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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 308. Unterlassene Lieferung.
ferungen zu rechnen; das werde aber nur erreicht, wenn in diesem Fall,
wie bei anderen gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen, auch die
Fahrlässigkeit bestraft und der Unterlieferant u. s. w. dem Hauptliefe-
ranten gleichgestellt werde. u) Erwägungen dieser Art sind denn auch
maaßgebend geblieben, und haben gegen den Beschluß des vereinigten
ständischen Ausschusses die Beibehaltung der beiden letzten Absätze des
Paragraphen veranlaßt. v)

I. Zur genaueren Feststellung des Thatbestandes hatte der ver-
einigte ständische Ausschuß beschlossen, die betreffenden Handlungen nur
dann unter Strafe zu stellen, wenn es aus dem Vertrage erhellt,
daß derselbe zur Befriedigung des Heeres u. s. w. abgeschlossen wor-
den. w) Aber auch diese Aenderung ist nicht in das Gesetzbuch über-
gegangen. Man nahm als sich von selbst verstehend an, daß der
Lieferant, um strafbar zu sein, Kenntniß von dem Zwecke der Lieferung
gehabt haben müsse; auf welche Weise er aber zu dieser Kenntniß ge-
lange, ob er dieselbe aus dem Vertrage selbst oder anders woher schöpfe,
sei vollkommen gleichgültig. x) -- Es ist dabei zu bemerken, daß dieses
Princip nicht allein für den Hauptlieferanten, sondern auch für die
Unterlieferanten, Agenten und Bevollmächtigten seine Geltung ha-
ben muß.

II. Die Lieferungen fürs Heer, um welche es sich hier handelt,
umfassen die Bedürfnisse desselben zur Zeit eines Krieges, ohne daß es
darauf ankommt, ob die Verträge während des schon ausgebrochenen
Krieges abgeschlossen sind. Die Stellung der Worte "zur Zeit eines
Krieges" läßt eine andere Auslegung nicht zu. y)

III. Die Strafe soll nicht bloß dann eintreten, wenn die Lieferung
nicht erfolgt ist, sondern auch wenn sie nicht zur bestimmten Zeit oder nicht
in der vorbedungenen Weise erfüllt wird. Das Ministerium für die
Gesetz-Revision wollte nur überhaupt das Nichterfüllen des Vertrags
unter Strafe stellen, indem es der Ansicht war, daß die Worte "ent-
weder nicht zur bestimmten Zeit oder nicht in vorbedungener Weise"
überflüssig seien, und in ihrer buchstäblichen Auslegung zu weit führen

u) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. III.
S. 338-40. -- Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. Mai 1842.
-- Revision von 1845. III. S. 72. 73.
v) Verhandlungen. IV. S. 395-404. -- Motive zu dem Entwurf
von
1850. §. 280.
w) Verhandlungen a. a. O. S. 404.
x) Motive a. a. O.
y) Vgl. die Erklärung des Justizministers Uhden in den Verhandlungen
des ständischen Ausschusses
a. a. O. S. 397. 398.

§. 308. Unterlaſſene Lieferung.
ferungen zu rechnen; das werde aber nur erreicht, wenn in dieſem Fall,
wie bei anderen gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen, auch die
Fahrläſſigkeit beſtraft und der Unterlieferant u. ſ. w. dem Hauptliefe-
ranten gleichgeſtellt werde. u) Erwägungen dieſer Art ſind denn auch
maaßgebend geblieben, und haben gegen den Beſchluß des vereinigten
ſtändiſchen Ausſchuſſes die Beibehaltung der beiden letzten Abſätze des
Paragraphen veranlaßt. v)

I. Zur genaueren Feſtſtellung des Thatbeſtandes hatte der ver-
einigte ſtändiſche Ausſchuß beſchloſſen, die betreffenden Handlungen nur
dann unter Strafe zu ſtellen, wenn es aus dem Vertrage erhellt,
daß derſelbe zur Befriedigung des Heeres u. ſ. w. abgeſchloſſen wor-
den. w) Aber auch dieſe Aenderung iſt nicht in das Geſetzbuch über-
gegangen. Man nahm als ſich von ſelbſt verſtehend an, daß der
Lieferant, um ſtrafbar zu ſein, Kenntniß von dem Zwecke der Lieferung
gehabt haben müſſe; auf welche Weiſe er aber zu dieſer Kenntniß ge-
lange, ob er dieſelbe aus dem Vertrage ſelbſt oder anders woher ſchöpfe,
ſei vollkommen gleichgültig. x) — Es iſt dabei zu bemerken, daß dieſes
Princip nicht allein für den Hauptlieferanten, ſondern auch für die
Unterlieferanten, Agenten und Bevollmächtigten ſeine Geltung ha-
ben muß.

II. Die Lieferungen fürs Heer, um welche es ſich hier handelt,
umfaſſen die Bedürfniſſe deſſelben zur Zeit eines Krieges, ohne daß es
darauf ankommt, ob die Verträge während des ſchon ausgebrochenen
Krieges abgeſchloſſen ſind. Die Stellung der Worte „zur Zeit eines
Krieges“ läßt eine andere Auslegung nicht zu. y)

III. Die Strafe ſoll nicht bloß dann eintreten, wenn die Lieferung
nicht erfolgt iſt, ſondern auch wenn ſie nicht zur beſtimmten Zeit oder nicht
in der vorbedungenen Weiſe erfüllt wird. Das Miniſterium für die
Geſetz-Reviſion wollte nur überhaupt das Nichterfüllen des Vertrags
unter Strafe ſtellen, indem es der Anſicht war, daß die Worte „ent-
weder nicht zur beſtimmten Zeit oder nicht in vorbedungener Weiſe“
überflüſſig ſeien, und in ihrer buchſtäblichen Auslegung zu weit führen

u) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. III.
S. 338-40. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. Mai 1842.
Reviſion von 1845. III. S. 72. 73.
v) Verhandlungen. IV. S. 395-404. — Motive zu dem Entwurf
von
1850. §. 280.
w) Verhandlungen a. a. O. S. 404.
x) Motive a. a. O.
y) Vgl. die Erklärung des Juſtizminiſters Uhden in den Verhandlungen
des ſtändiſchen Ausſchuſſes
a. a. O. S. 397. 398.
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[541/0551] §. 308. Unterlaſſene Lieferung. ferungen zu rechnen; das werde aber nur erreicht, wenn in dieſem Fall, wie bei anderen gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen, auch die Fahrläſſigkeit beſtraft und der Unterlieferant u. ſ. w. dem Hauptliefe- ranten gleichgeſtellt werde. u) Erwägungen dieſer Art ſind denn auch maaßgebend geblieben, und haben gegen den Beſchluß des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes die Beibehaltung der beiden letzten Abſätze des Paragraphen veranlaßt. v) I. Zur genaueren Feſtſtellung des Thatbeſtandes hatte der ver- einigte ſtändiſche Ausſchuß beſchloſſen, die betreffenden Handlungen nur dann unter Strafe zu ſtellen, wenn es aus dem Vertrage erhellt, daß derſelbe zur Befriedigung des Heeres u. ſ. w. abgeſchloſſen wor- den. w) Aber auch dieſe Aenderung iſt nicht in das Geſetzbuch über- gegangen. Man nahm als ſich von ſelbſt verſtehend an, daß der Lieferant, um ſtrafbar zu ſein, Kenntniß von dem Zwecke der Lieferung gehabt haben müſſe; auf welche Weiſe er aber zu dieſer Kenntniß ge- lange, ob er dieſelbe aus dem Vertrage ſelbſt oder anders woher ſchöpfe, ſei vollkommen gleichgültig. x) — Es iſt dabei zu bemerken, daß dieſes Princip nicht allein für den Hauptlieferanten, ſondern auch für die Unterlieferanten, Agenten und Bevollmächtigten ſeine Geltung ha- ben muß. II. Die Lieferungen fürs Heer, um welche es ſich hier handelt, umfaſſen die Bedürfniſſe deſſelben zur Zeit eines Krieges, ohne daß es darauf ankommt, ob die Verträge während des ſchon ausgebrochenen Krieges abgeſchloſſen ſind. Die Stellung der Worte „zur Zeit eines Krieges“ läßt eine andere Auslegung nicht zu. y) III. Die Strafe ſoll nicht bloß dann eintreten, wenn die Lieferung nicht erfolgt iſt, ſondern auch wenn ſie nicht zur beſtimmten Zeit oder nicht in der vorbedungenen Weiſe erfüllt wird. Das Miniſterium für die Geſetz-Reviſion wollte nur überhaupt das Nichterfüllen des Vertrags unter Strafe ſtellen, indem es der Anſicht war, daß die Worte „ent- weder nicht zur beſtimmten Zeit oder nicht in vorbedungener Weiſe“ überflüſſig ſeien, und in ihrer buchſtäblichen Auslegung zu weit führen u) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. III. S. 338-40. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. Mai 1842. — Reviſion von 1845. III. S. 72. 73. v) Verhandlungen. IV. S. 395-404. — Motive zu dem Entwurf von 1850. §. 280. w) Verhandlungen a. a. O. S. 404. x) Motive a. a. O. y) Vgl. die Erklärung des Juſtizminiſters Uhden in den Verhandlungen des ſtändiſchen Ausſchuſſes a. a. O. S. 397. 398.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/551>, abgerufen am 28.04.2024.