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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVIII. Diebstahl u. Unterschlagung.
Personen rechnen. Diese letztere Absicht ist bei der Fassung des §. 229.
maaßgebend gewesen. Die Kommission der zweiten Kammer entschied sich
dafür, die Worte "Adoptiveltern oder Kinder" zu streichen, weil, wenn
so verbundene Personen zusammen leben, die Adoptiveltern jedenfalls
als Pflegeeltern anzusehen sind, sonst aber die Adoption nur die Ver-
mögensverhältnisse berührt; h) und in der Kommission der ersten Kammer
wurde ein Antrag auf die Wiederherstellung jener Worte abgelehnt, weil
das rein civilrechtliche Verhältniß eine solche Begünstigung nicht ver-
diene. i) Deutlicher wäre es allerdings gewesen, wenn in §. 228. die
Eltern und Großeltern ausdrücklich als leibliche bezeichnet worden
wären.

b. Für Ehegatten kommt die Bestimmung des §. 228. auch dann
zur Anwendung, wenn die Entwendung oder Unterschlagung vor der
später eingetretenen Scheidung stattgefunden hat. k)

c. Die civilrechtlichen Folgen der Vergehen werden durch die
Vorschriften des Strafgesetzbuchs nicht berührt; eines ausdrücklichen
Vorbehaltes der Civilklagen, welche die früheren Entwürfe in Bezie-
hung auf den Diebstahl unter Verwandten hatten, bedurfte es da-
her nicht.

II. In den §. 229. bezeichneten Fällen wird der Diebstahl und
die Unterschlagung nur auf den Antrag des Verletzten bestraft. Es
liegt darin eine Abweichung von dem Allg. Landrecht (II. 20. §. 1136.),
welches nur demjenigen, unter dessen Hauszucht der Verbrecher steht,
das Recht auf den Strafantrag beilegt.

III. Eine schwierige und vielfach erörterte Frage ist es, was über
die Theilnahme dritter Personen an den Diebstählen und Unterschla-
gungen unter Verwandten zu bestimmen sei. Einerseits muß es be-
denklich erscheinen, den Hauptschuldigen ohne Strafe davon kommen zu
lassen, den Gehülfen aber, vielleicht einen verführten Dienstboten mit
der vollen Strenge des Gesetzes zu treffen, wobei noch zu erwägen ist,
daß die Untersuchung gegen den Letzteren meistens nur unvollständig
wird geführt werden können, und daß jedenfalls das gegen den Theil-
nehmer eingeleitete Verfahren das begangene Verbrechen zur Sprache
bringt, und den wesentlichen Zweck der Ausnahmebestimmung zu Gun-
sten der Verwandten, nämlich die Schonung der Familienverhältnisse,
vereitelt. Andererseits kann es aber nicht verkannt werden, daß für die

h) Protokolle der Kommission der zweiten Kammer vom 22. Fe-
bruar 1851.
i) Bericht der Kommission der ersten Kammer zu §§. 228. 229.
k) Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses. IV.
S. 223. 224. Vgl. Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. März 1842.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung.
Perſonen rechnen. Dieſe letztere Abſicht iſt bei der Faſſung des §. 229.
maaßgebend geweſen. Die Kommiſſion der zweiten Kammer entſchied ſich
dafür, die Worte „Adoptiveltern oder Kinder“ zu ſtreichen, weil, wenn
ſo verbundene Perſonen zuſammen leben, die Adoptiveltern jedenfalls
als Pflegeeltern anzuſehen ſind, ſonſt aber die Adoption nur die Ver-
mögensverhältniſſe berührt; h) und in der Kommiſſion der erſten Kammer
wurde ein Antrag auf die Wiederherſtellung jener Worte abgelehnt, weil
das rein civilrechtliche Verhältniß eine ſolche Begünſtigung nicht ver-
diene. i) Deutlicher wäre es allerdings geweſen, wenn in §. 228. die
Eltern und Großeltern ausdrücklich als leibliche bezeichnet worden
wären.

b. Für Ehegatten kommt die Beſtimmung des §. 228. auch dann
zur Anwendung, wenn die Entwendung oder Unterſchlagung vor der
ſpäter eingetretenen Scheidung ſtattgefunden hat. k)

c. Die civilrechtlichen Folgen der Vergehen werden durch die
Vorſchriften des Strafgeſetzbuchs nicht berührt; eines ausdrücklichen
Vorbehaltes der Civilklagen, welche die früheren Entwürfe in Bezie-
hung auf den Diebſtahl unter Verwandten hatten, bedurfte es da-
her nicht.

II. In den §. 229. bezeichneten Fällen wird der Diebſtahl und
die Unterſchlagung nur auf den Antrag des Verletzten beſtraft. Es
liegt darin eine Abweichung von dem Allg. Landrecht (II. 20. §. 1136.),
welches nur demjenigen, unter deſſen Hauszucht der Verbrecher ſteht,
das Recht auf den Strafantrag beilegt.

III. Eine ſchwierige und vielfach erörterte Frage iſt es, was über
die Theilnahme dritter Perſonen an den Diebſtählen und Unterſchla-
gungen unter Verwandten zu beſtimmen ſei. Einerſeits muß es be-
denklich erſcheinen, den Hauptſchuldigen ohne Strafe davon kommen zu
laſſen, den Gehülfen aber, vielleicht einen verführten Dienſtboten mit
der vollen Strenge des Geſetzes zu treffen, wobei noch zu erwägen iſt,
daß die Unterſuchung gegen den Letzteren meiſtens nur unvollſtändig
wird geführt werden können, und daß jedenfalls das gegen den Theil-
nehmer eingeleitete Verfahren das begangene Verbrechen zur Sprache
bringt, und den weſentlichen Zweck der Ausnahmebeſtimmung zu Gun-
ſten der Verwandten, nämlich die Schonung der Familienverhältniſſe,
vereitelt. Andererſeits kann es aber nicht verkannt werden, daß für die

h) Protokolle der Kommiſſion der zweiten Kammer vom 22. Fe-
bruar 1851.
i) Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §§. 228. 229.
k) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. IV.
S. 223. 224. Vgl. Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. März 1842.
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[436/0446] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung. Perſonen rechnen. Dieſe letztere Abſicht iſt bei der Faſſung des §. 229. maaßgebend geweſen. Die Kommiſſion der zweiten Kammer entſchied ſich dafür, die Worte „Adoptiveltern oder Kinder“ zu ſtreichen, weil, wenn ſo verbundene Perſonen zuſammen leben, die Adoptiveltern jedenfalls als Pflegeeltern anzuſehen ſind, ſonſt aber die Adoption nur die Ver- mögensverhältniſſe berührt; h) und in der Kommiſſion der erſten Kammer wurde ein Antrag auf die Wiederherſtellung jener Worte abgelehnt, weil das rein civilrechtliche Verhältniß eine ſolche Begünſtigung nicht ver- diene. i) Deutlicher wäre es allerdings geweſen, wenn in §. 228. die Eltern und Großeltern ausdrücklich als leibliche bezeichnet worden wären. b. Für Ehegatten kommt die Beſtimmung des §. 228. auch dann zur Anwendung, wenn die Entwendung oder Unterſchlagung vor der ſpäter eingetretenen Scheidung ſtattgefunden hat. k) c. Die civilrechtlichen Folgen der Vergehen werden durch die Vorſchriften des Strafgeſetzbuchs nicht berührt; eines ausdrücklichen Vorbehaltes der Civilklagen, welche die früheren Entwürfe in Bezie- hung auf den Diebſtahl unter Verwandten hatten, bedurfte es da- her nicht. II. In den §. 229. bezeichneten Fällen wird der Diebſtahl und die Unterſchlagung nur auf den Antrag des Verletzten beſtraft. Es liegt darin eine Abweichung von dem Allg. Landrecht (II. 20. §. 1136.), welches nur demjenigen, unter deſſen Hauszucht der Verbrecher ſteht, das Recht auf den Strafantrag beilegt. III. Eine ſchwierige und vielfach erörterte Frage iſt es, was über die Theilnahme dritter Perſonen an den Diebſtählen und Unterſchla- gungen unter Verwandten zu beſtimmen ſei. Einerſeits muß es be- denklich erſcheinen, den Hauptſchuldigen ohne Strafe davon kommen zu laſſen, den Gehülfen aber, vielleicht einen verführten Dienſtboten mit der vollen Strenge des Geſetzes zu treffen, wobei noch zu erwägen iſt, daß die Unterſuchung gegen den Letzteren meiſtens nur unvollſtändig wird geführt werden können, und daß jedenfalls das gegen den Theil- nehmer eingeleitete Verfahren das begangene Verbrechen zur Sprache bringt, und den weſentlichen Zweck der Ausnahmebeſtimmung zu Gun- ſten der Verwandten, nämlich die Schonung der Familienverhältniſſe, vereitelt. Andererſeits kann es aber nicht verkannt werden, daß für die h) Protokolle der Kommiſſion der zweiten Kammer vom 22. Fe- bruar 1851. i) Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §§. 228. 229. k) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. IV. S. 223. 224. Vgl. Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 23. März 1842.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/446>, abgerufen am 05.05.2024.