmungen weisen deutlich darauf hin, daß auch die geringeren Versehen im Amte und überhaupt der unwürdige Lebenswandel Gegenstand strafrichterlicher Entscheidung sein soll. So heißt es a. a. O.
§. 333. "Wer den Vorschriften seines Amtes vorsätzlich zuwider handelt, der soll sofort cassirt, außerdem, nach Beschaffenheit des Ver- gehens und des verursachten Schadens, mit verhältnißmäßiger Geld-, Gefängniß- oder Festungsstrafe belegt und zu allen ferneren öffentlichen Aemtern unfähig erklärt werden."
§. 334. "Wer aus grober Fahrlässigkeit oder Unwissenheit seine Amtspflichten verletzt, hat verhältnißmäßige Geldstrafe, Degradation oder Cassation verwirkt."
§. 335. "Wer sich geringer Versehen in seinen Amtspflichten schuldig gemacht hat, soll durch Warnung, Verweise und geringe
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXVIII. Verbr. u. Verg. im Amte.
Die Würde des Amtes iſt aber nicht allein durch die Sicherheit vor willkührlicher Entziehung und Beeinträchtigung bedingt; es darf an demſelben auch nicht der Flecken des Mißtrauens und der kleinlichen Bevormundung haften. Das iſt namentlich, abgeſehen von der weiteren politiſchen Bedeutung der Sache, die Gefahr der neueren Disziplinar- geſetze, welche die Beamten in dem Zuſtande fortwährender Ueberwa- chung vor dem Publikum erſcheinen laſſen, und wenn ſie auch in ein- zelnen Fällen durch die ſtrengere Zucht, welche ſie herbeiführen, einen heilſamen Einfluß äußern können, doch im Großen und Ganzen genommen, das Selbſtbewußtſein des Standes ſchwächen und die öffentliche Meinung gegen denſelben einnehmen müſſen. In dieſer Hin- ſicht kommt es weniger auf die Ausführung als auf die bloße Exiſtenz ſolcher geſetzlicher Anordnungen an, zumal wenn begründete Zweifel rege werden, ob das Intereſſe des Dienſtes, in welchem ſie erlaſſen ſind, auch mit dem des Publikums immer übereintrifft.
Die praktiſche Löſung der hier behandelten Frage ruht mehr noch in der Beſtimmung, wer über die Beſtrafung eines Beamten und na- mentlich über ſeine Dienſtentlaſſung zu entſcheiden hat, als in der Feſt- ſtellung der Gründe, aus denen es geſchehen kann: ob Richterſpruch oder Verwaltungsmaaßregel, — das iſt die entſcheidende Frage. Die- ſelbe wurde im Sinne der älteren Jurisprudenz von Suarez beantwortet, indem er in dem civilrechtlichen Theile ſeines Entwurfs zum Allgem. Geſetzbuch Th. I. Abth. II. Tit. 5. §. 70. den Grundſatz aufſtellte:
„Kein Civilbeamter ſoll des ihm einmal verliehenen Amtes ohne Urtel und Recht wieder entſetzt werden.“
Im Sinne dieſes Ausſpruches iſt das Allgem. Landrecht (Th. II. Tit. 20. Abſchn. 8. §. 323-508.) „Von den Verbrechen der Diener des Staates“ behandelt worden; ja die einzelnen Strafbeſtimmungen weiſen deutlich darauf hin, daß auch die geringeren Verſehen im Amte und überhaupt der unwürdige Lebenswandel Gegenſtand ſtrafrichterlicher Entſcheidung ſein ſoll. So heißt es a. a. O.
§. 333. „Wer den Vorſchriften ſeines Amtes vorſätzlich zuwider handelt, der ſoll ſofort caſſirt, außerdem, nach Beſchaffenheit des Ver- gehens und des verurſachten Schadens, mit verhältnißmäßiger Geld-, Gefängniß- oder Feſtungsſtrafe belegt und zu allen ferneren öffentlichen Aemtern unfähig erklärt werden.“
§. 334. „Wer aus grober Fahrläſſigkeit oder Unwiſſenheit ſeine Amtspflichten verletzt, hat verhältnißmäßige Geldſtrafe, Degradation oder Caſſation verwirkt.“
§. 335. „Wer ſich geringer Verſehen in ſeinen Amtspflichten ſchuldig gemacht hat, ſoll durch Warnung, Verweiſe und geringe
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vor willkührlicher Entziehung und Beeinträchtigung bedingt; es darf an
demſelben auch nicht der Flecken des Mißtrauens und der kleinlichen
Bevormundung haften. Das iſt namentlich, abgeſehen von der weiteren
politiſchen Bedeutung der Sache, die Gefahr der neueren Disziplinar-
geſetze, welche die Beamten in dem Zuſtande fortwährender Ueberwa-
chung vor dem Publikum erſcheinen laſſen, und wenn ſie auch in ein-
zelnen Fällen durch die ſtrengere Zucht, welche ſie herbeiführen, einen
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genommen, das Selbſtbewußtſein des Standes ſchwächen und die
öffentliche Meinung gegen denſelben einnehmen müſſen. In dieſer Hin-
ſicht kommt es weniger auf die Ausführung als auf die bloße Exiſtenz
ſolcher geſetzlicher Anordnungen an, zumal wenn begründete Zweifel
rege werden, ob das Intereſſe des Dienſtes, in welchem ſie erlaſſen ſind,
auch mit dem des Publikums immer übereintrifft.
Die praktiſche Löſung der hier behandelten Frage ruht mehr noch
in der Beſtimmung, wer über die Beſtrafung eines Beamten und na-
mentlich über ſeine Dienſtentlaſſung zu entſcheiden hat, als in der Feſt-
ſtellung der Gründe, aus denen es geſchehen kann: ob Richterſpruch
oder Verwaltungsmaaßregel, — das iſt die entſcheidende Frage. Die-
ſelbe wurde im Sinne der älteren Jurisprudenz von Suarez beantwortet,
indem er in dem civilrechtlichen Theile ſeines Entwurfs zum Allgem.
Geſetzbuch Th. I. Abth. II. Tit. 5. §. 70. den Grundſatz aufſtellte:
„Kein Civilbeamter ſoll des ihm einmal verliehenen Amtes
ohne Urtel und Recht wieder entſetzt werden.“
Im Sinne dieſes Ausſpruches iſt das Allgem. Landrecht (Th. II.
Tit. 20. Abſchn. 8. §. 323-508.) „Von den Verbrechen der Diener
des Staates“ behandelt worden; ja die einzelnen Strafbeſtimmungen
weiſen deutlich darauf hin, daß auch die geringeren Verſehen im Amte
und überhaupt der unwürdige Lebenswandel Gegenſtand ſtrafrichterlicher
Entſcheidung ſein ſoll. So heißt es a. a. O.
§. 333. „Wer den Vorſchriften ſeines Amtes vorſätzlich zuwider
handelt, der ſoll ſofort caſſirt, außerdem, nach Beſchaffenheit des Ver-
gehens und des verurſachten Schadens, mit verhältnißmäßiger Geld-,
Gefängniß- oder Feſtungsſtrafe belegt und zu allen ferneren öffentlichen
Aemtern unfähig erklärt werden.“
§. 334. „Wer aus grober Fahrläſſigkeit oder Unwiſſenheit ſeine
Amtspflichten verletzt, hat verhältnißmäßige Geldſtrafe, Degradation
oder Caſſation verwirkt.“
§. 335. „Wer ſich geringer Verſehen in ſeinen Amtspflichten
ſchuldig gemacht hat, ſoll durch Warnung, Verweiſe und geringe
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/554>, abgerufen am 28.11.2024.
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