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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 125-128. Meineid.
§. 439. "Wer etwas Falsches wider besseres Wissen als wahr
bekundet, oder eine ihm bekannte Thatsache absichtlich verschweigt, und
die Aussage durch einen in gesetzlicher Form vor einer richterlichen
Behörde
geleisteten Eid bekräftigt, ist des Meineids schuldig."

Diese Begriffsbestimmung war aber in dem Entwurf von 1836.
in folgender Weise erweitert:

§. 301. "Wer wider besseres Wissen etwas Unwahres als wahr
oder etwas Wahres als unwahr bekundet oder eine ihm bekannte That-
sache in der Absicht, die Wahrheit zu verhehlen, verschweigt und die
Aussage durch einen Eid bekräftigt, macht sich des Meineides schuldig."

Allein die Auffassung des Verbrechens in dieser Allgemeinheit,
wodurch auch die Verletzung der Privateide in demselben begriffen war,
fand keine Billigung; vielmehr wurde die Ableistung des Eides vor
einer öffentlichen Behörde
als nothwendige Voraussetzung des
Meineides angenommen, d) und demnach für den Entwurf von 1847.
folgende Fassung gewählt:

§. 153. "Wer vor einer öffentlichen Behörde in eigenen oder
fremden Angelegenheiten einen falschen Eid schwört, oder den vor der
Vernehmung in der Eigenschaft eines Zeugen oder Sachverständigen
geleisteten Eid wissentlich verletzt, ist mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren
zu bestrafen."

Seitdem ist man wieder zu dem Entwurf von 1830. zurückgekehrt,
und hat nur den vor Gericht abgeleisteten falschen Eid unter Strafe
gestellt. Doch ist dieß nicht in einer Definition ausgesprochen worden,
sondern folgt aus den Bestimmungen über die einzelnen Fälle des
Meineides, welche das Strafgesetzbuch aufführt. -- Eine aus-drückliche
Vorschrift darüber, daß der falsche Eid, welchen jemand durch das Organ
eines Bevollmächtigten leistet, als ein Meineid zu betrachten sei, wurde
später als sich von selbst verstehend für überflüssig gehalten, und des-
wegen die Auslassung der Worte, welche der Entwurf von 1843.
§. 245. hatte: "es sei persönlich oder durch einen Bevollmächtigten"
beschlossen. e)

II. Der Entwurf von 1843. hatte folgende Bestimmung:

§. 247. "Das Verbrechen des Meineids ist erst dann vollendet,
wenn die Verhandlung in Ansehung desjenigen, welcher den Eid abge-
leistet hat, geschlossen ist, die Eidesleistung mag der Aussage voraus-
gegangen oder nachgefolgt sein."


d) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. II. S.
75. 76. -- Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 13. März 1841.
e) Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846. S. 83.

§§. 125-128. Meineid.
§. 439. „Wer etwas Falſches wider beſſeres Wiſſen als wahr
bekundet, oder eine ihm bekannte Thatſache abſichtlich verſchweigt, und
die Ausſage durch einen in geſetzlicher Form vor einer richterlichen
Behörde
geleiſteten Eid bekräftigt, iſt des Meineids ſchuldig.“

Dieſe Begriffsbeſtimmung war aber in dem Entwurf von 1836.
in folgender Weiſe erweitert:

§. 301. „Wer wider beſſeres Wiſſen etwas Unwahres als wahr
oder etwas Wahres als unwahr bekundet oder eine ihm bekannte That-
ſache in der Abſicht, die Wahrheit zu verhehlen, verſchweigt und die
Ausſage durch einen Eid bekräftigt, macht ſich des Meineides ſchuldig.“

Allein die Auffaſſung des Verbrechens in dieſer Allgemeinheit,
wodurch auch die Verletzung der Privateide in demſelben begriffen war,
fand keine Billigung; vielmehr wurde die Ableiſtung des Eides vor
einer öffentlichen Behörde
als nothwendige Vorausſetzung des
Meineides angenommen, d) und demnach für den Entwurf von 1847.
folgende Faſſung gewählt:

§. 153. „Wer vor einer öffentlichen Behörde in eigenen oder
fremden Angelegenheiten einen falſchen Eid ſchwört, oder den vor der
Vernehmung in der Eigenſchaft eines Zeugen oder Sachverſtändigen
geleiſteten Eid wiſſentlich verletzt, iſt mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren
zu beſtrafen.“

Seitdem iſt man wieder zu dem Entwurf von 1830. zurückgekehrt,
und hat nur den vor Gericht abgeleiſteten falſchen Eid unter Strafe
geſtellt. Doch iſt dieß nicht in einer Definition ausgeſprochen worden,
ſondern folgt aus den Beſtimmungen über die einzelnen Fälle des
Meineides, welche das Strafgeſetzbuch aufführt. — Eine aus-drückliche
Vorſchrift darüber, daß der falſche Eid, welchen jemand durch das Organ
eines Bevollmächtigten leiſtet, als ein Meineid zu betrachten ſei, wurde
ſpäter als ſich von ſelbſt verſtehend für überflüſſig gehalten, und des-
wegen die Auslaſſung der Worte, welche der Entwurf von 1843.
§. 245. hatte: „es ſei perſönlich oder durch einen Bevollmächtigten“
beſchloſſen. e)

II. Der Entwurf von 1843. hatte folgende Beſtimmung:

§. 247. „Das Verbrechen des Meineids iſt erſt dann vollendet,
wenn die Verhandlung in Anſehung desjenigen, welcher den Eid abge-
leiſtet hat, geſchloſſen iſt, die Eidesleiſtung mag der Ausſage voraus-
gegangen oder nachgefolgt ſein.“


d) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S.
75. 76. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 13. März 1841.
e) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 83.
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[291/0301] §§. 125-128. Meineid. §. 439. „Wer etwas Falſches wider beſſeres Wiſſen als wahr bekundet, oder eine ihm bekannte Thatſache abſichtlich verſchweigt, und die Ausſage durch einen in geſetzlicher Form vor einer richterlichen Behörde geleiſteten Eid bekräftigt, iſt des Meineids ſchuldig.“ Dieſe Begriffsbeſtimmung war aber in dem Entwurf von 1836. in folgender Weiſe erweitert: §. 301. „Wer wider beſſeres Wiſſen etwas Unwahres als wahr oder etwas Wahres als unwahr bekundet oder eine ihm bekannte That- ſache in der Abſicht, die Wahrheit zu verhehlen, verſchweigt und die Ausſage durch einen Eid bekräftigt, macht ſich des Meineides ſchuldig.“ Allein die Auffaſſung des Verbrechens in dieſer Allgemeinheit, wodurch auch die Verletzung der Privateide in demſelben begriffen war, fand keine Billigung; vielmehr wurde die Ableiſtung des Eides vor einer öffentlichen Behörde als nothwendige Vorausſetzung des Meineides angenommen, d) und demnach für den Entwurf von 1847. folgende Faſſung gewählt: §. 153. „Wer vor einer öffentlichen Behörde in eigenen oder fremden Angelegenheiten einen falſchen Eid ſchwört, oder den vor der Vernehmung in der Eigenſchaft eines Zeugen oder Sachverſtändigen geleiſteten Eid wiſſentlich verletzt, iſt mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu beſtrafen.“ Seitdem iſt man wieder zu dem Entwurf von 1830. zurückgekehrt, und hat nur den vor Gericht abgeleiſteten falſchen Eid unter Strafe geſtellt. Doch iſt dieß nicht in einer Definition ausgeſprochen worden, ſondern folgt aus den Beſtimmungen über die einzelnen Fälle des Meineides, welche das Strafgeſetzbuch aufführt. — Eine aus-drückliche Vorſchrift darüber, daß der falſche Eid, welchen jemand durch das Organ eines Bevollmächtigten leiſtet, als ein Meineid zu betrachten ſei, wurde ſpäter als ſich von ſelbſt verſtehend für überflüſſig gehalten, und des- wegen die Auslaſſung der Worte, welche der Entwurf von 1843. §. 245. hatte: „es ſei perſönlich oder durch einen Bevollmächtigten“ beſchloſſen. e) II. Der Entwurf von 1843. hatte folgende Beſtimmung: §. 247. „Das Verbrechen des Meineids iſt erſt dann vollendet, wenn die Verhandlung in Anſehung desjenigen, welcher den Eid abge- leiſtet hat, geſchloſſen iſt, die Eidesleiſtung mag der Ausſage voraus- gegangen oder nachgefolgt ſein.“ d) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 75. 76. — Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 13. März 1841. e) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 83.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/301>, abgerufen am 27.04.2024.