mungen des zweiten Theils über die einzelnen Verbrechen und Vergehen ausgesprochen worden.
Was nun die besonders schweren Formen einer strafbaren Hand- lung betrifft, so ist in dieser Beziehung dem richterlichen Ermessen die engste Schranke gesetzt, und da, wo die ordentliche Strafe nicht aus- reichend erscheint, durch die im Gesetz festgestellte Qualifikation der Handlung und eine ihr entsprechende Straferhöhung den Anforderungen einer größeren Strenge entsprochen worden. Nur insoweit ist auch hier dem Ermessen des Richters freierer Raum gewährt worden, als ihm die Befugniß eingeräumt ist, bei gewissen Vergehen die über das ge- wöhnliche Maaß gesteigerte Strafbarkeit durch Untersagung der bürger- lichen Ehrenrechte auf Zeit, durch Stellung unter Polizei-Aufsicht, durch Einsperrung im Arbeitshause und durch Entziehung der Fähigkeit zu öffentlichen Aemtern oder des Gewerbebetriebs zu ahnden. Denn wo eine solche accessorische oder Nebenstrafe der ordentlichen nicht hinzuge- fügt werden muß, da ist anzunehmen, daß nur in den Fällen der außergewöhnlichen Verschuldung ihre Zuerkennung sich rechtfertigen läßt. -- Einer besonderen Erwähnung bedarf endlich noch die Verbindung des Verlustes der bürgerlichen Ehre mit der Todesstrafe, welche außer den im Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen eintreten soll, wenn das todeswürdige Verbrechen unter besonders erschwerenden Umständen be- gangen worden ist, was aber durch den Wahrspruch der Geschwornen erst festgestellt werden muß.
Viel allgemeiner und eingreifender hat das Gesetzbuch bei einzelnen Verbrechen und Vergehen die mildernden Umstände berücksichtigt. Sie bilden für diejenigen Fälle, wo sie zugelassen sind, einen wesent- lichen Bestandtheil der die Feststellung der Strafe betreffenden Satzungen, und sind gewissermaaßen an die Stelle der früheren allgemeinen Milde- rungsgründe getreten. Doch liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden darin, -- einmal, daß jene Milderungsgründe stets auf ein- zelne, im Gesetz angegebene Thatsachen bezogen wurden, während es bei der Feststellung mildernder Umstände auf die Erwägung sämmtlicher den objektiven Thatbestand und die Persönlichkeit des Angeschuldigten be- rührenden thatsächlichen Momente ankommt; während dagegen die Mil- derungsgründe allgemein für alle strafbaren Handlungen galten, die mildernden Umstände aber nur bei bestimmten Verbrechen und Vergehen zu berücksichtigen sind; -- und dann, daß die allgemeinen Milderungs- gründe den Richter in der Regel nur zur Strafmilderung berechtigten, ihn aber nicht dazu verpflichteten, während die mildernden Umstände, wenn sie einmal festgestellt sind, regelmäßig eine Strafverwandlung zu Gunsten des Verbrechers herbeiführen müssen. Dieß hängt jedoch zum
§. VII. Die mildernden Umſtände.
mungen des zweiten Theils über die einzelnen Verbrechen und Vergehen ausgeſprochen worden.
Was nun die beſonders ſchweren Formen einer ſtrafbaren Hand- lung betrifft, ſo iſt in dieſer Beziehung dem richterlichen Ermeſſen die engſte Schranke geſetzt, und da, wo die ordentliche Strafe nicht aus- reichend erſcheint, durch die im Geſetz feſtgeſtellte Qualifikation der Handlung und eine ihr entſprechende Straferhöhung den Anforderungen einer größeren Strenge entſprochen worden. Nur inſoweit iſt auch hier dem Ermeſſen des Richters freierer Raum gewährt worden, als ihm die Befugniß eingeräumt iſt, bei gewiſſen Vergehen die über das ge- wöhnliche Maaß geſteigerte Strafbarkeit durch Unterſagung der bürger- lichen Ehrenrechte auf Zeit, durch Stellung unter Polizei-Aufſicht, durch Einſperrung im Arbeitshauſe und durch Entziehung der Fähigkeit zu öffentlichen Aemtern oder des Gewerbebetriebs zu ahnden. Denn wo eine ſolche acceſſoriſche oder Nebenſtrafe der ordentlichen nicht hinzuge- fügt werden muß, da iſt anzunehmen, daß nur in den Fällen der außergewöhnlichen Verſchuldung ihre Zuerkennung ſich rechtfertigen läßt. — Einer beſonderen Erwähnung bedarf endlich noch die Verbindung des Verluſtes der bürgerlichen Ehre mit der Todesſtrafe, welche außer den im Geſetz ausdrücklich beſtimmten Fällen eintreten ſoll, wenn das todeswürdige Verbrechen unter beſonders erſchwerenden Umſtänden be- gangen worden iſt, was aber durch den Wahrſpruch der Geſchwornen erſt feſtgeſtellt werden muß.
Viel allgemeiner und eingreifender hat das Geſetzbuch bei einzelnen Verbrechen und Vergehen die mildernden Umſtände berückſichtigt. Sie bilden für diejenigen Fälle, wo ſie zugelaſſen ſind, einen weſent- lichen Beſtandtheil der die Feſtſtellung der Strafe betreffenden Satzungen, und ſind gewiſſermaaßen an die Stelle der früheren allgemeinen Milde- rungsgründe getreten. Doch liegt ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen beiden darin, — einmal, daß jene Milderungsgründe ſtets auf ein- zelne, im Geſetz angegebene Thatſachen bezogen wurden, während es bei der Feſtſtellung mildernder Umſtände auf die Erwägung ſämmtlicher den objektiven Thatbeſtand und die Perſönlichkeit des Angeſchuldigten be- rührenden thatſächlichen Momente ankommt; während dagegen die Mil- derungsgründe allgemein für alle ſtrafbaren Handlungen galten, die mildernden Umſtände aber nur bei beſtimmten Verbrechen und Vergehen zu berückſichtigen ſind; — und dann, daß die allgemeinen Milderungs- gründe den Richter in der Regel nur zur Strafmilderung berechtigten, ihn aber nicht dazu verpflichteten, während die mildernden Umſtände, wenn ſie einmal feſtgeſtellt ſind, regelmäßig eine Strafverwandlung zu Gunſten des Verbrechers herbeiführen müſſen. Dieß hängt jedoch zum
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§. VII. Die mildernden Umſtände.
mungen des zweiten Theils über die einzelnen Verbrechen und Vergehen
ausgeſprochen worden.
Was nun die beſonders ſchweren Formen einer ſtrafbaren Hand-
lung betrifft, ſo iſt in dieſer Beziehung dem richterlichen Ermeſſen die
engſte Schranke geſetzt, und da, wo die ordentliche Strafe nicht aus-
reichend erſcheint, durch die im Geſetz feſtgeſtellte Qualifikation der
Handlung und eine ihr entſprechende Straferhöhung den Anforderungen
einer größeren Strenge entſprochen worden. Nur inſoweit iſt auch hier
dem Ermeſſen des Richters freierer Raum gewährt worden, als ihm
die Befugniß eingeräumt iſt, bei gewiſſen Vergehen die über das ge-
wöhnliche Maaß geſteigerte Strafbarkeit durch Unterſagung der bürger-
lichen Ehrenrechte auf Zeit, durch Stellung unter Polizei-Aufſicht, durch
Einſperrung im Arbeitshauſe und durch Entziehung der Fähigkeit zu
öffentlichen Aemtern oder des Gewerbebetriebs zu ahnden. Denn wo
eine ſolche acceſſoriſche oder Nebenſtrafe der ordentlichen nicht hinzuge-
fügt werden muß, da iſt anzunehmen, daß nur in den Fällen der
außergewöhnlichen Verſchuldung ihre Zuerkennung ſich rechtfertigen läßt.
— Einer beſonderen Erwähnung bedarf endlich noch die Verbindung
des Verluſtes der bürgerlichen Ehre mit der Todesſtrafe, welche außer
den im Geſetz ausdrücklich beſtimmten Fällen eintreten ſoll, wenn das
todeswürdige Verbrechen unter beſonders erſchwerenden Umſtänden be-
gangen worden iſt, was aber durch den Wahrſpruch der Geſchwornen
erſt feſtgeſtellt werden muß.
Viel allgemeiner und eingreifender hat das Geſetzbuch bei einzelnen
Verbrechen und Vergehen die mildernden Umſtände berückſichtigt.
Sie bilden für diejenigen Fälle, wo ſie zugelaſſen ſind, einen weſent-
lichen Beſtandtheil der die Feſtſtellung der Strafe betreffenden Satzungen,
und ſind gewiſſermaaßen an die Stelle der früheren allgemeinen Milde-
rungsgründe getreten. Doch liegt ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen
beiden darin, — einmal, daß jene Milderungsgründe ſtets auf ein-
zelne, im Geſetz angegebene Thatſachen bezogen wurden, während es bei
der Feſtſtellung mildernder Umſtände auf die Erwägung ſämmtlicher den
objektiven Thatbeſtand und die Perſönlichkeit des Angeſchuldigten be-
rührenden thatſächlichen Momente ankommt; während dagegen die Mil-
derungsgründe allgemein für alle ſtrafbaren Handlungen galten, die
mildernden Umſtände aber nur bei beſtimmten Verbrechen und Vergehen
zu berückſichtigen ſind; — und dann, daß die allgemeinen Milderungs-
gründe den Richter in der Regel nur zur Strafmilderung berechtigten,
ihn aber nicht dazu verpflichteten, während die mildernden Umſtände,
wenn ſie einmal feſtgeſtellt ſind, regelmäßig eine Strafverwandlung zu
Gunſten des Verbrechers herbeiführen müſſen. Dieß hängt jedoch zum
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/41>, abgerufen am 22.11.2024.
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