Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XIX. Raub und Erpressung.
Der Entwurf von 1843. hatte es aber auch zum Raube gerechnet, wenn die Gewalt oder die Drohungen von dem Thäter angewandt werden, um sich, bei dem Diebstahle betroffen oder auf frischer That verfolgt, im Besitze des gestohlenen Guts zu erhalten. Auch dieses werde, bemerkt die Revisionsschrift a. a. O., von denselben Monenten getadelt, weil hier nicht ein Raub, sondern eine Konkurrenz zweier be- sonderer Verbrechen, des Diebstahls und der Gewaltthätigkeit, vorliege. Richtig sei es, daß man diesen Fall, nach der sprachlichen Bedeutung des Worts, nicht eigentlich einen Raub nennen könne; er werde, sofern es bei dem Inhalte des Entwurfs verbleiben solle, in einem besonderen Paragraphen dem Raube nur gleichzustellen sein. "Ferner ist anzuer- kennen, daß es zu weit führt, wenn auch die Gewaltthätigkeit des "auf frischer That verfolgten" Diebes als Raub bestraft werden soll. Nach diesem so unbestimmten Ausdrucke würden hierher auch Fälle gerechnet werden müssen, bei denen die Entwendung und die Gewaltthätigkeit weit aus einander liegen. Die Bestimmung muß auf den "beim Dieb- stahl betroffenen" Dieb beschränkt werden. In dieser Beschränkung aber, also für den Fall, daß der unmittelbar nach der Ergreifung (I. Ent- wendung) am Orte der That betroffene Dieb die Sache nicht wieder herausgeben will, sondern mit Gewalt oder Drohung das Fortbringen derselben durchsetzt, muß die Bestimmung des Entwurfs für ganz an- gemessen erachtet werden, zumal der Dieb, welcher solcher Gestalt den Besitz zu behaupten sucht, in der Regel schon von vorn herein auf die Gewalt gefaßt gewesen sein wird. Die Handlung ist hier ebenso straf- bar, wie Raub und Erpressung. Daß die Gleichstellung des eben an- geführten Falles mit dem Raube für die Führung der Untersuchung bedeutende praktische Vortheile gewährt, bedarf kaum der Erwähnung, indem ohne diese Gleichstellung es bei jeder mit Gewaltthätigkeit ver- bundenen Entwendung auf die äußerst schwierige Ermittlung ankommen würde, ob der Verbrecher im Augenblicke, als er Gewalt oder Drohung ausübte, die Sache schon an sich genommen hatte (was die Angeschul- digten immer behaupten würden), oder nicht."
Auf Grund dieser Bemerkungen wurde die Annahme folgender Be- stimmungen vorgeschlagen:
Rev. Entwurf von 1845. §. 265. "Einen Raub begeht der, welcher mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben aus der Gewahrsam eines Anderen eine fremde bewegliche Sache in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zuzueignen."
"Der Raub ist vollendet, sobald der Thäter die Sache an sich genommen hat."
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIX. Raub und Erpreſſung.
Der Entwurf von 1843. hatte es aber auch zum Raube gerechnet, wenn die Gewalt oder die Drohungen von dem Thäter angewandt werden, um ſich, bei dem Diebſtahle betroffen oder auf friſcher That verfolgt, im Beſitze des geſtohlenen Guts zu erhalten. Auch dieſes werde, bemerkt die Reviſionsſchrift a. a. O., von denſelben Monenten getadelt, weil hier nicht ein Raub, ſondern eine Konkurrenz zweier be- ſonderer Verbrechen, des Diebſtahls und der Gewaltthätigkeit, vorliege. Richtig ſei es, daß man dieſen Fall, nach der ſprachlichen Bedeutung des Worts, nicht eigentlich einen Raub nennen könne; er werde, ſofern es bei dem Inhalte des Entwurfs verbleiben ſolle, in einem beſonderen Paragraphen dem Raube nur gleichzuſtellen ſein. „Ferner iſt anzuer- kennen, daß es zu weit führt, wenn auch die Gewaltthätigkeit des „auf friſcher That verfolgten“ Diebes als Raub beſtraft werden ſoll. Nach dieſem ſo unbeſtimmten Ausdrucke würden hierher auch Fälle gerechnet werden müſſen, bei denen die Entwendung und die Gewaltthätigkeit weit aus einander liegen. Die Beſtimmung muß auf den „beim Dieb- ſtahl betroffenen“ Dieb beſchränkt werden. In dieſer Beſchränkung aber, alſo für den Fall, daß der unmittelbar nach der Ergreifung (I. Ent- wendung) am Orte der That betroffene Dieb die Sache nicht wieder herausgeben will, ſondern mit Gewalt oder Drohung das Fortbringen derſelben durchſetzt, muß die Beſtimmung des Entwurfs für ganz an- gemeſſen erachtet werden, zumal der Dieb, welcher ſolcher Geſtalt den Beſitz zu behaupten ſucht, in der Regel ſchon von vorn herein auf die Gewalt gefaßt geweſen ſein wird. Die Handlung iſt hier ebenſo ſtraf- bar, wie Raub und Erpreſſung. Daß die Gleichſtellung des eben an- geführten Falles mit dem Raube für die Führung der Unterſuchung bedeutende praktiſche Vortheile gewährt, bedarf kaum der Erwähnung, indem ohne dieſe Gleichſtellung es bei jeder mit Gewaltthätigkeit ver- bundenen Entwendung auf die äußerſt ſchwierige Ermittlung ankommen würde, ob der Verbrecher im Augenblicke, als er Gewalt oder Drohung ausübte, die Sache ſchon an ſich genommen hatte (was die Angeſchul- digten immer behaupten würden), oder nicht.“
Auf Grund dieſer Bemerkungen wurde die Annahme folgender Be- ſtimmungen vorgeſchlagen:
Rev. Entwurf von 1845. §. 265. „Einen Raub begeht der, welcher mit Gewalt gegen eine Perſon oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben aus der Gewahrſam eines Anderen eine fremde bewegliche Sache in der Abſicht wegnimmt, dieſelbe ſich rechtswidrig zuzueignen.“
„Der Raub iſt vollendet, ſobald der Thäter die Sache an ſich genommen hat.“
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIX. Raub und Erpreſſung.
Der Entwurf von 1843. hatte es aber auch zum Raube gerechnet,
wenn die Gewalt oder die Drohungen von dem Thäter angewandt
werden, um ſich, bei dem Diebſtahle betroffen oder auf friſcher That
verfolgt, im Beſitze des geſtohlenen Guts zu erhalten. Auch dieſes
werde, bemerkt die Reviſionsſchrift a. a. O., von denſelben Monenten
getadelt, weil hier nicht ein Raub, ſondern eine Konkurrenz zweier be-
ſonderer Verbrechen, des Diebſtahls und der Gewaltthätigkeit, vorliege.
Richtig ſei es, daß man dieſen Fall, nach der ſprachlichen Bedeutung
des Worts, nicht eigentlich einen Raub nennen könne; er werde, ſofern
es bei dem Inhalte des Entwurfs verbleiben ſolle, in einem beſonderen
Paragraphen dem Raube nur gleichzuſtellen ſein. „Ferner iſt anzuer-
kennen, daß es zu weit führt, wenn auch die Gewaltthätigkeit des „auf
friſcher That verfolgten“ Diebes als Raub beſtraft werden ſoll. Nach
dieſem ſo unbeſtimmten Ausdrucke würden hierher auch Fälle gerechnet
werden müſſen, bei denen die Entwendung und die Gewaltthätigkeit
weit aus einander liegen. Die Beſtimmung muß auf den „beim Dieb-
ſtahl betroffenen“ Dieb beſchränkt werden. In dieſer Beſchränkung aber,
alſo für den Fall, daß der unmittelbar nach der Ergreifung (I. Ent-
wendung) am Orte der That betroffene Dieb die Sache nicht wieder
herausgeben will, ſondern mit Gewalt oder Drohung das Fortbringen
derſelben durchſetzt, muß die Beſtimmung des Entwurfs für ganz an-
gemeſſen erachtet werden, zumal der Dieb, welcher ſolcher Geſtalt den
Beſitz zu behaupten ſucht, in der Regel ſchon von vorn herein auf die
Gewalt gefaßt geweſen ſein wird. Die Handlung iſt hier ebenſo ſtraf-
bar, wie Raub und Erpreſſung. Daß die Gleichſtellung des eben an-
geführten Falles mit dem Raube für die Führung der Unterſuchung
bedeutende praktiſche Vortheile gewährt, bedarf kaum der Erwähnung,
indem ohne dieſe Gleichſtellung es bei jeder mit Gewaltthätigkeit ver-
bundenen Entwendung auf die äußerſt ſchwierige Ermittlung ankommen
würde, ob der Verbrecher im Augenblicke, als er Gewalt oder Drohung
ausübte, die Sache ſchon an ſich genommen hatte (was die Angeſchul-
digten immer behaupten würden), oder nicht.“
Auf Grund dieſer Bemerkungen wurde die Annahme folgender Be-
ſtimmungen vorgeſchlagen:
Rev. Entwurf von 1845. §. 265. „Einen Raub begeht der,
welcher mit Gewalt gegen eine Perſon oder unter Anwendung von
Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben aus der
Gewahrſam eines Anderen eine fremde bewegliche Sache in der Abſicht
wegnimmt, dieſelbe ſich rechtswidrig zuzueignen.“
„Der Raub iſt vollendet, ſobald der Thäter die Sache an ſich
genommen hat.“
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/452>, abgerufen am 30.01.2025.
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