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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVIII. Diebstahl u. Unterschlagung.
habe, ob dieser zu einer Verfügung über dieselbe und selbst zu einer
vorläufigen Verwendung sich berechtigt halten dürfe, und daß daher die
Erklärung des Eigenthümers über dieß Verhältniß von Wichtigkeit sein
könne. Aber es gehöre dieß doch nur zu den thatsächlichen Umständen,
welche bei Erledigung der Frage, ob ein Dolus anzunehmen sei, von
dem Richter erwogen werden müßten. Wenn überwiegende Gründe da-
für sprächen, die Unterschlagung dem Diebstahle gleich zu stellen, so
dürfe man deren Bestrafung nicht von einem Privatantrage abhängen
lassen. Praktisch werde sich die Sache übrigens nach der Natur des
Vergehens so stellen, daß in der Regel eine Untersuchung nur auf An-
trag des Verletzten werde eingeleitet werden. r)

In den angeführten Verhandlungen sind nun die Grundzüge für
die Behandlung, welche die Unterschlagung im Strafgesetzbuch erhalten
hat, bereits festgestellt worden: das Vergehen wird nur an anvertrauten
Sachen verübt; es wird demselben aber in gewissen Fällen die Aneigung
gefundener Sachen gleichgestellt. Die späteren Verhandlungen zeigen
nur, wie diese Principien verschieden ausgedrückt und im Einzelnen
modifizirt worden sind. s)

I. Die früheren Entwürfe hatten zum Thatbestande der Unter-
schlagung die rechtswidrige Absicht verlangt; namentlich bestimmte der
Entwurf von 1847.

§. 272. "Wer eine fremde bewegliche Sache, deren Besitz oder
Gewahrsam er mit der Verpflichtung erlangt hat, sie zu verwahren, zu
verwalten, zurückzugeben oder abzuliefern, in rechtswidriger Absicht ver-
äußert, verpfändet, verbraucht oder auf andere Weise sich oder anderen
zueignet oder bei Seite schafft, macht sich einer Unterschlagung schuldig."

Der Entwurf von 1850. §. 208., dem das Strafgesetzbuch (§. 225.)
gefolgt ist, hat statt des Ausdrucks "in rechtswidriger Absicht" die
Worte "zum Nachtheile des Eigenthümers, Besitzers oder Inhabers."
Diese Fassung, welche dem Rheinischen Recht entlehnt worden, t) ist

r) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 13. und 23. April 1842.
s) Revision von 1845. III. S. 16-19. -- Verhandlungen der Staats-
raths-Kommission von
1846. S. 150. -- Verhandlungen des vereinig-
ten ständ. Ausschusses
. IV. S. 206-23.
t) Code penal. Art. 408. Quiconque aura detourne ou dissipe, au
prejudice du proprietaire, possesseur ou detenteur
, des effets,
deniers, marchandises, billets, quittances ou tous autres ecrits contenant
ou operant obligation ou decharge, qui ne lui auraient ete remis qu'a titre
de depot ou pour un travail salarie, a la charge de les rendre ou repre-
senter, ou d'en faire un usage ou un emploi determine, sera puni des
peines portees dans l'article 406. -- Le tout sans prejudice de ce qui est
dit aux articles 254. 255. et 256., relativement aux soustractions et enle-
vemens de deniers, effets ou pieces, commis dans les depots publics.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung.
habe, ob dieſer zu einer Verfügung über dieſelbe und ſelbſt zu einer
vorläufigen Verwendung ſich berechtigt halten dürfe, und daß daher die
Erklärung des Eigenthümers über dieß Verhältniß von Wichtigkeit ſein
könne. Aber es gehöre dieß doch nur zu den thatſächlichen Umſtänden,
welche bei Erledigung der Frage, ob ein Dolus anzunehmen ſei, von
dem Richter erwogen werden müßten. Wenn überwiegende Gründe da-
für ſprächen, die Unterſchlagung dem Diebſtahle gleich zu ſtellen, ſo
dürfe man deren Beſtrafung nicht von einem Privatantrage abhängen
laſſen. Praktiſch werde ſich die Sache übrigens nach der Natur des
Vergehens ſo ſtellen, daß in der Regel eine Unterſuchung nur auf An-
trag des Verletzten werde eingeleitet werden. r)

In den angeführten Verhandlungen ſind nun die Grundzüge für
die Behandlung, welche die Unterſchlagung im Strafgeſetzbuch erhalten
hat, bereits feſtgeſtellt worden: das Vergehen wird nur an anvertrauten
Sachen verübt; es wird demſelben aber in gewiſſen Fällen die Aneigung
gefundener Sachen gleichgeſtellt. Die ſpäteren Verhandlungen zeigen
nur, wie dieſe Principien verſchieden ausgedrückt und im Einzelnen
modifizirt worden ſind. s)

I. Die früheren Entwürfe hatten zum Thatbeſtande der Unter-
ſchlagung die rechtswidrige Abſicht verlangt; namentlich beſtimmte der
Entwurf von 1847.

§. 272. „Wer eine fremde bewegliche Sache, deren Beſitz oder
Gewahrſam er mit der Verpflichtung erlangt hat, ſie zu verwahren, zu
verwalten, zurückzugeben oder abzuliefern, in rechtswidriger Abſicht ver-
äußert, verpfändet, verbraucht oder auf andere Weiſe ſich oder anderen
zueignet oder bei Seite ſchafft, macht ſich einer Unterſchlagung ſchuldig.“

Der Entwurf von 1850. §. 208., dem das Strafgeſetzbuch (§. 225.)
gefolgt iſt, hat ſtatt des Ausdrucks „in rechtswidriger Abſicht“ die
Worte „zum Nachtheile des Eigenthümers, Beſitzers oder Inhabers.“
Dieſe Faſſung, welche dem Rheiniſchen Recht entlehnt worden, t) iſt

r) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 13. und 23. April 1842.
s) Reviſion von 1845. III. S. 16-19. — Verhandlungen der Staats-
raths-Kommiſſion von
1846. S. 150. — Verhandlungen des vereinig-
ten ſtänd. Ausſchuſſes
. IV. S. 206-23.
t) Code pénal. Art. 408. Quiconque aura détourné ou dissipé, au
préjudice du propriétaire, possesseur ou détenteur
, des effets,
deniers, marchandises, billets, quittances ou tous autres écrits contenant
ou opérant obligation ou décharge, qui ne lui auraient été remis qu'a titre
de dépôt ou pour un travail salarié, à la charge de les rendre ou repré-
senter, ou d'en faire un usage ou un emploi déterminé, sera puni des
peines portées dans l'article 406. — Le tout sans préjudice de ce qui est
dit aux articles 254. 255. et 256., relativement aux soustractions et enlè-
vemens de deniers, effets ou pièces, commis dans les dépôts publics.
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[430/0440] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung. habe, ob dieſer zu einer Verfügung über dieſelbe und ſelbſt zu einer vorläufigen Verwendung ſich berechtigt halten dürfe, und daß daher die Erklärung des Eigenthümers über dieß Verhältniß von Wichtigkeit ſein könne. Aber es gehöre dieß doch nur zu den thatſächlichen Umſtänden, welche bei Erledigung der Frage, ob ein Dolus anzunehmen ſei, von dem Richter erwogen werden müßten. Wenn überwiegende Gründe da- für ſprächen, die Unterſchlagung dem Diebſtahle gleich zu ſtellen, ſo dürfe man deren Beſtrafung nicht von einem Privatantrage abhängen laſſen. Praktiſch werde ſich die Sache übrigens nach der Natur des Vergehens ſo ſtellen, daß in der Regel eine Unterſuchung nur auf An- trag des Verletzten werde eingeleitet werden. r) In den angeführten Verhandlungen ſind nun die Grundzüge für die Behandlung, welche die Unterſchlagung im Strafgeſetzbuch erhalten hat, bereits feſtgeſtellt worden: das Vergehen wird nur an anvertrauten Sachen verübt; es wird demſelben aber in gewiſſen Fällen die Aneigung gefundener Sachen gleichgeſtellt. Die ſpäteren Verhandlungen zeigen nur, wie dieſe Principien verſchieden ausgedrückt und im Einzelnen modifizirt worden ſind. s) I. Die früheren Entwürfe hatten zum Thatbeſtande der Unter- ſchlagung die rechtswidrige Abſicht verlangt; namentlich beſtimmte der Entwurf von 1847. §. 272. „Wer eine fremde bewegliche Sache, deren Beſitz oder Gewahrſam er mit der Verpflichtung erlangt hat, ſie zu verwahren, zu verwalten, zurückzugeben oder abzuliefern, in rechtswidriger Abſicht ver- äußert, verpfändet, verbraucht oder auf andere Weiſe ſich oder anderen zueignet oder bei Seite ſchafft, macht ſich einer Unterſchlagung ſchuldig.“ Der Entwurf von 1850. §. 208., dem das Strafgeſetzbuch (§. 225.) gefolgt iſt, hat ſtatt des Ausdrucks „in rechtswidriger Abſicht“ die Worte „zum Nachtheile des Eigenthümers, Beſitzers oder Inhabers.“ Dieſe Faſſung, welche dem Rheiniſchen Recht entlehnt worden, t) iſt r) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 13. und 23. April 1842. s) Reviſion von 1845. III. S. 16-19. — Verhandlungen der Staats- raths-Kommiſſion von 1846. S. 150. — Verhandlungen des vereinig- ten ſtänd. Ausſchuſſes. IV. S. 206-23. t) Code pénal. Art. 408. Quiconque aura détourné ou dissipé, au préjudice du propriétaire, possesseur ou détenteur, des effets, deniers, marchandises, billets, quittances ou tous autres écrits contenant ou opérant obligation ou décharge, qui ne lui auraient été remis qu'a titre de dépôt ou pour un travail salarié, à la charge de les rendre ou repré- senter, ou d'en faire un usage ou un emploi déterminé, sera puni des peines portées dans l'article 406. — Le tout sans préjudice de ce qui est dit aux articles 254. 255. et 256., relativement aux soustractions et enlè- vemens de deniers, effets ou pièces, commis dans les dépôts publics.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/440>, abgerufen am 04.05.2024.